Ein Leben für den Regionalsport
Oberflächlich kann man Stefan Leuenberger einfach beschreiben, denn das Leben des 46-Jährigen besteht aus seinem Beruf als Sportredaktor beim «Unter-Emmentaler», seiner Liebe zum Sport und seinen beiden Töchtern Amira und Soraya. Aber: Erst wer den Sportverrückten wirklich kennt, weiss, wieso «Stifu» eben «Stifu» ist.
Huttwil · Stefan Leuenberger verlor sich noch nie in der Welt der Zahlen. Weder in der Schule, noch in seiner späteren KV-Lehre. «Während Buchhaltung unterrichtet wurde, habe ich unter dem Pult Berichte geschrieben», erinnert sich der heute 46-Jährige. Seine Leidenschaft seien schon immer die Buchstaben gewesen. «Die Abschlussnote im Rechnungswesen war eine 2,5. Aber irgendwie war mir das egal», doppelt er mit einem Schmunzler nach. Schon damals habe er gewusst: Irgendwann wird er das Schreiben zum Beruf machen. Und so kam es dann auch schon reichlich früh.
Die erste Gotthard-Zeitungsseite
Im Alter von 16 Jahren, also im Jahr 1990, hat «Stifu» beim «Unter-Emmentaler» als freischaffender Berichte-schreiber begonnen. Sport und Musik seien seine Themen gewesen, noch heute zeigt sich der grosse Bon Jovi-Fan stolz, dass er der erste war, der über die Rockband Gotthard einen ganzseitigen Zeitungsartikel verfasst hat. «Irgendwann haben die Bandmitglieder mir diese Seite noch signiert. Beim Schlagzeuger wie auch bei mir war diese Zeitungsseite lange eingerahmt und aufgehängt.» Es waren schon in diesen jungen Jahren viele Seiten, welche der Huttwiler in dieser Zeitung füllte. Letztlich war es auch dieses frühe Engagement, welches ihm die Türen zu seiner Leidenschaft weit aufsperrte. «Nach der RS, im Jahr 1995, erhielt ich von Hansruedi Ingold, Jürg Rettenmund und Andreas Meyer die Möglichkeit, als Festangestellter den Sport dieser Zeitung zu betreuen. Sie sagten mir: «Leb dich aus – mach etwas aus dem Sport.» «Dafür bin ich ihnen noch heute dankbar.» Stefan Leuenberger hat dieses Vertrauen mit Leistung quittiert. In den ersten Tagen seiner Anstellung fuhr er mit dem Puch-Töffli seines Bruders sämtliche Poststellen der Region ab und fragte nach den Vereinsadressen aller Sportvereine der «UE»-Region. «Eine digitale Datenbank gab es damals noch nicht», erinnert er sich zurück. All diese herausgesuchten Vereinskontakte hat er in der Folge jährlich angeschrieben und um die Veranstaltungskalender gebeten, damit er wusste, wann er über welche Anlässe zu berichten hatte. «Man konnte nicht wie heute einfach alle Infos aus dem Internet holen.» Bald baute er sich ausserdem ein Netzwerk von freien Korrespondenten auf, die aus den Vereinen heraus Matchberichte und Anlasstexte lieferten. Leuenberger zeigte ihnen, wie sie die Berichte inklusive Telegramm (damals noch auf Papier) verfassen mussten und überarbeitete diese in der Folge für die Zeitung. Bis im Jahr 1999 musste er die Beiträge für die Zeitung sogar noch nach der alten Produktionsweise «zusammenkleben». «Innert weniger Wochen hatte der «UE» plötzlich in jeder Ausgabe drei Seiten Sport», während vor seiner Zeit der Sport zumeist in einer kleinen übrig gebliebenen Ecke stattfand. Bis heute kann Leuenberger sein Versprechen, dass jeder Sporttreibende der Region – egal in welcher Sportart – im «UE» einen Platz findet und Respekt für seine sportliche Leistung erntet, halten. Und nicht zuletzt darauf sind viele Sportler ausserhalb der «UE»-Region bis heute, trotz digitalem Zeitalter, ein wenig eifersüchtig.
Beruf und Hobby verknüpft
Seit mittlerweile 25 Jahren ist Stefan Leuenberger nun fest angestellt, seit 30 Jahren wirbelt er für den «UE». Mit Werner Schürch gibt es zwar noch einen Redaktor, der diese Zeit mit 53 Anstellungsjahren (1915 bis 1968)toppt, Leuenberger ist aber längst vor anderen bekannten «UE»-Gesichtern auf Platz zwei – und darauf ist er stolz. «Ich habe mehrere Layout-Wechsel miterlebt und könnte über unzählige Anekdoten, tolle Geschichten und Menschen aus meiner Zeitungszeit berichten», sagt er. Wichtiger ist ihm aber: «Für mich war es immer so, als könnte ich mein Hobby und meinen Beruf verbinden. Deshalb hatte ich immer Freude an meiner Arbeit.» Denn eines ist klar: Der Huttwiler schreibt nicht nur über den Regionalsport, er kennt ihn als engagierter Aktivsportler in verschiedensten Sportarten. In Sportlerkreisen ist Leuenberger unter dem Namen «Papa» bekannt.
Zwei Jahre für die Geräteriege
Leuenbergers Fakten als Sportler sind nicht weniger beeindruckend, ein paar seien hier aufgelistet: Stefan Leuenberger hat selbst über 1500 Wettkämpfe bestritten, bisher 26 Turnfeste gewonnen, wirkt seit 30 Jahren als Leiter im Turnverein und widmete dort – das wurde einst ausgerechnet – zwei Jahre seines Lebens alleine dem mittlerweile abgelegten Hauptleiterposten in der Geräteriege. Weiter amtet er seit Jahren im Straub Sport-Cup – die Unihockeymeisterschaft der Turnvereine – als OK-Chef, ist zudem Teamcaptain der Equipe TV Huttwil «on fire», in welcher er das Unihockey seit Jahren aktiv ausübt. Daneben half er in unzähligen Organisationskomitees mit, so auch bei der Tour de Suisse in Huttwil im Jahr 1998. Zurecht erhielt er vor vier Jahren vom Club 88 für seine unzähligen unentgeltlichen (!) Engagements den Preis als Förderer des Lokalsports verliehen. Diese begründet er selbst ganz einfach mit dem Wort «Herzblut», quasi der unbegrenzten Leidenschaft für den Regionalsport.
Dass er wegen seinen Engagements und auch seinem Lebensstil – «seit jeher frei von Alkohol, Nikotin und Kaffee» – hin und wieder als Spinner bezeichnet wird, weiss Stefan Leuenberger. Darauf angesprochen meint er ganz offen: «Es gab diverse Schicksalsschläge, die mich prägten. Als ich fünf Jahre alt war, hatte mein Vater einen schweren Autounfall, der später zur Trennung von meiner Mutter führte. Sie wurde alkoholabhängig, weshalb ich sie als Teenager bis zu ihrem Freitod über mehrere Jahre hinweg intensiv pflegen musste. Und: In meiner Ehe, die mittlerweile ebenfalls geschieden ist, verloren wir unser erstes Kind durch eine Fehlgeburt.» All dies habe ihn zum Kämpfer werden lassen, der sich nicht so schnell unterkriegen lässt. «Für mich war immer schon klar, dass ich nie aufgebe, egal in welcher Situation. Wenn andere Sportler nicht mehr können, gebe ich noch einmal zehn Prozent mehr, weil ich – aufgrund meiner Vergangenheit – genau diesen Willen habe.» Auch deshalb könne er Alkohol gar nicht erst riechen, auch deshalb sei er ganz allgemein der «Stifu» geworden, welcher er nun ist. «Sport verschafft mir Befreiung», sagt er weiter, dennoch treibe er nicht etwa «Wutsport». Entspannung erfahre er ganz einfach am besten auf polysportliche Weise.
Die Nummer 1: Seine Töchter
Daneben hat das Leben dem Sportverrückten aber nicht nur Steine in den Weg gelegt, so wurde er schliesslich auch mit zwei Töchtern gesegnet, von denen er immer wieder gerne schwärmt. «Früher hatte der Sport für mich die allererste Priorität. Heute sind sie für mich mein Alles», sagt Stefan Leuenberger. Er sei glücklich darüber, dass er trotz der Scheidung mit seiner Frau viel Zeit mit Amira und Soraya verbringen darf und ein wundervolles Verhältnis zu ihnen pflegen kann. Es ist deshalb nur logisch, dass Stefan Leuenberger denkt, dass auch künftig sein Leben aus den gleichen Eckpfeilern bestehen wird. «Ich fühle mich so fit wie ein 20-Jähriger. Diese Fitness hilft mir in allen Lebensbereichen. Sie ist wie ein zweiter Atem. Durch meine sportliche Vielseitigkeit blieb ich seit jeher von schlimmen Verletzungen verschont», sagt er und kündet an, auch im hohen Alter weiterhin Sport zu treiben, «sofern die Gesundheit mitspielt.» «Vielleicht bin ich dann nicht mehr so schnell», sagt er lachend. Vorerst wolle er weitere Erfolge anpeilen. Denn aufgeben kommt für den ehrgeizigen Kämpfer, dessen Lieblingstier passenderweise ein Löwe ist, nicht in Frage.
Von Leroy Ryser