Ein Sandlaufkäfer sprintet wie Usain Bolt
Der passionierte Krabbeltierfilmer- und Fotograf Bähram Alagheband bezeichnet sich selbst als «Insektennerd». Sorgfältig beobachtet und studiert der 44-Jährige die Lebens- und Verhaltensweisen der Insekten, um sie mit seiner Kamera festzuhalten. Der langjährige Journalist war unter anderem vier Jahre Stadtredaktor in Langenthal. Später wechselte er zum Radio beziehungsweise zum Fernsehen. Mit seiner Frau wohnt er in Solothurns Altstadt. Sein Tätigkeitsgebiet hat sich kontinuierlich vom Oberaargau in die Region Solothurn bis in den Aargau erweitert. Wer regelmässig Schweizer Fernsehen SRF schaut, kennt ihn als Reporter. Er berichtet für Schweiz aktuell, Tagesschau und 10 vor 10.
Langenthal · «Während andere Kinder Briefmarken sammelten, brachte ich tote Insekten nach Hause und sprang mit der Minolta-Kamera meiner Mutter ums Haus herum», erzählt Bähram Alagheband. Zusammen mit seinen Eltern hat er die Tiere bestimmt und sogar präpariert, damit sie aussahen wie im Museum. Aufgewachsen in Konolfingen sei er zwar kein «Unter-Emmentaler», aber immerhin ein Emmentaler.
«Bilder waren mir immer sehr wichtig. Schon während meiner Tätigkeit als junger Redaktor beim Langenthaler Tagblatt Anfang 2000 bin ich abends oft in die Wässermatten, um Vögel zu fotografieren», erinnert sich Bähram Alagheband. In dieser Zeit absolvierte er ein Praktikum als Fotograf und hat inzwischen mit der Fotografie einen zusätzlichen Boost entwickelt.
«Usain Bolt» im Emmental
«Nach wie vor gibt es auch im Mittelland oder im Gebiet des ‹Unter-Emmentalers› zahlreiche Insekten zu entdecken», meint Bähram Alagheband in behäbigem Berndeutsch. Aktuell eines seiner Lieblingsinsekten ist der coole Sandlaufkäfer, den er augenzwinkernd mit Usain Bolt vergleicht, dem ehemaligen jamaikanischen Sprinter und achtfachen Olympiasieger. Der Sandlaufkäfer rennt im Verhältnis zu seiner Körpergrösse bis zu 800 Kilometer pro Stunde, wenn er ein Mensch wäre. Dort, wo es kein künstliches Licht hat, findet man auch Glühwürmchen und Goldwespen schimmern in allen Farben. Bähram Alagheband nimmt sie gerne als Beispiel, um aufzuzeigen, wie bunt die Insektenwelt sein kann. Man findet diese überall, wo genügend Blüten als Nahrung vorhanden sind und wo es Nester von Wildbienen hat.
Auf Insektenpirsch
Eine seiner Lieblingswiesen, um Insekten zu beobachten, liegt in Asp bei Densbüren im Aargauer Fricktal. Dort darf ihn die Autorin auf der Pirsch begleiten und wird augenblicklich angesteckt von der Begeisterung des Insektenkenners. Auf einmal schenkt man den kleinsten Tierchen Beachtung. Zwischen Rebberg und offenem Waldrand findet man Magerwiesen mit seltenen Pflanzen, darunter Orchideen wie die Spitzorchis oder Rotes Waldvöglein. Ein wenig erinnert die Landschaft an Bilder von Vincent van Gogh oder Claude Monet.
Auf einem schmalen Pfad in der Magerwiese geht Bähram Alagheband voraus und freut sich über den Artenreichtum. Vorsichtig achten wir darauf, den Weg im Naturschutzgebiet Hinterrebe nicht zu verlassen. Der leicht bedeckte Himmel am frühen Nachmittag ist ideal, um die Insekten zu beobachten. Einige sind noch am Schlafen, während sich andere bereitmachen zum Ausflug und ihre Flügelchen zum Trocknen ausstrecken. Wie die schwarz-gelb gestreifte Schwebfliege, die mit ihrer Tarnung vortäuscht, sie könne allfällige Angreifer stechen. Erfreut entdecken wir einen tagaktiven Nachtfalter. «Umgangssprachlich wird das Widderchen
auch Blutströpfchen genannt. Seine schwarzrote Färbung ist ein Warnsignal, denn wie der Falter sind auch die Raupen hübsch anzusehen, aber giftig», erklärt Bähram Alagheband.
«Hier habe ich eine Singzikade gefunden. Von zehn Arten in der Schweiz sind acht auf der Roten Liste und gefährdet. Solche seltenen Funde sind einfach ein Glück für mich und zeigen mir, dass ich nicht in den Dschungel muss, um tolle Insekten zu sehen», bekräftigt Bähram Alagheband. Früher reiste der Tierfotograf- und Filmer mehrmals in ferne Dschungel, unter anderem durch die Regenwälder in Lateinamerika und unterstützt in Peru eine Forschungsstation. Heute sucht er Insekten häufiger in der Schweiz.
Veränderungen in der Insektenwelt
Zurzeit absolviert er eine Ausbildung als Naturpädagoge (CAS). Sein immenses Wissen hat er sich über die Jahre hinweg im Rahmen seiner Tätigkeit als Tierfilmer, im Austausch mit Expertinnen und Experten sowie durch Weiterbildungen angeeignet. Dabei hat er festgestellt, dass sich das Verhalten der Insekten verändert hat. Beim Erforschen der Krabbeltiere ist ihm beispielsweise aufgefallen, dass manche Arten häufiger sind, weil sie gerne in der Wärme leben. Andere Insektenarten wie der Ölkäfer sind zudem früher im Jahr anzutreffen als gewohnt. Oder man sieht praktisch nur eine Art Rosenkäfer, nämlich den Goldglänzenden, obwohl es davon 20 Arten gibt; davon sind zirka 10 gefährdet und stehen auf der Roten Liste. «Was denkst du, welches Insekt kann das sein?», wird die Journalistin getestet, die auf eine Wanze tippt. «Nein, schau die langen Fühlerli, das ist ein Scheinbockkäfer und auf dem Blatt gleich daneben sitzt eine winzige, bunt glänzende Motte», erläutert Bähram Alagheband.
Fotograf mit Leidenschaft
Er nimmt seine Kamera aus dem Rucksack, als es sich eine gelb gestreifte Furchenbiene auf seinem Arm gemütlich macht, wo sie im Schweiss Salz und Mineralien findet. Diese Wildbienen bevorzugen vor allem Flockenblumen und Disteln, die auf Halbmagerrasen vorkommen. Ihre Nester errichten sie auf Ruderalflächen. «Wichtig ist mir, dass ich die Situation nicht beeinflusse. Weder berühre ich die Tiere, noch bringe ich sie in eine fotogene Position. Ich bin bereit, geduldig zu warten, um den richtigen Moment zu erhalten. Die besten Bilder entstehen aus der Situation heraus und sind nicht gestellt. Deshalb spüre ich jeweils intuitiv, das wird ein Hammerbild», betont der Insektenfotograf, als sich ein Bläuling auf eine gelbe Blume setzt und die zarten Flügel in der Sonne wärmt. Es sind exakt jene aufregenden Augenblicke, die Bähram Alagheband glücklich machen.
Von Brigitte Meier