Ein Pfarrer mit Kopf, Herz und Hand
Nach zehn Jahren geht der Huttwiler Pfarrer Peter Käser Ende Februar mit 63 Jahren frühzeitig in Pension. Das Wertvollste war ihm in dieser Zeit die Begegnungen mit den Menschen. Sein letztes Berufsjahr wurde stark durch das Corona-Virus geprägt und er musste seine Pfarrtätigkeit in mancherlei Hinsicht neu überdenken. Nun freut er sich, mehr Zeit für die Familie und seine Kunst zu haben. Noch offen ist, wie der Abschiedsgottesdienst am 21. Februar stattfinden soll.
«Das Wertvollste in meinem Beruf sind die Begegnungen mit den Menschen auf Augenhöhe», erzählt Pfarrer Peter Käser. Er sitzt in seinem Büro in der obersten Etage des Kirchgemeindehauses. Auf dem Tisch flackert eine weisse quadratische Kerze. Der Raum ist in einem dunklen Gelb gehalten, das Fenster ermöglicht einen Blick in den nebelverhangenen Himmel. Peter Käser spricht langsam und überlegt. «Ich bin kein Mann der schnellen Worte», sagt er. 2011 kam er als Pfarrer nach Huttwil, Ende Februar geht er nach zehn Jahren und zwei Monaten frühzeitig in Pension. Dazu bewogen hat ihn nicht etwa der weite Arbeitsweg – Peter Käser wohnt seit vier Jahren in Heiligenschwendi oberhalb des Thunersees –, sondern der Wunsch, mehr Zeit für seine Familie und die Arbeit im Atelier zu haben. Seit über zehn Jahren stellt Peter Käser aus Recycling-Werkstoffen Bilder her.
«Die Veränderung passt in meine Biografie», gibt der 63-Jährige zu. Schaut man seinen bisherigen Werdegang an, passt die frühzeitige Pensionierung wirklich sehr gut zu seinem Lebenslauf. Sein Leben war geprägt von Entscheidungs- und Veränderungsphasen. Aufgewachsen ist Peter Käser in Wasen. Nach der Schule lernte er den Beruf des Landschaftsgärtners, absolvierte die Rekrutenschule und nahm danach in einem zweiten Ausbildungsweg eine Lehre als Maurer in Angriff.
Doch die handwerkliche Tätigkeit konnte ihn nicht vollends erfüllen. «Mir fehlte die intellektuelle Seite», gesteht Peter Käser, der sich selbst als Generalist bezeichnet. «Kopf, Herz und Hand. Das zu kombinieren war mir wichtig.» Er begann zu grübeln, welchen neuen Weg er einschlagen könnte. Auf dem Beruf weiterarbeiten oder vielleicht bei einem Entwick-
lungsprojekt im Ausland mithelfen? Er wusste es nicht. Als seine Frau Sabine ihn fragte, was er denn am liebsten machen würde, antwortete er spontan: «Wenn ich das Gymnasium besucht hätte, würde ich wahrscheinlich Theologie studieren.» Die Antwort seiner Frau fiel daraufhin schlicht aus: «Dann mach doch das», motivierte sie ihn. Dies war der Impuls, den Peter Käser für seine Entscheidung brauchte. Mit 28 Jahren holte er an der Kirchlich-Theologischen Schule in Bern die Matura nach und begann zwei Jahre später das Theologiestudium an der Uni Bern.
«In dieser Zeit musste die Familie den Gürtel ziemlich eng schnallen», erinnert sich der dreifache Familienvater. Das Vikariat (praktische Ausbildungszeit) absolvierte er in Heimiswil. Seine erste Pfarrstelle brachte ihn 1997 ins Berner Oberland nach Heimen-schwand. Es folgte eine weitere Entscheidungs- und Veränderungsphase im Jahr 2008, als er einen sechsmonatigen Studienurlaub in Anspruch nahm. Er und seine Frau entschieden sich danach, das Pfarramt noch einmal zu wechseln. Doch bis es soweit war, vergingen noch weitere zwei Jahre. Am ersten Januar 2011 trat Peter Käser seine Pfarrstelle in Huttwil an.
Dankbar für das Vertrauen
Der Schwerpunkt seiner Pfarrtätigkeit lag von Anfang an in der Senioren- und Heimarbeit sowie in der Kultur und Erwachsenenbildung. Zu Letzterem gehörte unter anderem das Pilgern. Ein Projekt, das Peter Käser über zehn Jahre verfolgte. Zusammen mit einer wechselnden Gruppe von rund 15 Personen bewanderte er den Jakobsweg in zehn Etappen, jedes Jahr eine andere Strecke. Gestartet wurde vor zehn Jahren in Willisau, dieses Jahr endete der Pilgerweg in Moudon. Besondere Projekte wie die Wanderausstellung «Ein Koffer für die letzte Reise» oder den «Gottesdienst am Arbeitsort» half er mitgestalten. Doch am wichtigsten waren ihm die Begegnungen mit den Menschen. «In den vergangenen zehn Jahren hatte ich über 200 Beerdigungen, das sind mindestens 200 ganz unterschiedliche Lebensgeschichten, an denen ich Anteil nehmen durfte», erzählt Peter Käser und ist dankbar für das ihm entgegengebrachte Vertrauen und die Offenheit der Menschen. Es sei der Lebenskreis von der Taufe über Konfirmation, Hochzeit bis hin zur Beerdigung, welcher den Beruf des Pfarrers spannend mache.
Gerne feierte er auch Gottesdienste und Abdankungen. Dabei war der Schlusssegen für ihn immer ein ganz dichter und heiliger Moment. «Ob Menschen religiös sind oder nicht, die Worte und die Geste des Segens verstehen alle und alle hungern irgendwie nach solchen Zeichen.» Für Peter Käser ist der Segen eine der Schönheiten des christlichen Glaubens. Denn etwas einfach schön zu finden, könne manchmal mehr sein, als etwas nur für wahr zu halten, ist der Huttwiler Pfarrer überzeugt.
Grosse Veränderungen
In den vergangenen zehn Jahren habe sich einiges bei der Reformierten Kirche verändert, weiss Peter Käser. So kam es zum Beispiel mit dem neuen Landeskirchengesetz zu einer Entflechtung zwischen dem Staat und der Pfarrschaft. Die Folge waren Stellenkürzungen. Die einzelnen Kirchgemeinden im Kantonsgebiet mussten ihre Aufgaben den neuen Vorgaben anpassen. Eine weitere grosse Veränderung brachte im letzten Jahr das Coronavirus mit sich.
«Plötzlich war alles anders, ich musste meinen Pfarrberuf noch einmal neu erfinden», sagt er lachend. Gottesdienste durften in der Kirche eine Zeit lang nicht mehr stattfinden und die Verantwortlichen der Kirchgemeinde mussten sich neu orientieren. Peter Käser telefonierte mit unzähligen Gemeindemitgliedern, um Kontakte aufrecht zu erhalten. Er hielt Gottesdienste im Altersheim, indem er draussen, getrennt durch eine Glasscheibe, predigte, während ihm die Bewohner dank der modernen Technik von innen zuhören konnten.
«Das Bedürfnis, zusammenzukommen und zusammen zu feiern, war klar vorhanden», weiss Peter Käser. Gross waren auch die positiven Rückmeldungen der Bevölkerung über die kirchlichen Briefe, welche in der zweiten Corona-Welle als November- und Dezemberpost verschickt wurden. Doch sein letztes Jahr vor der Pension hatte sich Peter Käser definitiv anders vorgestellt. Auch die Durchführung des Abschiedsgottesdienstes ist noch offen. Wie und ob dieser Gottesdienst am 21. Februar durchgeführt werden kann, ist durch die strengen Corona-Massnahmen alles andere als klar. «Im schlimmsten Fall müsste der Gottesdienst digital durchgeführt werden, damit möglichst viele Huttwilerinnen und Huttwiler wenigstens auf diese Weise Abschied nehmen könnten», stellt Peter Käser nachdenklich in Aussicht.
Mehr Zeit für Familie und Atelier
Wie auch immer der Abschied von Peter Käser als Pfarrer sein wird, auf jeden Fall kann er auf eine intensive und sehr schöne Zeit in Huttwil mit vielen interessanten Begegnungen zurückblicken und sich gleichzeitig auf mehr Zeit für seine vielseitigen Interessen nach der Pensionierung freuen.
«Am meisten freue ich mich, wieder mehr ‹Privatperson› sein zu dürfen und auf die Zeit mit meinen Enkelkindern», strahlt der vierfache Grossvater. Doch auch seiner handwerklichen Kunst, dem «UpcyclingArt» kann er sich wieder vermehrt widmen. Grössere Projekte hat er hingegen keine. Die neu gewonnene Zeit möchte er lieber neben der Familie mit Wandern, Lesen, Biken und im Winter auch mit Langlaufen verbringen.
Von Marion Heiniger