• Im Schultheissenbad serviert Betriebsleiterin Juliane Milz ohne Bedenken. Zugleich versucht sie aber, das Schutzkonzept so gut es geht einzuhalten. · Bild: Leroy Ryser

  • m linken Gebäude hat der «Platzhirsch» bereits wieder geöffnet. Das «La Piazzetta» hat aber vorerst noch geschlossen. · Bild: Leroy Ryser

  • Rolf Jordi hätte kein Problem mit einer späteren Öffnung der Beizen gehabt. · Bild: Leroy Ryser

14.05.2020
Langenthal

Ein paar Beizen bleiben noch im Corona-Schlaf

Am vergangenen Montag haben in der Region verschiedene Beizen ihre Türen geöffnet und die Corona-Auszeit beendet, andere hingegen konnten diesen Schritt wegen den geltenden Massnahmen noch nicht tätigen. Sowieso beurteilen die «Beizer» die derzeitige Lage unterschiedlich.

Huttwil · Mittwochmittag um 12.14 Uhr im «Schultheissenbad» in Huttwil: Sechs Personen sitzen verteilt an drei Tischen in der Gaststube, weitere zwei Personen sitzen im Saal. Im Laufe des Mittags werden weitere Personen die Gaststätte betreten und essen. Die Stimmung ist heiter, Gespräche hallen umher, alles scheint völlig normal.
Ein Unterschied gibt es aber dennoch: In der Gaststube wurde ein Tisch entfernt und die übrigen etwas umplatziert, im Saal sogar deren drei, insgesamt fehlen etwa 20 Plätze. Für den Moment sei dies verschmerzbar, sagt Juliane Milz. Sie ist Betriebsleiterin vom «Schultheissenbad» und hofft trotzdem, dass bald wieder die vorher bekannte Normalität eintritt. Dass sie am Montag öffnen durfte, habe sie aber dennoch gefreut.

«La Piazzetta» noch geschlossen
Derweil kaum eine realistische Chance für eine Wiedereröffnung unter den Vorschriften des Schutzkonzeptes hat die kultige Langenthaler Kleinbeiz «La Piazzetta». Ihre Betreiber Rita Sohm und Marcel «Masi» Marti haben deshalb auch wenig überraschend darauf verzichtet, ihre Gaststätte zu öffnen. «Im Normalfall stapeln wir unsere Kunden beinahe, um allen eine Möglichkeit bieten zu können, bei uns zu essen. Das ist fast schon ein Markenzeichen von uns geworden», sagt Rita Sohm mit einem Lachen. In der aktuellen Situation sei dies aber verständlicherweise nicht möglich.
Ausserdem sei es sehr schwierig, in ihren kleinen Räumlichkeiten die vorgeschriebene Distanz zwischen den Tischen einzuhalten. Bei Abmessungen mit dem Zwei-Meter-Stock hätten sie sich denn auch gegenseitig blaue Flecken zugefügt, scherzen die beiden Betreiber auf ihren Facebook-Kanälen. «Wir haben sehr viel Post erhalten, von Kunden, die sich auf unsere Pizzas oder die Tomatensuppe freuen. Aber wir können das Schutzkonzept gegenüber unseren Gästen schlichtweg nicht einhalten.» Letztlich seien sie auch ein Zwei-Personen-Betrieb, der rasch an Grenzen stösst. «Masi kocht, ich serviere – und wer desinfiziert dann die Toiletten? Nur schon hier stehen wir an», erklärt Rita Sohm weiter. Immerhin seien die Reaktionen positiv ausgefallen, die Kunden zeigten Verständnis, dass vorerst eine Wiedereröffnung unrealistisch erscheint, oft erhielten sie sogar aufbauende Botschaften von ihrer Stammkundschaft.

Erste Reservierung? Sechs Personen
Die Entscheidung fiel den beiden aber nicht leicht, viele Gäste hätten denn auch schon vorreserviert, in der Hoffnung, sie dürften bald wieder bei «Rita und Masi» essen gehen. «Bei der ersten Anfrage wurde gleich für sechs Personen reserviert. Da dachten wir noch, das fängt ja lustig an.» Bald hätten sie sich eingestehen müssen, dass sie Gäste ablehnen müssten. Doch wer darf, und wer nicht? «Für uns sind das sehr schlimme Vorstellungen. Normalerweise sind wir sehr unkompliziert.»
Einfach sei die Situation aber auch aus finanziellen Gründen derzeit nicht, verrät Rita Sohm. «Seit der Fasnacht sind wir nun zu Hause geblieben. Wir haben alle Rechnungen bezahlt, die wir zahlen konnten – die Mai-Miete macht uns aber Bauchschmerzen.» So wie alle anderen Betroffenen von der Corona-Krise wollen sie aber den Mut nicht verlieren und Tag um Tag nehmen. So wie das alle tun müssen zurzeit». Dazu gehören beispielsweise auch die «Gelateria Riva» oder das «Bistro», die ebenso wie das «La Piazzetta» auf eine Wiedereröffnung verzichten und auf weitere Lockerungen im Juni hoffen.

«Platzhirsch»: Vorteil Gartenterrasse
Bereits geöffnet haben derweil die «bar55» oder der «Platzhirsch». Für Daniel Peyer, Inhaber der Pächterfirma des «Platzhirsches», war dies aus wirtschaftlichen Gründen ein unumgänglicher Schritt. «Für uns geht es ums Überleben. Zwei Monate sind sehr lang.» Entsprechend habe man sich eingehend auf eine Wiedereröffnung vorbereitet und beispielsweise Plexiglas-Wände in den Innenräumen installiert, damit genügend Gäste Platz finden. «Ein grosser Vorteil ist sicherlich auch die Gartenterrasse, obwohl dort durch die Distanzregeln mehrere Plätze wegfallen.» Entsprechend hoffe man beim «Platzhirsch» auf schönes Wetter und nahende, weitere Lockerungen. «Auch wir wären froh, wenn wir die Kunden bald wieder ‹normal› bedienen könnten. Aber die Menschen wollen wieder nach draussen und ein Restaurant besuchen. Und wir bieten gerne Hand, so gut es geht.» Die Erlaubnis, wieder zu öffnen, habe man deshalb gerne angenommen.

Pöstli: Folgen noch nicht absehbar
Geöffnet hat auch das Restaurant Pöstli in Huttwil, obwohl Wirt Rolf Jordi die Massnahmen noch nicht gelockert hätte. «Ich hätte lieber noch etwas länger zugewartet. Das hat aber auch ein bisschen mit der Baustelle zu tun», gibt er zu. Die Massnahmen und die Baustelle könnten beide zugleich negative Folgen haben, was die Situation erschweren könnte. «Nach wenigen Tagen ist es schwierig, abzuschätzen, wie die Situation für uns aussieht. Die ersten paar Tage waren gut besucht, genaue Einschätzungen zu machen ist aber noch nicht möglich.» Weil die Massnahmen umsetzbar seien – Jordi hat im «Pöstli» diverse Plexiglas-Scheiben montiert – habe er dennoch öffnen wollen. «Natürlich ist nicht nur Ärger sondern auch Freude dabei, dass ich wieder öffnen darf. Ich, für meinen Betrieb, hätte aber kein Problem damit gehabt, wenn wir bis zum 8. Juni nicht hätten öffnen dürfen.» Den Vorgaben habe er sich aber angepasst und entsprechend für seine Kunden geöffnet, die sich bereits freuten, dass sie das «Pöstli» wieder besuchen dürfen. «Manchmal muss ich sie darauf hinweisen, dass wir jetzt eine Sitzpflicht haben. Ausserdem haben wir etwas weniger Plätze. Aber sonst waren die Vorgaben soweit gut umsetzbar.» Wenn neue Vorschriften folgen, werde er sich genauso anpassen, wie er es zuletzt getan hat. «Das geht allen gleich», sagt Rolf Jordi.

Unterschiedliche Vorgehensweisen
Wie die «Beizen» mit der aktuellen Situation umgehen, ist aber unterschiedlich. Während der Bären in Langenthal mit den freigewordenen Plätzen fast schon an eine Kleinturnhalle mahnt, wird im «Kreuz» in Sumiswald beispielsweise eine Fass-Strasse angeboten, bedient wird hingegen aus hygienischen Gründen nicht. Derweil profitiert beispielsweise das «Hirsernbad» in Ursenbach, dass es gleich mehrere kleine Säle hat und so die Gäste mühelos getrennt unterbringen kann. Auch gibt es einzelne Kaffeestuben oder Bars, die sich noch etwas Zeit lassen. Die Huttwiler Kaffeebar «Pura» öffnet erst am heutigen 15. Mai, die Langenthaler Energy Bar sogar erst am kommenden Montag.

«Schultheissenbad»: Keine Bedenken
Zurück im Huttwiler «Schultheissenbad»: Serviert wird nach einer Spargelcremesuppe ein Teller mit Gemüse, Pommes frites und einem Fleisch-Spiess. Auch hier scheint nichts anders zu sein als vor dem Ausbruch der Pandemie, höchstens noch, dass man als Besucher nach dem Namen und der Telefonnummer gefragt wird, um diese im Falle einer Virusverbreitung zu erfassen. «Das ist freiwillig, aber die meisten machen mit. Für ein paar wenige ging diese Frage zu weit.» Ein Gast lacht derweil und sagt: «Für mich ist das kein Problem. Ich habe meine Geschäftsnummer angegeben.»
Auf Handschuhe und Mundschutz hat Juliane Milz hingegen verzichtet. «Wir alle haben unser eigenes Desinfektionsmittel griffbereit und desinfizieren die Tische und die Hände regelmäs-sig», sagt sie. Sie gebe sich Mühe, die Vorgaben einzuhalten, während sie am Servieren sei, bereite dies aber auch Mühe. «Gesundheitliche Bedenken haben ich und meine Mitarbeiter keine», sagt die Betriebsleiterin weiter, auch die Gäste hätten bisher aufgeschlossen reagiert. Eine Mitarbeiterin werde vorerst noch nicht eingesetzt, weil sie zur Risikogruppe zählt, zudem wurden Öffnungszeiten gestrafft, um Personalkosten zu sparen. «Der Neustart ist gut angelaufen. Und der Dienstag war gut – wie schon vor der Krise.» Ob die Vorschriften das Restaurant dennoch in der Existenz bedrohen, sei noch schwer zu beurteilen. Das könne man erst Wochen später feststellen, Zuversicht sei vorhanden. Ausserdem hätten sich die Gäste darauf gefreut, wieder «auswärts» essen zu dürfen, so die Reaktionen.

Von Leroy Ryser