Ein Aufruf zu mehr Vertrauen im Parlament
Der neue Langenthaler Stadtratspräsident Michael Schenk (SVP) nutzte seinen ersten Auftritt im Parlament dazu, einen Aufruf für mehr gegenseitiges Vertrauen zu platzieren. Er forderte die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dazu auf, gewisse Ideologien, Eitelkeiten, Sturheit und festgefahrene Denkweisen abzulegen, stattdessen wieder vermehrt gemeinsam zu agieren und damit fruchtbare Ergebnisse zu erzielen.
Nur einen Tag nachdem das Langenthaler Stimmvolk mit einem Nein-Anteil von 54 Prozent das Budget 2023 abgelehnt hat, traf sich der Stadtrat zu seiner ersten Sitzung im neuen Jahr. Der neue Stadtratspräsident Michael Schenk (SVP), nutzte dabei die Gelegenheit, in seiner Antrittsrede den 39 anwesenden Stadträtinnen und Stadträten sowie dem vollzählig anwesenden Gemeinderat ins politische Gewissen zu reden.
Schenk machte klar, dass er an gewissen Entwicklungen in den letzten Monaten, nicht zuletzt auch in Langenthal, wenig Freude gehabt habe. Die Corona-Pandemie habe nicht nur im Körper vieler Menschen Spuren hinterlassen, sondern auch zu einem Wandel in unserer Gesellschaft geführt, stellte der Unternehmer (Blumen Schenk) fest. «Die Individualität hat weiter zugenommen, ebenso die Unverbindlichkeit, mit der viele Menschen unterwegs sind», hielt er fest. Man könnte meinen, dass wir Menschen unter solchen Voraussetzungen näher zusammenrücken, ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln und starke Gemeinschaften bilden würden, dass wir mehr und besser zusammenarbeiten und uns gegenseitig unterstützen würden, bemerkte er. «Leider war dies nicht der Fall, sind wir immer weniger bereit, aufeinander zuzugehen, gemeinsam etwas zu entwickeln, miteinander anzupacken und am gleichen Strick zu ziehen.»
Verantwortung nicht aufs Spiel setzen
Eine fruchtbare Zusammenarbeit beruhe auf gegenseitigem Vertrauen, auch hier im Parlament, erwähnte der neue Stadtratspräsident. «Ein Vertrauen, das wir einander entgegenbringen sollten, der Stadtrat dem Gemeinderat und umgekehrt. Dabei sind wir auch auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen, die davon ausgehen darf, dass wir diese Stadt im Interesse aller Bürger führen, entwickeln und verwalten. Wir alle tragen dafür eine gewisse Verantwortung, die wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen dürfen. Sobald wir jedoch spüren, dass dieses Vertrauen je länger desto mehr schwindet und in Misstrauen übergeht, sind wir an einem Punkt angelangt, an dem eine Kurskorrektur unvermeidlich ist», stellte Michael Schenk klar.
Parlamentsarbeit habe viel mit Überzeugung zu tun. «Leider stelle ich aber fest, dass wir oft bestehende Probleme bewirtschaften, statt mit Überzeugung nach Lösungen suchen und unsere Energie dafür einsetzen. Überzeugung wiederum hat mit Begeisterung und Leidenschaft zu tun, wie man eine Aufgabe anpackt und erledigt. Es ist ein inneres Feuer, das entsteht und nach aussen strahlt und sichtbar macht, für was wir uns leidenschaftlich einsetzen und engagieren. Leider führt der Wandel in unserer Gesellschaft dazu, dass in breiten Bevölkerungskreisen dieses Feuer erloschen und nicht mehr sicht- und spürbar ist. Vieles, das an uns herangetragen wird, versuchen wir zu delegieren oder ihm auszuweichen. Ein Mitwirken im eigentlichen Sinn findet kaum noch statt, wenn überhaupt, dann sind es allerhöchstens kritische Anmerkungen zu einem Vorhaben oder Projekt», bemängelte Michael Schenk.
«Zäme für Langethau»
Gerade deshalb sei es wichtig, «dass wir uns wieder vermehrt vertrauen. Denn wer vertraut, der kann auch Verantwortung übertragen, der ist bereit, einen Schritt zurückzuweichen, weil er darauf vertraut, dass auf der anderen Seite jemand steht, der mit seinem Wissen, seiner Erfahrung und seinem Können genauso einen wichtigen Teil zu einer befriedigenden Lösungs beitragen kann», führte er weiter aus. «Zäme für Langethau» sei sein Motto als Stadtratspräsident für das Jahr 2023, teilte er dem Parlament mit. «Gemeinsam wollen wir uns verantwortungs- und vertrauensvoll, aber auch leidenschaftlich und mit Begeisterung für unsere Stadt einsetzen.»
Um das gegenseitige Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Parteien sowie dem Stadt- und Gemeinderat zu fördern, veranstaltete der neue Stadtratspräsident im Anschluss an die erste Sitzung eine gemeinsame Pflanzaktion, bei der die Parlamentarierinnen und Parlamentarier eine Pflanze setzten. Die rund 60 Pflanzen werden anschliessend zur Verschönerung des öffentlichen Raumes verwendet, dabei können die Stadt- und Gemeinderäte jeweils auf dem Weg an die nächste Stadtratssitzung miterleben, ob das, was sie zu Beginn des Jahres gesät haben, auch zu einem fruchtbaren Ergebnis führt.
Fristverlängerung für Motion Lerch
Politisch startete das Stadtrats-Jahr noch gemächlich. Der Rat stimmte einer Fristverlängerung einer Motion von Martin Lerch (SVP) zu, der mit einem Vorstoss verlangt hatte, dass beim Aufwand für «externe Experten» die Ausgaben in den Jahren 2023 bis 2026 zu reduzieren seien. In seiner Antwort wies der Gemeinderat darauf hin, dass dieses Anliegen bereits im Budget 2023 Niederschlag gefunden habe, sei der Aufwand für «externe Experten» doch bereits um 268 000 Franken reduziert worden. Dennoch beantragte der Gemeinderat eine Fristverlängerung für die Motion, weil er der Meinung ist, dass die Frage der Erfüllung der erheblich erklärten Motion erst mit der Erarbeitung des Budgets 2026 im Jahr 2025 abschliessend beantwortet werden könne. Dieser Meinung war auch der Stadtrat, der die Fristverlängerung bis 31. Oktober 2025 gewährte.
Viele offene Fragen beim Eissport
In der Parlamentarischen Fragestunde drehten sich gleich mehrere Fragen um das Thema Eissport in Langenthal. Pascal Dietrich (parteilos) beispielsweise fragte sich, ob der Gemeinderat überhaupt befugt gewesen sei, die Planung einer neuen Eissportarena im Gebiet Hard zu stoppen beziehungsweise zu beenden, nachdem sich im Frühjahr 2020 75 Prozent der Langenthaler Stimmbevölkerung klar für die Planung einer solchen Arena ausgesprochen hat. Stadtpräsident Reto Müller hielt entgegen, dass sich im Verlaufe des Prozesses die Rahmenbedingungen für das Projekt entscheidend verändert hätten. Dazu seien weitere, erschwerende Faktoren wie die Teuerung und die steigenden Energiepreise hinzugekommen. «Aus diesem Grunde war der Gemeinderat gezwungen, einen Vernunfts-Entscheid zu fällen», entgegnete er dem Fragesteller.
Auf eine ergänzende Frage, ob man bei diesem Vorgehen nie in Betracht gezogen habe, den Stadtrat um seine Meinung zu fragen, blieb ihm Reto Müller eine Antwort schuldig und entgegnete bloss, dass er seine Aussage einfach mal zur Kenntnis nehme.
Auch der Entscheid des Gemeinderates, die Weiterentwicklung des Eissportes in Langenthal künftig nur noch am Standort der Eishalle Schoren zu verfolgen, passte nicht allen Parlamentariern. So fragte beispielsweise Fabian Fankhauser (glp), ob der Gemeinderat für die beiden Standorte Hard und Schoren eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt habe, was Stadtpräsident Reto Müller klar verneinte. Auch bei einer weiteren Frage von Fankhauser, ob es in der Kompetenz des Gemeinderates liege, einen Standort-Entscheid für die künftige Eissport-Infrastruktur zu fällen, entgegnete ihm Reto Müller bloss, dass dies bereits 2017 beim Standort-Entscheid für den Neubau einer Eissport-Arena im Gebiet Hard so gewesen sei und dieser Entscheid durch den Gemeinderat gefällt worden sei.
Von Walter Ryser