• Skorpion-Präsident René Kocher hätte gerne vermehrt Frauen in den leitenden Funktionen seines Unihockeyvereins.  · Bild: Leroy Ryser

14.07.2020
Sport

Ein Frauenverein von Männern regiert

Die Skorpions hätten gerne mehr Frauen im Vorstand und in den Trainerteams. Aber: Frauen für solche Positionen zu gewinnen, ist offenbar nicht einfach. «Es ist paradox», sagt Präsident René Kocher. «Wir sind ein Frauenverein, aber die Männer diktieren, wo es lang geht.» Bisher griffen Bestrebungen, dies zu ändern, oft ins Leere.

NLA Damen: UHV Skorpion Emmental · Der Unihockeyverein Skorpion Emmental geniesst bei den Frauen der Region ein gutes Ansehen. Mit ihrem Aushängeschild, dem NLA-Team der Damen, kämpfen sie seit mehreren Saisons ganz vorne mit, mittlerweile haben sie es sich zum Ziel gesetzt, erstmals einen Final – im Cup oder in der Meisterschaft – zu spielen und die Dominanz der Churer Piranhas und der Kloten-Dietlikon Jets zu durchbrechen. Eines aber fällt auf: Am Steuer sitzen seit Jahren Männer. Sei es in den zahlreichen Trainerpositionen oder auch im Vorstand. René Kocher, seit einem Jahr Präsident der Skorpions, reagiert fast schon ernüchtert, wird er darauf angesprochen. «Es ist bitter. Wir finden zwar Frauen als Helferinnen, beispielsweise in unserem Bistro. Aber in leitenden Funktionen, beispielsweise im Vorstand oder als Trainerin der Juniorinnen, werden wir nur selten fündig.» Dabei sind schon länger Bestrebungen im Gang. Seit neustem wird versucht, solche Mandate doppelt zu besetzen, einerseits um die Arbeitslast zu teilen, andererseits kann es einfacher sein, zwei Frauen zeitgleich zu gewinnen. «Auch auf nationaler Ebene sind Frauen für solche Mandate sehr gesucht», sagt Kocher, er könne über die Gründe aber nur rätseln. Fakt sei bisher jedoch: Wenn sich eine Frau einmal vom Verein entfernt hat, ist es enorm schwierig, sie zur Rückkehr zu bewegen. Anders gesagt: Nach der Spielerkarriere folgt die Familienplanung und damit ist die Unihockey-Zeit quasi ad acta gelegt.

Frauen bringen andere Inputs
Aufgeben wollen die Verantwortlichen aber nicht, denn für René Kocher ist klar: «Frauen denken manchmal ganz anders als Männer. Und dadurch bringen sie Inputs in Diskussionen, die von einem Mann nicht kämen.» Letztlich sei es klar, dass es die Mischung ausmache. Das sei auch im Trainer-staff nicht anders, wo unter anderem explizit Teammanagerinnen als Bindeglied zwischen Trainer und Team gesucht werden, damit die Mädchen und Frauen nicht nur männliche Ansprechpersonen haben.
Immerhin läuft es trotz der bisher oft erfolglosen Suche bei den Skorpions sehr gut. Finanziell betrachtet ist der Verein stabil, solange die Sponsorengelder nicht wegen der Coronakrise einbrechen, bei den Juniorinnen-Teams der U21 und der C-Juniorinnen kämpfte man zuletzt um den Schweizermeistertitel und auch in der NLA hatte man sich einmal mehr für die Halbfinals qualifiziert. Nach einem Sieg im letzten Qualifikationsspiel gegen Kloten-Dietlikon folgte ein 3:0-Sieg in Serie im Viertelfinal gegen Unihockey Berner Oberland. «Die Formkurve zeigte nach oben», sagt auch Urs Wyss, der die Geschäftsstelle des UHV leitet. Im Halbfinal gegen die Piranhas aus Chur wäre man zwar Aussenseiter gewesen, dennoch erhoffte man sich Chancen, zu bestehen. «Im Jahr zuvor haben wir im zweiten Spiel dieses Duells gesehen, dass es möglich wäre, sie zu bezwingen», sagt René Kocher. Dass die Saison aufgrund des Coronavirus abgebrochen werden musste, habe sie ratlos und enttäuscht zurückgelassen, einen Final zu erreichen, wäre möglich gewesen, finden sie.

Auf dem richtigen Weg gebremst
Auch für Sportchef Bruno Kohler ist klar: «Wir wurden auf dem richtigen Weg gebremst.» Man könne zwar nicht mit Sicherheit sagen, ob man diesen Final tatsächlich erreicht hätte, aber die Marschrichtung hätte in den Wochen zuvor zuversichtlich gestimmt. Auf die neue Saison hin werde man folglich nicht alles auf den Kopf stellen, sondern Änderungen nur punktuell vornehmen. «Wir haben zwei tschechische Nationalspielerinnen im Alter von 19 und 21 Jahren verpflichten können und auch sonst auf einzelnen Positionen Änderungen vollzogen», sagt der Sportchef weiter. Er sei überzeugt, dass die Skorpions deshalb in der neuen Saison noch einmal stärker sein werden, als in der vergangenen, abgebrochenen Spielzeit. «Das Ziel bleibt dasselbe: Wir wollen einen Final spielen. ‹Zäme i Finau› ist und bleibt unser Motto.» Die Transfers würden ausserdem für mehr Breite und Substanz sorgen, dass Trainer Lukas Schüepp bleibt, sorgt ausserdem für Kontinuität.
Dem Gesagten will auch der Präsident nicht widersprechen: «Man hat in den letzten Jahren eine stetige Entwicklung gesehen und die wollen wir weiterführen.» Seine Vorgänger hätten sehr gute Arbeit geleistet, dass auch er sich noch gedulden muss, sei daher kein Problem. «Natürlich möchten wir in einen Final. Und die Zeichen, dass es klappen könnte, sind vorhanden. Aber es wäre fast schon etwas frech gewesen, wenn es für mich gleich im ersten Anlauf geklappt hätte, nachdem andere Präsidenten jahrelang darauf hingefiebert hatten», sagt René Kocher lachend. Und wer weiss, vielleicht ist es bis zuletzt sogar eine Frau, die den Erfolg bringen wird. Denn auch der jetzige Präsident sagt: «Es wäre toll, wenn irgendwann eine Frau den Verein präsidieren würde.»

Von Leroy Ryser