• Fritz Mathys und König Bansah auf dem «Stroh-Thron» – wohl ein einmaliger Moment für den Huttwiler Landwirt.

  • Céphas Bansah im Camp. Links aussen die Organisatoren Gerhard Laux (links) und Erwin Lang. Bilder: Liselotte Jost-Zürcher

02.08.2019
Huttwil

Ein König auf dem Stroh-Thron

Keiner ahnte während der Bundesfeier auf dem Brunnenplatz, dass nur wenige Hundert Meter weiter weg ein König auf einem Stroh-Thron sass und sich von Jugendlichen über sein Land befragen liess. Auf dem Hof der Familie Fritz Mathys war Togbui Ngoryfia Olatidoye Kosi Céphas Bansah zu Gast, kurz gesagt König Bansah. Er ist das Oberhaupt einer Ewe-Gruppe in Ghana.

Es waren einige Umwege, die König Bansah nach Huttwil führten. Aber doch nicht so viele, wie man bei einem König von Ghana meinen könnte. Das Stammesoberhaupt von 206 000 Einwohnern des Drei-Millionen-Volkes der Ewe im Osten Ghanas hat seinen festen Wohnsitz in Ludwigshafen. Als «special guest» wurde er in das Trinationale Regio-Lions-Sommercamp auf dem Bauernhof von Fritz Mathys mit bis zu 20 Jugendlichen aus dem Kreis Lörrach, der Schweiz und dem Elsass eingeladen (siehe Kasten). 

«Verbindungsmann» ist der Deutsche Erwin Lang, der seit 15 Jahren für das Rahmenprogramm im Camp der Jugendlichen sorgt und es sich zum Ziel macht, diese mit einer Persönlichkeit zusammenzuführen. So kam es denn, dass König Bansah zusammen mit seiner deutschen Frau Gabriele Bansah nach Huttwil fuhr, gemeinsam mit den Camp-Teilnehmern das Mittagessen einnahm, sich anschliessend mit seiner Landestracht und Krone kleidete und in der Wagenhalle von Fritz Mathys seinen Thron aus Stroh aufsuchte. «Ich mag Ihr 5-Sterne-Hotel», meinte er strahlend zum Huttwiler Gastgeber.

Geben anstatt nehmen

Céphas Bansah ist ein richtiger König, aber gewiss kein «gewöhnlicher». Er beutet sein Volk nicht aus, wie dies viele Herrscher tun. Im Gegenteil, was immer er in Deutschland an Praxiseinrichtungen für Ärzte und Spitäler, an technischen Mitteln und sonst Nützlichem wie Brillen usw. auftreiben kann, lässt er nach Ghana bringen und sorgt vor Ort gleich selbst, dass alles in die richtigen Hände kommt. Insbesondere mit Vorträgen treibt er Geld auf, das er in Ghana in Projekte wie Brücken, Frischwasser-Brunnen und Schulen steckt. Oder in ein Frauen-Gefängnis. Nicht, weil er etwas gegen Frauen hat, sondern «weil ich Tränen bekam, als ich sah, wie schlecht Frauen und Mädchen in gemischten Gefängnissen gehalten werden mit der Gewissheit, dass sie ausserdem nachts vergewaltigt werden», wie er erzählte. In Ghana sei der Schritt ins Gefängnis sehr klein; ein unterschlagenes Flaschenpfand reiche schon, dass man einige Tage eingesperrt werde.

73 Geschwister und keine Linkshänder-Könige

Céphas Bansah kam durch spezielle Umstände zur Königskrone. Sein Vater hatte zwölf Frauen, er selbst 73 Geschwister. «Vater war fleissig», witzelte er. Der Vater konnte es sich leisten. Denn er war Linkshänder und wusste, dass er nie die väterliche Krone würde erben können. Ein Linkshänder kann in Ghana nicht König werden, weil die linke Hand als unrein gilt. Als der Grossvater starb, befand sich Céphas Bansah eben in Süddeutschland, wo er im Rahmen eines internationalen Studentenaustauschs Landmaschinenmechaniker erlernte. Dies nach einem erfolgreichen Abschluss am Technikum in seinem Heimatland. Schon zu jener Zeit sammelte er gemeinsam mit deutschen Mitstudenten Geld und nützliche Gegenstände für Projekte in Ghana. Plötzlich erreichte ihn also der Ruf der ghanesischen Stammesältesten. Ihnen war in den Sinn gekommen, dass sich ja von einer Frau des nicht geeigneten Stammhalters des verstorbenen Königs ein Sohn in Deutschland befand. Unter der Bedingung, dass er seinen Stamm aus der Ferne würde führen können, willigte Céphas Bansah ein, die Krone zu übernehmen. Vorher aber musste er die – für westliche Länder grausam anmutende – Prüfung des in seiner Heimat traditionellen Voodoo-Kults bestehen. Mit den Worten «Schau meine Hand! Schau wie tief sie mich geschnitten haben», zeigte er seine Hand im Camp. Aber: «Wer die Prüfung bestanden hat, verfügt über viel Kraft und hat zeitlebens vor nichts mehr Angst.»

Ein königlicher Landmaschinen- und Automechaniker

König Bansah bewegt sich seither gleichmässig in beiden Kulturen, in der afrikanischen und in der westlichen. Auch sein in Deutschland lebender Sohn wird sich dereinst dem Voodoo-Kult unterziehen, um die Krone zu erben. Zuhause in Afrika ist Céphas Bansah der beliebte König, der dem Land viel bringt. Wenn er und seine Frau im Ausland weilen, schauen Familienmitglieder zu den Geschäften. Wobei zu sagen ist, dass Ghana als Demokratie geführt wird. Die Ghanesischen Könige sorgen ausschliesslich dafür, dass Ghanas viele, viele Völker mit insgesamt 70 Landessprachen (nicht Dialekten!) untereinander in Frieden leben. 

In Deutschland hält der König Vorträge, sammelt Geld für Ghana und betreibt mit Leib und Seele seine 

Auto- und Landwirtschaftsmaschinen-Werkstatt in Ludwigshafen. Schon gegen 20 Lehrlinge haben hier erfolgreich ihre Ausbildung absolviert. 

Wenn die Geschäfte in Ghana rufen, fliegen seine Frau und er an die Goldküste. «Ghana heisst die ‹Goldküste›, weil es wegen des Goldvorkommens das reichste Land der Welt ist. Aber das Gold gehört dem weissen Mann, nicht dem schwarzen», stellt er fest. 

«Der weisse Mann schreibt nicht die Wahrheit»

Er liebt seine alte Heimat, lebt aus der Ferne mit ihr. «Unsere Demokratie ist hervorragend. So gute Demokraten wie bei uns gibt es nirgends auf der Welt. In Europa könnte man viel lernen von ihnen. Aber das dringt nicht bis in den Norden. Ich sage euch knallhart: In den Zeitungen schreibt der weisse Mann nicht die Wahrheit. Er weiss nicht, wie der Afrikaner in Wirklichkeit ist.» Dazu passt denn auch die Antwort auf die Frage des einen Mädchens: «Schmerzt es Sie, wenn wir ‹Neger› sagen?». «Willst du einen Negerkuss?», fragte er schlagfertig zurück. Nein, es schmerze nicht, sagte er ganz klar. Ausser natürlich, wenn es als Schimpfwort ausgesprochen werde. «Aber sehen Sie, ich habe Mohrenköpfe gegessen, Negerküsse, und sie waren sehr gut. Dann durfte man sie nicht mehr so nennen. Ich denke, dass das, was eure Politiker diesbezüglich denken und meinen, viel Luft ist. Und übrigens: Mohrenköpfe sind innen weiss …» Mit den Worten «ich bin der ärmste König dieser Welt, aber ich bin der beliebteste und ich mache nur verrückte Sachen» schloss König Bansah das Interview. Er liess es sich nicht nehmen, anschliessend noch den Bauernbetrieb von Fritz Mathys zu besichtigen – das «5-Sterne-Hotel» mit Strohlager und Stroh-Thron, das ihm so sympathisch ist.

Ein «trinationales Regio-Lager»

Das Camp bei der Familie Fritz Mathys, veranstaltet durch Regio Lions aus dem Dreiländereck Basel–Lörrach–Elsass, hat in diesem Jahr bereits zum 20. Mal stattgefunden. Keine kleine Herausforderung für die Organisierenden, denn es muss eine Woche sein, in welcher in allen drei Länderteilen Sommerferien sind. Von Anfang an stand das Projekt unter der Leitung von Gerhard Laux, der seinerseits vor 55 Jahren zum ersten Mal mit seinen Eltern «Ferien auf dem Bauernhof» in Gondiswil verbrachte. Regio Lions veranstaltet Anlässe, deren Gewinn ausschliesslich in die Freizeitbeschäftigung für Jugendliche gesteckt wird. So können die Teilnehmenden auch gratis am Camp in Huttwil teilnehmen, vorausgesetzt, sie sind bereit, sich landwirtschaftlich zu betätigen und mit Jugendlichen aus angrenzenden Ländern zusammenzuarbeiten und zu -leben. So tönt es denn munter in mehreren Sprachen durcheinander. Sogar russisch wird von zwei Teilnehmern gesprochen. Unter anderem erledigen die Jugendlichen und ihre Betreuer morgens und abends die Stallarbeit, während sich die Frauen auf einem einfachen, grossen Gaskocher der Küche annehmen. Mehrere Jugendliche waren schon mehrmals im Camp in Huttwil. «Natürlich kann ich sie nicht alle Arbeiten ausführen lassen», sagt Fritz Mathys gegenüber dem «UE». «Die Sicherheit für sie steht an erster Stelle.» Aber es gebe immer wieder Arbeiten, die viele Hände erfordern würden. Das Bienenhaus von Grund auf reinigen, einen Hühnerstall ausbauen, Kartoffeln «angraben» und eben die Arbeit mit den Tieren … Wichtig sei, dass die Jugendlichen Einblick erhalten würden, was die Landwirtschaft tagtäglich von den Bauern fordere und was sie leiste, stellt Fritz Mathys fest. «Es ist auch eine Image-Pflege. Allzu oft haben wir Bauern den Ruf, ‹nur› den Boden zu verschmutzen. Es ist wichtig, dass Konsumentinnen und Konsumenten wissen, was hinter unseren Produkten und hinter unserer Landschaftspflege steckt und was es heisst, jeden Morgen früh aufzustehen, den ganzen Tag und mit der Natur zu arbeiten.» 

Von Liselotte Jost-Zürcher