Ein Spital bietet dem Kanton erfolgreich die Stirn
Meilenstein beim 111-Millionen-Projekt «Erneuerung des Spitals Burgdorf»: Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit ist das neue Bettenhaus bezugsbereit. Dieses Wochenende wird es der Öffentlichkeit präsentiert. Die Verantwortlichen rechnen mit 10 000 Besuchern. Das Spital Emmental hat seine Ausrichtung auf die Zukunft eigenfinanziert.
sBurgdorf · Als einziges Berner Spital ging das Spital Emmental leer aus, als 2011 der Spitalinvestitionsfonds vom Kanton aufgelöst und die Gelder verteilt wurden. Rund 47 Millionen Franken hätten den seit Jahren fälligen, dringend notwendigen Um- und Ausbau finanzieren helfen sollen. Daraus wurde nichts; das Ansinnen des Emmentals verhallte in Bern ungehört, obwohl hier bloss ein Drittel der Akutbetten pro tausend Kantonseinwohner zur Verfügung stehen als beispielsweise in der Stadt Bern. Und obwohl seit 1982 ausser dem Bürotrakt in Burgdorf keine baulichen Neuerungen in den beiden Spitalstandorten mehr vorgenommen worden waren.
Verwaltungsrat und Spitalleitung erkannten die Dringlichkeit, im Emmental eine umfassende Gesundheitsversorgung mit hervorragender Medizin und bedürfnisgerechten Dienstleistungen zu gewährleisten. Sie wollen die Vollversorgung der Emmentaler Bevölkerung mit wohnortsnahen, qualitativ hochstehenden und bezahlbaren Spitalleistungen langfristig sicherstellen und dazu das Angebot an beiden Standorten weiterhin massvoll ausbauen. «Das ist unsere Mission», sagte die Verwaltungsratspräsidentin Dr. h.c. Eva Jaisli am Donnerstag vor den Medien. Hintergrund der Wachstumsstrategie sei der wachsende Bevölkerungsanteil älterer, weniger mobilen Menschen und die ebenfalls zunehmenden Mehrfach- und Kom-
plexerkrankungen in der breiten Bevölkerungsschicht.
Der Entscheid, das Spital mit den beiden Standorten Burgdorf und Langnau aus eigener Kraft in eine erfolgreiche Zukunft zu führen, fiel primär für das Wohl der Bevölkerung, aber auch in Anbetracht einer effizienten Unterstützung für die zuweisenden Hausärzte in der Region. Es war ein sehr mutiger Entscheid, begann 2010 schon mal mit der Abspeckung von 10 % der für das Vorprojekt errechneten Kosten. Das Spital Emmental ist das erste öffentlich-rechtliche Spital im Kanton Bern, welches seine Bauvorhaben aus eigener Kraft finanziert.
Steigende Patientenzahlen
Notabene nicht auf Kosten der Patienten: Deren Zufriedenheit ist unbestritten; die Patientenzahlen steigen seit Jahren – selbst während der aufreibenden Bauzeit – kontinuierlich. Von Anfang an wurde zudem dem Anspruch Rechnung getragen, die Modernisierung des Spitals und den Ausbau in einem für die Bevölkerung tragbaren finanziellen Rahmen zu gestalten.
18 Millionen Franken wurden seit 2013 in Langnau investiert; 111 Millionen Franken beträgt die Bausumme für das Gesamtprojekt in Burgdorf (inklusive dem Parkhaus im Jahr 2015). Mit der Eröffnung des Neubaus hat das Spital nun einen entscheidenden Meilenstein passiert.
Noch ist die Bautätigkeit aber nicht abgeschlossen. Ab 2019, wenn Langnau im Besitz der ersehnten MR sein wird und in Burgdorf das bestehende Bettenhaus für die stationäre Psychiatrie zur Verfügung steht, der Umbau Motor (OP, Aufwachraum, Notfall) abgeschlossen ist, der provisorische Eingang zurückgebaut ist und die Umgebungsarbeiten beendet sind, wird das Spital Emmental über eine der modernsten Infrastrukturen in der Schweiz verfügen.
Spital wächst weiter
Mit dem nun eröffneten Neubau konnte die Spitalbettenkapazität im Emmental von 1,4 auf 1,8 Betten pro 1000 Einwohner (Durchschnitt im Kanton Bern: 2,5) erhöht werden. Von Überkapazitäten also keine Rede.
Zusammen mit den bereits erfolgten baulichen Erneuerungen in Langnau und den weiteren noch bevorstehenden in Burgdorf schaffe das Spital Emmental den Raum für den nachge-wiesenen, sorgfältig analysierten Mehrbedarf an wohnortsnahen Spitalleistungen, wie CEO Anton Schmid am Donnerstagmorgen an der Medienkonferenz in Burgdorf erläuterte.
Der Neubau beherbergt neben mehreren Ambulatorien unter anderem vier Pflegeabteilungen mit insgesamt 132 Betten, die hausärztliche Notfallpraxis mit zwei Untersuchungs- und Behandlungsräumen, den Notfall mit Schock- und Gipsraum sowie die Arbeitsräume des Rettungsdienstes mit Einstellplätzen für vier Ambulanzfahrzeuge. Vier neue Operationssäle ergänzen zwei bisherige im Altbau, die bis Frühjahr 2019 ebenfalls rundum erneuert werden.
Sinnvolle Zusammenarbeiten
Der Neubau ist ein architektonisches Meisterwerk schlechthin. Auf kleinstem Raum gelang es, Mehrwerte sowohl für die Patienten als für die Mitarbeitenden zu schaffen und das Spital auch als Ausbildungsort für Assistenzärzte zu attraktivieren.
Notfallversorgung, die Operationsbereiche, die interdisziplinäre Station Intensivmedizin wie auch die Ambulatorien, Sprechstundenbereiche und die zentralen Dienste stehen heute modern, funktional und prozessorientiert da. Sie sind eine wichtige Grundlage für die optimale Betreuung der Patienten, die sich zudem über 66 moderne, zweckmässige und gemütliche Zweibett-Zimmer freuen dürfen. Souverän haben es Planer und Bauherrschaft, aber auch die Spitalteams zudem geschafft, den Neubau «hinter den Kulissen» zu errichten und den Spitalbetrieb unbehelligt aufrecht zu erhalten.
Das Spital, welches vor Jahren vom Kanton verächtlich übergangen worden ist, hat diesem erfolgreich die Stirn geboten, fast Unmögliches souverän geschafft und heute als hochmoderner Betrieb mit hervorragenden Fachärzten und umfassenden Dienstleistungen dessen volle Hochachtung erlangt. Dennoch sind die «Emmentaler» nicht zu stolz, um über die Grenzen zu blicken und sinnvolle Zusammenarbeiten einzugehen; unter anderem mit easyCab (Patiententransport) mit dem Spital Thun, mit der Viszeralchirurgie zusammen mit dem Spital Oberaargau und in der Orthopädie zusammen mit den Ärzten des Stadtberner Spitals Sonnenhof. «Immer mit dem Kernziel, gute Medizin für die Bevölkerung zu gewährleisten», wie CEO Anton Schmid definierte. Die Erneuerung der Infrastruktur in Burgdorf und Langnau sei indessen nicht der einzige Erfolgsfaktor in der Strategie des qualitativen Wachstums, betonte Eva Jaisli am Donnerstag. Ebenso wichtig seien ein engagiertes Team mit Herzblut fürs Emmental und die Arbeit im Netzwerk mit Hausärztinnen, Spitex und Institutionen der Langzeitpflege. Sie durfte denn auch feststellen: «Auf unsere Belegschaft bin ich sehr stolz.»
Diese kann in den nächsten Tagen noch nicht wirklich zum Alltag zurückkehren. Dem «Wochenende der offenen Türen», an welchem 10 000 Besucherinnen und Besucher erwartet werden, folgt unmittelbar der Bezug des Neubaus. In nur zwei Tagen, das heisst nächsten Montag/Dienstag, soll dieser abgeschlossen sein.
Von Liselotte Jost-Zürcher