Ein Langenthaler «Gastro-Sommertheater»
Nur ein Jahr nach Antritt verlassen die beiden jungen Gastronomen Flavia Pieren und Ramon Stutz als Geschäftsführerpaar das Restaurant Hirschenbad in Langenthal bereits wieder. Das Überraschende an diesem Abgang ist jedoch die Tatsache, dass die beiden nur wenige hundert Meter weiterziehen und in das Team des Restaurants Bären im Zentrum von Langenthal wechseln.
Die Medienmitteilung des Restaurant Hirschenbad in Langenthal war kurzgehalten und mit den nackten Tatsachen bestückt: Das Unternehmen teilte mit, dass sich das junge Geschäftsführerpaar Flavia Pieren und Ramon Stutz, das erst vor einem Jahr sein Amt im Hirschenbad antrat, bereits wieder zurückzieht und das Unternehmen im Sommer verlassen wird. Es ist nun bereits zum zweiten Mal seit der Eröffnung im Herbst 2019, dass die Leitung beim Restaurant Hirschenbad neu besetzt werden muss. Was in der Mitteilung nicht steht, der «Unter-Emmentaler» jedoch in Erfahrung bringen konnte, ist eine Geschichte, die in der Langenthaler Gastro-Szene und darüber hinaus für einige Aufregung sorgte. Denn die bei-den Jung-Gastronomen werden Lan-genthal nicht verlassen, vielmehr ziehen sie nur einige hundert Meter weiter ins Restaurant Bären.
Wechsel in den «Bären»
Bei den Verantwortlichen im Restaurant Hirschenbad zeigt man sich überrascht von den Ereignissen. «Ja, dieser Abgang hat mich überrascht, weil ich keine negativen Signale von den beiden wahrgenommen habe», kommentierte Thomas Rufener, Verwaltungsratspräsident der Hirschenbad AG. Rufener zeigt gleichzeitig aber auch ein gewisses Verständnis und erwähnte, dass die Zeit während der Corona-Pandemie und auch danach für die jungen Gastronomen äusserst anspruchsvoll und herausfordernd gewesen sei. Die sehr unterschiedlichen Auslastungszahlen, die zahlreichen kurzfristigen Ausfälle bei den Mitarbeitenden und die ständig neuen Auflagen der Ämter seien wohl mitentscheidend gewesen, dass sich Flavia Pieren und Ramon Stutz für einen Wechsel entschieden hätten.
Dass die beiden nun in den «Bären» wechseln, ist eine weitere Überraschung oder doch nicht, wenn man weiss, dass Flavia Pieren die Schwester von Michèle Binnemann ist, die zusammen mit ihrem Mann Martin Binnemann als Gesamtverantwortliche der beiden Gastro-Häuser Landgasthof Bären in Madiswil und Restaurant Bären in Langenthal amten. Ein Schelm ist, wer nun denkt, dass hier ein kleines «Gastro-Sommertheater» inszeniert wurde.
Rückkehr ins Oberland verhindert
Michèle Binnemann klärt auf und macht klar, dass die Geschichte eigentlich bereits vor anderthalb Jahren begann. Denn damals seien sie auf Thomas Rufener zugegangen und hätten ihr Interesse deponiert, neben dem «Bären» in Madiswil auch die Leitung des Restaurant Hirschenbad in Langenthal zu übernehmen. Aus verschiedenen Gründen sei dieses Engagement jedoch nicht zustande gekommen. Thomas Rufener habe sie jedoch gebeten, das «Hirschenbad» in ihrem Netzwerk zu empfehlen. So kam es letztendlich vor einem Jahr dazu, dass die Schwester von Michèle Binnemann, Flavia Pieren, und ihr Partner Ramon Stutz als Geschäftsführerpaar im «Hirschenbad» landeten.
Der Weg in den «Bären» war damit aber noch lange nicht vorgezeichnet, im Gegenteil, wie Michèle Binnemann erklärt: «Weil ich eine sehr enge Beziehung zu meiner Schwester habe, habe ich schon vor einigen Monaten gemerkt, dass bei den beiden eine gewisse Unzufriedenheit vorhanden ist», sagt sie. Als sie die beiden zur Rede stellte, erfuhr sie, dass die beiden in Erwägung zogen, ins Oberland zurückzukehren. «Ihr ehemaliger Arbeitgeber in Thun hat ihnen ein interessantes Angebot gemacht.» Für Michèle Binnemann brach eine kleine Welt zusammen. «Unsere ganze Familie, inklusive meiner Mutter, ist in den Oberaargau gezogen, damit wir möglichst nahe zusammen sind», gibt sie zu verstehen.
Sandra Guyaz bleibt «Bären»-Chefin
Am Tag, als die beiden ihr Vorstellungsgespräch in Thun hatten, habe sie bei ihrer Schwester interveniert und den beiden einen Wechsel ins Restaurant Bären in Langenthal nahegelegt. Notabene in ein Gastro-Haus, das mit Sandra Guyaz über eine langjährige und bewährte Mitarbeiterin und Führungskraft verfügt. Auch diesen «Konfliktherd» klärt Michèle Binnemann auf. «Sandra war von Anfang an in unsere Pläne involviert. An ihrer Rolle ändert sich nichts, sie bleibt die Hauptverantwortliche im Bären. Wir streben mit ihr ein langfristiges Engagement an, zumal Sandra Guyaz nun auch noch eine Gastro-Weiterbildung absolvieren wird», betont Binnemann. Sandra Guyaz hat auf Anfrage bestätigt, dass der Wechsel von Flavia Pieren und Ramon Stutz in Absprache mit allen Beteiligten erfolgt sei. «Ich war bei diesem Vorgang von Anfang an voll involviert.» Michèle Binnemann betont diesbezüglich explizit, dass Flavia Pieren und Ramon Stutz nicht als Geschäftsführer in den Bären kommen und die Leitung des Betriebs weiterhin vollumfänglich bei Sandra Guyaz liegt. Flavia Pieren wird im «Bären» neu die Rolle der Gastgeberin übernehmen, eine Aufgabe, die in letzter Zeit kaum oder nur unzureichend habe erfüllt werden können. Im Gegenzug könne sich Sandra Guyaz wieder ihrer Kernaufgabe widmen, die in erster Linie aus der konzeptionellen Entwicklung und Zukunftsplanung des «Bären» besteht, aber auch die Organisation von Anlässen sowie die Saalbewirtschaftung beinhaltet.
Personelle Engpässe entschärfen
Ramon Stutz wird als Co-Küchenchef amten und mit Filip Gutwirth für die kulinarische Ausrichtung verantwortlich sein. Mit den beiden könne man personelle Engpässe entschärfen, weist Michèle Binnemann auf die prekäre Personalsituation hin, finde man doch aktuell keine Köche und zudem werde Ende August auch der «Chef de Service» den «Bären» verlassen.
Michèle Binnemann bedauert die Entwicklung und sagt abschliessend: «Die ganze Angelegenheit ist unangenehm und bietet Raum für Spekulationen, dessen sind wir uns bewusst. Aber für uns ist wichtig, dass die Öffentlichkeit weiss, dass wir dem Hirschenbad niemanden abgeworben haben. Auch liegt es uns fern, die dortigen Verantwortlichen zu brüskieren. Mit unserem Vorgehen haben wir lediglich verhindert, dass meine Schwester und ihr Partner wieder zurück ins Oberland gehen.»
Von Walter Ryser