Ein Langenthaler ist jetzt höchster Berner
Gestern wurde im bernischen Grossen Rat der neue Präsident gewählt. Nach einem Jahr als Vizepräsident wurde diese Ehre für das aktuelle Jahr Stefan Costa zuteil. Der 53-Jährige erlebte dabei eine spezielle Situation: Aufgrund des Coronavirus ist er der erste Grossratspräsident, der nicht im eigentlichen Ratshaus gewählt wurde.
Langenthal/Bern · Seit 2015 sitzt Stefan Costa als FDP-Politiker im Grossen Rat. Schon mehrfach erwähnte er auch in Interviews mit dem «Unter-Emmentaler», dass er ein «Politiker durch und durch sei», ihm das «Seilziehen mit Meinungen» liege oder einfach gesagt, die politische Arbeit im Grossen Rat behage. Seit gestern ist der 53-jährige Langenthaler nun an einem persönlichen Karrierehöhepunkt angelagt. Am Nachmittag wurde er turnusgerecht nach einem Jahr als Vizepräsident zum Grossratspräsidenten des Kantons Bern gewählt. Stefan Costa ist damit der politisch gesehen höchste Berner. «Für mich ist das eine Ehre», sagt er und begründet: «Seit 1848 gab es jährlich nur eine Person, welche dieses Amt bekleiden durfte – also noch nicht besonders viele Menschen.» Der letzte Langenthaler, dem diese Ehre zuteil wurde, war Emil Spycher im Jahr 1934, dessen Vorgänger wiederum war Gottfried Rufener (1909), Grossvater des letzten Langenthaler Stadtpräsidenten Thomas Rufener.
Froh, dass politisiert wird
Speziell ist die Wahl für Stefan Costa aber nicht nur wegen dem Amt an sich, sondern auch der Umstände wegen. Costa wird als erster, nicht im Rathaus gewählter Grossratspräsident in die Geschichte eingehen. Wie schon der National- und Ständerat wird nämlich auch der Grossrat in diesen Tagen auf dem bernischen Bea-Gelände tagen. «Darüber kann man sich freuen oder auch nicht. Ich konnte mich damit mühelos arrangieren und bin in erster Linie froh, dass wir überhaupt tagen dürfen.» Erst kürzlich wurde zudem beschlossen, dass nicht nur Notverordnungen behandelt werden, sondern sämtliche Geschäfte. «Wenn wir von anderen Menschen in unserem Land erwarten, dass sie wie üblich arbeiten, dann sollten auch wir als Politiker unsere Arbeit verrichten», findet Costa. Diese begann gestern für die Sommersession wie gewohnt mit den Präsidiumswahlen am Nachmittag, enden wird die aktuelle Session dann am 11. Juni.
Stefan Costa wird in dieser Zeit getreu seinem neuen Amt nur als Moderator und Organisator der Sitzungen auftreten, nicht aber als Einzelsprecher und Vertreter von Fraktionen und Meinungsverbänden. Auch wird er sich bei Wahlen enthalten und einzig eingreifen, wenn präsidiale Geschäfte behandelt werden, es entweder einen Stichentscheid braucht oder eine Redezeit nicht eingehalten wird. «Das politische Seilziehen wird mir zwar etwas fehlen, für diesen Posten stelle ich das aber zugleich gerne in den Hintergrund.» Vielmehr werde er versuchen, den Kanton und nicht zuletzt auch den Oberaargau würdig in dieser Position zu vertreten. «Ich möchte dem Kanton Bern ein freundliches, liberales Gesicht zeigen.» Dabei werde er es nicht unterlassen, den Oberaargau immer wieder in den Vordergrund zu rücken. Denn, «die Menschen sollen wissen, woher ich komme. Gerne werde ich ihnen dann sagen, dass ich aus einer kleinen, feinen Ecke des Kantons komme, die viele noch gar nicht kennen, aber besser kennenlernen sollten.» Werbung für den Oberaargau zu machen, habe er sich auf die Fahne geschrieben. Auch deshalb werde er an offiziellen Anlässen einen Pin mit dem Oberaargauer Logo tragen. Weil dessen Bedeutung nicht allen bekannt ist, hofft er auf viele Nachfragen, um so den Oberaargau ins Gespräch zu bringen.
Feier am 3. September geplant
Tragen will er diesen auch bei der Grossratspräsidentenfeier, die am 3. September in Langenthal stattfinden soll. Beginnen wird diese auf dem Wuhrplatz, um 17 Uhr ist ein öffentlicher Festakt vor dem «Choufhüsi» geplant, dem die Regierung beiwohnen wird. «Ich freue mich sehr auf dieses Jahr und dieses Amt», führt Costa weiter aus, ist es doch für ihn ein Höhepunkt seiner Karriere. Nach rund 12 Jahren als Mitarbeiter der Bundesräte Samuel Schmid und Eveline Widmer-Schlumpf mit Einblick in das nationale politische Leben, hegt er auf dieser Bühne nur noch wenig Ambitionen. «Ich werde in zwei Jahren erneut für den Grossen Rat kandidieren, weil mir die Arbeit sehr gefällt. Abgesehen davon, ist diese Wahl zweifellos ein Höhepunkt.» Auch auf das Fest freue er sich bereits jetzt, ein Besuch der Ehrenformation sei geplant, ebenso werde Musik gespielt und ein feierliches Ambiente geboten. «Ich hoffe auf zahlreiche Gäste», betont der derzeit höchste Berner mit Vorfreude.
Von Leroy Ryser