Dorfvereine hoffen auf die Zeit nach Corona
Für viele Dorfvereine ist die Corona-Pandemie mit den Einschränkungen sehr gravierend. Die regelmässigen Treffen und Übungen fehlen, dazu leidet auch die Vereinskasse. Viel kulturelles Volksgut geht in den Dörfern und Regionen momentan verloren. Ein Neustart der bisherigen Aktivitäten nach der Pandemie kann aber auch eine grosse Chance sein, zahlreiche Menschen für das coole Vereinsleben neu zu begeistern.
Dorfvereine · Die Wintermonate waren in den vergangenen Jahren meistens eine unterhaltsame, fröhliche Konzert- und Theatersaison. Viele Vereinsveranstaltungen fanden statt, die Mitglieder hatten zuvor etliche Stunden für die Auftritte geprobt und geübt. So begeisterten unter anderem in der Region auch der Gemischte Chor Schweinbrunnen und der Männerchor Dürrenroth mit einem Konzert und Theater das Publikum. «Seit Corona unser Vereinsleben bestimmt, leiden nicht nur unsere Stimmen», bedauert Peter Wüthrich, Präsident vom Männerchor Dürrenroth.
Ein «Pflaster» für die Seele
Der erste Lockdown war für viele Mitglieder von Vereinen bereits ein Schock. Regelmässige und gewohnte Übungen entfielen mit einem Schlag. Dazu auch die Treffen in froher Runde mit Gleichgesinnten. «Im Sommer haben wir in sehr grossem Kreis gesungen und der Übungsbesuch war freiwillig, die Lieder klangen aber nicht wie sonst», weiss Peter Wüthrich. Seit einigen Monaten, das heisst seit Anfang Oktober, ist im Männerchor Dürrenroth wie auch in unzähligen anderen Dorfvereinen im wahrsten Sinne des Wortes «Funkstille». «Das Singen ist für uns wie ein Seelenpflaster, wir legen jeweils unsere Alltagssorgen oder den Stress ab und geniessen die musikalischen Klänge», sagt Peter Wüthrich. Viel Einsatz und Können wird von Vereinsmitgliedern in ihrer Freizeit durchs ganze Jahr für ihr Hobby investiert. Was sie an den Übungen einstudiert haben, wird an den Aufführungen jeweils präsentiert. So wird das Vereinsleben als kulturelles Gut in bester Art dokumentiert.
Die Folklore lebt in den Menschen
«Das Vertrauen erhebt die Seele», sagte Jean-Jacques Rousseau, Schriftsteller, Philosoph, Pädagoge und Naturforscher. Was kann die Seele des Menschen mehr erheben als Tanz, Musik, Gesang und Freundschaft. Die Folklore ist eine starke kulturelle Kraft, welche in den Menschen lebt und durch nichts zerstört werden kann. Durch die Vielseitigkeit der verschiedenen Vereine wird dieses Kulturgut mit Liebe gepflegt und bei jedem Auftritt voll und ganz zum Ausdruck gebracht. Auch in Zukunft, nach der Corona- Pandemie, wollen die Dorfvereine ihr Publikum immer wieder überraschen und begeistern.
Der Männerchor Dürrenroth, geleitet von Silvia Thomann, hat zurzeit siebzehn Mitglieder. «Wenn wir nach dem Lockdown wieder singen dürfen, fangen wir bei der Stimmbildung wohl fast bei null an», erkennt Peter Wüthrich.
Etwas Neues beginnen
Dies schätzt der Männerchor-Präsident aber auch als grosse Chance ein, um neue Sänger zu gewinnen. Nach der langen Zeit des «Zuhausebleibens» ist es die gute Gelegenheit, etwas Neues zu beginnen. Es braucht etwas Motivation, um in einem Verein mitzumachen, aber der persönliche Nutzen wird dafür gross sein. Neue Singende, die gerne das schöne Vereinsleben aktiv mitgestalten, seien natürlich herzlich willkommen.
MG Wyssachen auf YouTube
Wer nicht Singen kann, hat eventuell einmal ein Instrument in den Händen gehalten. Auch bei den vielen Musikgesellschaften ruht das Vereinsleben weitgehend, da keine Anlässe erlaubt sind.
Wegen dem Versammlungsverbot sind auch keine Proben möglich. In der Musikgesellschaft Wyssachen initiierte der Dirigent Jonas Liechti ein Projekt, das alle Bläser ziemlich herausforderte. Ein Stück, welches von den Mitgliedern der Musikgesellschaft Wyssachen vorher nie zusammen geübt oder gespielt worden war, galt es zu lernen. Der Song «Für immer uf di» von Patent Ochsner im Arrangement von Mario Bürki wurde von den Musizierenden dezentral einstudiert und aufgenommen.
Von Jonas Liechti wurden die einzelnen Teile zu einem prächtigen Ganzen zusammengefügt. Das gelungene Resultat ist auf YouTube zu hören. «Es ist allerdings kein Vergleich zur Version mit der ganzen Formation, dirigiert von Jonas Liechti», stellt Lucia Jakob, Präsidentin der Musikgesellschaft Wyssachen fest. Auch in diesem Verein freuen sich alle an neuen Mitgliedern.
Dem Zauber des Anfangs vertrauen
Ein «Abstands-Singen im Erntedank-Gottesdienst» in der Kirche Affoltern war der einzige Auftritt der Trachtengruppe Affoltern in diesem Corona- Jahr. Das Tanzen war wegen dem Abstandhalten überhaupt nicht möglich. Die schönen Trachten werden kaum getragen und sind im Schrank versorgt. «Wir hoffen alle sehr, dass wir irgendwann in unseren gewohnten Alltag zurückdürfen. Dabei vor allem das Wichtigste machen – einander wiedersehen und zusammen sprechen», sagt Cornelia Ueltschi, Präsidentin der Trachtengruppe Affoltern.
Ganz viele Menschen hoffen in dieser Zeit, dass es irgendwann, aber bald, wieder möglich ist, zu singen, zu jodeln, zu tanzen, Theater zu spielen oder ein Instrument zu spielen. Damit wird das kulturelle Gut im Dorf, der Region sowie der ganzen Schweiz gestärkt und erhalten.
Es ist zu hoffen, dass die Motivation bei den bisherigen Vereinsmitgliedern erhalten geblieben ist, um den Verein wieder zum Leben zu erwecken. Aber ebenso, dass es Menschen gibt, die sich neu für das Vereinsleben interessieren.
Dies getreu nach dem Leitsatz von Meister Eckhart: «Und plötzlich weisst du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.»
Von Barbara Heiniger