• Schenk Patrick und Aeschbacher Matthias vom Schwingklub Sumiswald gewinnen den Eidgenössischen Kranz. · Bild: Stefan Leuenberger

26.08.2019
Sport

Eidgenössische Kranzgewinne für Aeschbacher und Schenk

45. Eidgenössisches Schwing- und Älplerfest in Zug – Stucki Christian heisst der Schwingerkönig 2019. Mit dem Seeländer hat zum vierten Mal in Serie ein Berner den Titel geholt. Kronfavorit Wicki Joel (Sörenberg) musste sich dem sanften Riesen im Schlussgang beugen. Sämtliche zehn regionalen Schwinger absolvierten acht Gänge. Aeschbacher Matthias und Schenk Patrick (beide Schwingklub Sumiswald) holten den Kranz.

Schwingen · «Ich musste gewinnen und habe einfach gezogen. Und es ist mir gelungen. That’s it.» Dies die ersten Worte des neuen Schwingerkönigs und nunmehr sechsfachen «Eidgenossen» Stucki Christian. Niemand gönnte dem sanften Riesen mit dem grossen Herzen den Titel nicht. Mit seinem Kuss an Sempach Matthias nach verlorenem Schlussgang am ESAF in Burgdorf eroberte der Hüne endgültig sämtliche Schwingerherzen. Der 140-kg-Mann aus dem Seeland drückte im auf 16 Minuten angesetzten Schlussgang am Sonntag vor 56 500 Fans in der Zug Arena um genau 17 Uhr und bloss 41 Sekunden Kampfdauer den Innerschweizer Shootingstar Wicki Joel mit dem Rücken ins Sägemehl. Der erst 22-jährige Sörenberger Naturbursche hatte zuvor das Geschehen am ESAF in Zug mit Blitzsiegen und absolut beeindruckenden Auftritten geprägt.    33 Jahre nach Knüsel Harry rechneten die meisten Schwingerkenner mit dem Shootingstar Wicki als neuen Schwingerkönig. Doch wie Reichmuth Pirmin (Cham) und Giger Samuel (Ottoberg) musste am Ende auch Wicki anerkennen: Gegen die Berner (sie holen 15 der 44 Kränze) und im Speziellen gegen den Teamoldie Stucki (mit schwerem Notenblatt) war kein Kraut gewachsen. Nach Wenger, Sempach und Glarner feierten die Berner mit Stucki den vierten ESAF-Sieg in Serie. Stucki Christian ist mit Abderhalden Jörg erst der zweite Schwinger der Geschichte der Schweizer Nationalsportart, der den Schwinger-Grand-Slam mit Schwingerkönig, Unspunnen-Sieg und Kilchberger Sieg realisiert hat. Und der Erstgekrönte Wicki? Dieser ist als «Nichteidgenosse» und ohne Routine angetreten. Ihm – und den weiteren «jungen Wilden» – gehört die Zukunft. «Chrigu hat es mehr als verdient. Ich gratuliere ihm von Herzen», meinte Wicki fair.

«Disu» mit Aufholjagd nach Fehlstart
Zehn Schwinger aus der Region hatten sich für den grössten Sportanlass des Jahres am Ufer des Zugersees qualifiziert. Mit dem dreifachen Saisonsieger Aeschbacher Matthias gehörte einer davon sogar zum erweiterten Königsfavoritenkreis. Der 27-jährige Rüegsauschacher zeigte nach der Blitz-Niederlage zum Festauftakt gegen Wicki Joel Charakter. Mit fünf Siegen in Serie kämpfte sich «Disu» wieder unter die Topleute. Und im siebten Gang hätte sich der 58-fache Kranzgewinner mit einem Sieg über den Lokalmatadoren Reichmuth Pirmin sogar für den Schlussgang ins Geschäft bringen können. Doch mit einem Blitzsieg machte Reichmuth diese Träume zunichte. «Disu» machte die leise Enttäuschung («natürlich wäre ich gerne König geworden») mit einem abschlies-senden Sieg über den «Eidgenossen» Ulrich Andreas vergessen. Der nach dem Estavayer-Drama so lange herbeiersehnte erste Eidgenössische Kranz – es gab am ESAF 2019 genau 20 Neukranzer – war für den besten regionalen Schwingsportler der letzten Jahre Tatsache. «Darüber freue ich mich sehr. Nun bin ich aber froh, dass ich etwas abschalten kann», meinte Aeschbacher. «Nach zwei, drei kleineren Festen werde ich für zwei Monate komplett pausieren und den Kopf lüften.» Die letzten Wochen waren happig. «Meine Frau Madlen hat mir den Rücken freigehalten. Sie hat grossen Anteil am Erfolg», lobte der Rüegsauschacher.
Für das zweite regionale Ausrufezeichen sorgte der im Portershaus in Wasen aufgewachsene und jetzt in Koppigen lebende Schenk Patrick vom Schwingklub Sumiswald. Drei Jahre nach seinem ersten Kranzgewinn an einem «Eidgenössischen» wiederholte der 25-Jährige diesen Triumph, obwohl er gleich gegen fünf «Eidgenossen» antreten musste. «Ich bin glücklich darüber, dass ich meine Leistung abrufen konnte.» Schenk zeigte gros-sen Sportsgeist, als ihm im sechsten Kampf gegen Schurtenberger Sven (Buttisholz) ein Sieg, der ihn in der Zwischenrangliste ganz weit nach vorne gebracht hätte, verwehrt blieb. Der Kampfrichter gab das Resultat nicht, obwohl Schurtenberger kurz platt im Sägemehl lag. Nach Rang 9e in Estavayer-le-Lac reichte es Schenk in Zug zum Rang 8c. Das Sumiswalder Duo Aeschbacher/Schenk liess sich schliesslich an der feierlichen Siegerehrung mit dem Lorbeerkranz krönen.

Magisches Publikum
Alle zehn regionalen Schwinger überzeugten, indem sie alle acht Gänge mitschwingen durften. Der Sumiswalder Schwingklub glänzte mit sieben Athleten. Für ein Meisterstück sorgte der 25-jährige Steffen Konrad, als er im fünften Gang den «Eidgenossen» Schuler Christian ins Sägemehl bettete. «Ich werde nie mehr vergessen, wie die Berner Zuschauer meinen Sieg frenetisch bejubelten», freute sich Steffen, der zusammen mit seinen Brüdern Gustav und Valentin die Besonderheit eines ESAF-Brüder-Trios bildete. Drittbester Regionaler hinter dem Kranzduo Aeschbacher/Schenk wurde mit Thomas Kropf ein Schwinger, der noch nicht lange im «UE»-Gebiet wohnt. «Wegen meiner Freundin bin ich im April nach Rüegsauschachen gezogen», erklärte das 28-jährige Mitglied des Schwingklubs Kirchberg. Kropf lag lange auf Kranzkurs, besiegte unter anderen den «Eidgenossen» Alpiger Nick (Staufen). Der glänzend schwingende Bieri Marcel (Edlibach) machte Kropf aber im letzten Gang einen Strich durch die Kranzrechnung. Ebenfalls 74,25 Punkte wie Kropf sammelte der Lotzwiler Florian Weyermann. «Es ist schon hart, den Kranzgewinn wie vor drei Jahren so knapp verpasst zu haben», meinte das Mitglied des Schwingklubs Langenthal.

Rind «Gretha» raubt «Kolin» die Show
Das Volksfest in der Innerschweiz bot Spektakel. Bei traumhaftem Wetter gab es neben dem Schwingsport viele Höhepunkte. Vor allem wurde die Tradition gelebt. «Swissness» war angesagt. Einen unvergesslichen musikalischen Auftritt in der vollbesetzten Arena bestritt der Jodlerklub Melchnau. Für Furore am Sonntag während des überaus gelungenen Festaktes sorgten die Büezer Buebe Gölä und Trauffer, die vor verbündetem Arbeiter-Publikum ein Best-of-Medley sowie die ESAF-Hymne «Maa gäge Maa» intonierten. Heimlicher Star am ESAF war Lebendpreis «Greth». Das 4-jährige Rind büxte am Samstag während der Parade durch die Arena aus und sorgte mit einem wilden aber glimpflich verlaufenen Sprint über den Wettkampfplatz für Lacher auf den Rängen. Apropos Lebendpreise: Was passiert eigentlich mit Siegermuni «Kolin»? «Weil ich keinen Landwirtschaftsbetrieb führe, kommt der Siegermuni zurück zum Züchter. In meinem Garten würde er nur den schönen Rasen vertschaupe», scherzte der neue König der Schweiz.

Auszug aus der Rangliste: 1a. Christian Stucki, Lyss, 77,50; 1b. Joel Wicki, Sörenberg, 77,50; 2. Marcel Mathis, Büren, 77,25; 3a. Armon Orlik, Maienfeld, 77,00; 3b. Pirmin Reichmuth, Cham, 77,00; 4. Samuel Giger, Ottoberg, 76,75; 5a. Kilian von Weissenfluh, Hasliberg, 76,50; 5b. Matthias Aeschbacher, Rüegsauschachen, 76,50; 6a. Daniel Bösch, Zuzwil, 76,00; 6b. Marcel Bieri, Edlibach, 76,00; 6c. Andreas Döbeli, Sarmenstorf, 76,00; 6d. Roger Rychen, Mollis, 76,00; 7a. Fabian Staudenmann, Guggisberg, 75,75; 7b. Sven Schurtenberger, Buttisholz, 75,75; 8a. Patrick Räbmatter, Uerkheim, 75,50; 8b. Kilian Wenger, Horboden, 75,50; 8c. Patrick Schenk, Koppigen/SK Sumiswald, 75,50; 13g. Thomas Kropf, Rüegsauschachen, 74,25; 13i. Florian Weyermann, Lotzwil, 74,25; 13k. Konrad Steffen, Koppigen/SK Sumiswald, 74,25; 16f. Roman Sommer, Wasen, 73,50; 16j. Valentin Steffen, Koppigen/SK Sumiswald, 73,50; 16l. Philipp Gehrig, Heimisbach, 73,50; 19d. Gustav Steffen, Koppigen/SK Sumiswald, 72,75; 20f. Dominik Zangger, Pfaffnau/SK Langenthal, 72,50. – Kranzverteilung (44 Stück): 15 Bern, 13 Innerschweiz, 10 Nordostschweiz, 3 Nordwestschweiz, 3 Südwestschweiz.

Von Stefan Leuenberger