«Ds chlinere Übel» jetzt zweimal in Huttwil
Von der Region für die Region. Mit dem Stück «Ds chlinere Übel» von Urs Mannhart und Matthias Kunz ist das Stadttheater Langenthal unterwegs im Oberaargau. Nach der fulminanten Uraufführung ist diese Produktion am Donnerstag und Freitag im «Kleinen Prinz» in Huttwil zu geniessen.
Von Hans Mathys · Das Stadttheater Langenthal wird zurzeit saniert. Es hat aus der Not eine Tugend gemacht und bietet in dieser Zwischensaison bis zur Neueröffnung im Oktober 2017 Vorstellungen in der Alten Mühle in Langenthal und Gastspiele im Oberaargau an – diese Woche «Ds chlinere Übel» in Huttwil. Die samstägliche Uraufführung dieser Koproduktion mit dem Theater überLand und dem CH-Autorentheater Langenthal kam beim Publikum äusserst gut an. Die Oberaargauer Autoren Matthias Kunz und Urs Mannhart zeigen auf, wie das fiktive Dorf Bolliswil an seiner Zukunft schaufelt. Der Lokal- und Regionalkolorit kommt keineswegs zu kurz. «Ds chlinere Übel» heisst das Stück deshalb, weil den Bolliswilern der Bau eines Hirnzentrums im Vergleich zu einem angedachten Asylzentrum als das kleinere Übel erscheint.
Die Ursprungsidee liegt beim geplanten, wegen des Konkurses aber nicht gebauten Hirnzentrums der Gönnervereinigung Pro Integral in Roggwil. So etwas – allerdings mit diversen Mantelnutzungen – soll in Bolliswil entstehen. Dass die Architektin Stefanie Anklin heisst, dürfte eine Anspielung an den GC- und SCL-Präsidenten Stefan Anliker sein. Dies lässt sich in Anbetracht des Schalkes von Co-Autor Matthias Kunz vermuten, der als «Dr. Grünspan» aus Bundesbern durch die Schweiz tingelt und längst zum Garanten für köstliche Unterhaltung geworden ist.
Alte Mühle – wie im Kleintheater
Regisseur Reto Lang, Direktor des Stadttheaters Langenthal, verriet nach dieser auch in seinen Augen geglückten Uraufführung, dass es spannend war, die Balance zwischen der Geschichte rund um die Alte Bleiche und den genial-witzigen Ideen von Satiriker Matthias Kunz zu finden – was aber letztlich vollauf gelungen ist. «Hier in der Alten Mühle ist es fast wie in einem Kleintheater», sagte Lang zur Ambiance im Saal mit der aufgebauten Tribüne, die 199 Sitzplätze bietet. 136 waren bei dieser Uraufführung besetzt.
«Schlaft gut, wenn ihr könnt!»
In der seit Jahren leer stehenden Alten Bleiche – Architektin Stefanie Anklin (Anne Hodler) ist Besitzerin dieser Fabrik – soll ein Dorfzentrum gebaut werden. Gemeindepräsidentin Theres Lüthi (Marlise Fischer) und Dr. Thorsten Detmold (Peter Zimmermann) sind für das Projekt Feuer und Flamme. Daraus machen sie auch an der Gemeindeversammlung, wo sie einträchtig nebeneinander sitzen, kein Geheimnis. Dem Namensschild ist zu entnehmen, dass Dr. Detmold das Bau- und Verkehrsdepartement vertritt. An der Gemeindeversammlung soll der Planungskredit «Neue Bleiche» durchgeboxt werden. Dieses Projekt würde Bolliswil den nötigen Aufschwung bringen. «Wir haben das Interesse eines wirklich sehr guten Investors», macht sich die Gemeindepräsidentin für ein Ja zum Planungskredit stark – zumal hier 150 neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Aus der Versammlungsmitte gibt es aber Widerstand – vor allem wegen des unbekannten Investors. Die Gemeindeversammlung rund ums Grossprojekt Multifunktionshaus bietet viel Wortwitz. Dass der Planungskredit schliesslich mit 67 Ja- zu 85 Nein-Stimmen abgelehnt wird, bezeichnet die darob masslos enttäuschte Gemeindepräsidentin als Desaster: «Gute Nacht, schlaft gut – wenn Ihr könnt.» Später, in einer zweiten Abstimmung, wendet sich das Blatt, weil der Kanton – so wird kommuniziert – hier ein Asylzentrum plant. Landwirt Res Rüfenacht (Frank Demenga), Halbbruder von Architektin Stefanie Anklin, widersetzt sich dem Verkauf seiner Parzelle, was auf Unverständnis stösst. Dass er als «sturer Bock» bezeichnet wird, scheint ihn kaum zu stören, denn eigentlich ist er ein Schlitzohr mit Überblick, das hier die Fäden zieht. Ihm ist die Liaison seiner Halbschwester Stefanie Anklin mit Dr. Thorsten Detmold, den er bald einmal entlarvt, nicht entgangen. Eine Sympathieträgerin ist Rodwina (Karin Wirthner), Freundin von Bauer Res Rüfenacht, die aus Banja Luka in die Schweiz emigrierte und Deutsch mit Balkan-Akzent spricht. Sie möchte, dass ihr im Balkan erworbener Arzttitel auch in der Schweiz gilt. Ob dazu eine Heirat mit ihrem Freund Res Rüfenacht erforderlich ist? Jedenfalls muss sie zur näheren Abklärung einen Fragebogen ausfüllen, auf dem die Fragen wohl auf Englisch gestellt sind. Was sie zur Frage nach «Sex» (englisches Wort für Geschlecht) schreiben soll, fragt sie Res. Dieser empfiehlt ihr, bei dieser Rubrik Sex «zweimal pro Tag» zu notieren.
Nach der Pause gibt das starke fünfköpfige Ensemble nochmals Vollgas. Bei der Alten Bleiche kommen bei Grabarbeiten Altlasten (Natriumhydroxid) und weitere archäologische Fundstücke zum Vorschein, die Bolliswil zum «Mekka der antiken Welt» machen könnten – mit dem Shuttlebus ab Langenthal und Olten erreichbar. Obschon die Schweiz arm an Bodenschätzen ist, werden im Boden der Bleiche 127 000 Franken in einem Couvert gefunden – versteckt in einem Fass. Die Spannung ist knisternd. Zur Aufklärung trägt Res Rüfenacht viel bei. Er steht zuletzt nicht mehr in Stiefeln auf der Bühne, sondern in eleganter Kleidung. Der Schlussapplaus ist verdient und herzlich.
Donnerstag und Freitag in Huttwil
«Ds chlinere Übel» geht jetzt auf Tournee. Gastspielorte sind nach Huttwil (Donnerstag, 3. November, und Freitag, 4. November, – Vorverkauf Gemeindeverwaltung, Telefon 062 959 88 88), Herzogenbuchsee, Wangen an der Aare, Roggwil, Grasswil, Melchnau, Niederbipp.