• Wenn Fritz Krähenbühl Zeit dazu findet, löst er auch gerne mal ein kniffliges Sudoku. · Bild: Marion Heiniger

16.06.2022
Oberaargau

Ein Walterswiler durch und durch

23 Jahre lang hat Fritz Krähenbühl als Gemeindeverwalter die Geschicke der Gemeinde Walterswil geleitet. Im selben Dorf zu wohnen und zu arbeiten, hat er nie bereut, obwohl seine Position es ihm nicht immer einfach machte. Nun geht der 65-Jährige nicht nur in Pension, sondern ist zusammen mit seiner Frau gleichzeitig nach Huttwil gezogen.

Walterswil · Fritz Krähenbühl ist eher der Mann fürs Kleine als fürs Grosse. Das zeigt auch seine bisherige berufliche Laufbahn. Von 1973 bis 1976 hatte er auf der Ersparniskasse Ursenbach die Lehre als Bankkaufmann absolviert und ist bis 1994 dort geblieben. In der Zwischenzeit wurde die Ersparniskasse Ursenbach von der Ersparniskasse Wangen übernommen. Diese etwas später dann von der UBS. «Bei einer so grossen Bank wollte ich nicht mehr arbeiten, ich sagte dem Bankverwalter, ich hätte keinen Kopf für eine Grossbank, ich sei ein Regionalbänkler», erzählt der gebürtige Walterswiler. Gesagt, getan. Der damals 37-jährige Bankfachmann machte sich auf die Suche und nahm eine Anstellung als Finanzverwalter auf der Gemeinde Melchnau an. «Dort hat es mir sehr gut gefallen, die Zusammenarbeit mit den Leuten und Behörden war sehr schön.» Fünf Jahre später erzählte ihm Christine Käser, derzeit die erste Gemeindepräsidentin von Walterswil, dass auf der Verwaltung die Stelle des Gemeindeverwalters frei werde und ob er diese nicht übernehmen wolle.
«Es war eine schwierige Entscheidung», gibt Fritz Krähenbühl unumwunden zu, «meine Frau und ich haben eine Pro- und Kontra-Liste erstellt, doch schlussendlich überwog das Positive.» Der kürzere Arbeitsweg, ein Auto weniger und die längere Mittagspause zu Hause gaben den Ausschlag, die Stelle am 1. Mai 1999 auf der Gemeindeverwaltung in Walterswil anzunehmen. Ein Unbekannter war er auf der Verwaltung jedoch keinesfalls, denn von 1981 bis 1993 bekleidete er dort bereits das Amt des nebenamtlichen Gemeindekassiers. Noch in Melchnau tätig, hatte Fritz Krähenbühl die Ausbildung zum Finanzverwalter in Angriff genommen und im Herbst 1999, als er bereits auf der Gemeindeverwaltung in Walterswil arbeitete, erfolgreich abgeschlossen. Rund fünf Jahre später schloss er auch die Gemeindeschreiberschule ab. Es folgten Tagesseminare zum Thema Bau und Steuern. «Die Bautätigkeit war damals in Walterswil nicht sehr gross, lediglich zwischen fünf und zehn Baugesuche hatte ich pro Jahr zu bearbeiten, das hat sich jedoch während der Corona-Pandemie massgebend verändert. Die Leute hatten mehr Zeit und Geld, da sie weder in den Ausgang gehen noch in die Ferien fahren konnten und haben stattdessen in das eigene Heim investiert. Die Baugesuche hatten sich damals verdoppelt», verrät der Gemeindeverwalter. In all den Jahren hatte Fritz Krähenbühl mit Therese Hirsbrunner, die im Juli 1999 als Verwaltungsangestellte zur Gemeinde Walterswil stiess und ebenfalls eine waschechte Walterswilerin ist, zusammengearbeitet

Ein waschechter Walterswiler
Fritz Krähenbühl ist ein Walterswiler durch und durch. «Ich bin wirklich ein waschechter Walterswiler, auswärts geschlafen habe ich nur im Militär, während den zweitägigen Gemeinderatsreisen, in den Ferien oder bei längeren Wanderungen», erzählt der 65-Jährige, der diesen Juni zusammen mit seiner Frau Marianne den 40. Hochzeitstag feiern darf. 1982 hatten die beiden geheiratet und ihre erste Wohnung im Dorf bezogen. Kurz darauf planten und bauten sie auf einem Bauplatz am Walterswilbach, welchen Fritz Krähenbühl von seinem Vater erbte, ihr eigenes Haus. Drei Jahre später zogen sie ein.
Im selben Dorf zu wohnen und zu arbeiten und das noch in exponierter Position als Gemeindeverwalter war für Fritz Krähenbühl nicht immer einfach. «Jeder kennt jeden, man hat Beziehungen zu der Bevölkerung. Ich konnte nie zu 100 Prozent abschalten, wenn ich zu Hause war. Ich war dabei auch etwas zu wenig streng mit mir selbst», gesteht der dreifache Familienvater. So gab es immer wieder Situationen, in denen er zu Hause oder im Dorf angesprochen wurde, welche ohne weiteres bis zu den nächsten Öffnungszeiten der Verwaltung hätten warten können. Doch im Grossen und Ganzen konnte Fritz Krähenbühl damit gut umgehen.
Richtig abschalten konnte er jeweils in den Ferien. Viele Jahre ging es im Winter zum Skifahren nach Leukerbad und im Herbst jeweils mit befreundeten Familien nach Spanien ans Meer. In neuerer Zeit standen wieder Familien-Skiferien und Südtirol-Aufenthalte auf seinem privaten Tätigkeitsprogramm. «Obwohl ich jedes Mal entweder Arbeitsunterlagen zum Budget oder zur Jahresrechnung in die Ferien mitgenommen habe, habe ich sie kein einziges Mal angeschaut», erzählt der dreifache Grossvater.

Nicht nur positive Veränderungen
In den vergangenen 23 Jahren hatte Fritz Krähenbühl 47 Gemeindeversammlungen und über 500 Gemeinderatssitzungen protokolliert und in seiner Amtszeit mit zwei Gemeindepräsidentinnen und einem Gemeinde-
präsidenten sowie 18 Gemeinderätinnen und -räten zusammengearbeitet. Herausforderungen und Veränderungen hat er sich immer gerne gestellt. Die grösste Herausforderung stellte dabei wohl die Rechnungslegungsumstellung auf das System HRM2. Doch auch im Kleinen hatte sich in all den Jahren einiges verändert.
So konnte die Bevölkerung, um einen Pass oder eine Identitätskarte zu beantragen, nicht mehr wie bis anhin auf die Gemeindeverwaltungen gehen, sondern mussten zu definierten Ausweiszentren fahren. Die Tageskarten für den öffentlichen Verkehr, welche jahrelang an die Bevölkerung vergünstigt abgegeben wurden, gibt es in Walterswil unterdessen auch nicht mehr. Als der hauseigene EDV-Server in die Jahre kam, wurden die Daten auf einem externen Server gespeichert. «Von da an war man immer aufs Internet angewiesen, was jedoch in Walterswil lange nicht besonders gut war», gibt Fritz Krähenbühl zu bedenken. Zudem hielt die Digitalisierung immer mehr Einzug. «Vermehrt kommunizierten wir per E-Mail, was aber leider nicht immer in allen Fällen funktionierte. Man kann auch heute nie sicher sein, ob die Mails beim Empfänger ankommen, auch die Lesebestätigung nützt dabei meist nicht viel, da man dabei oft auf Nein anstatt auf Ja klickt.» Fritz Krähenbühl hatte zwar nie etwas dagegen, mit der Zeit zu gehen, zeigt damit aber auch auf, dass jede Änderung und jeder Fortschritt mit gewissen Problemen einhergehen können.
Grundlegend verändert hat sich für die Gemeinden auch das Asylwesen. So waren diese früher für die Rückführung der Migranten zuständig, deren Gesuch um Asyl abgelehnt wurde. «Diese hatten eine Rückführentschädigung zu gut, welche aber erst am Flughafen in Kloten ausgehändigt werden durfte, wenn sie nicht mehr zurückkonnten. Ich erinnere mich an einen Asylanten, den der damalige Gemeindepräsident Ernst Lanz persönlich zusammen mit einem der Gemeinderäte nach Kloten fuhr und ihm die Rückführbestätigung nach der Abschrankung aushändigte. Wenig später sah ich genau diesen Asylanten am Bahnhof Huttwil wieder. Wie er es schaffte, so schnell wieder in die Schweiz zu kommen, weiss ich bis heute nicht», erzählt Fritz Krähenbühl schmunzelnd.

Verwaltung in guten Händen
Schöne Erinnerungen verknüpft Fritz Krähenbühl mit den Gemeinderatsreisen. Jedes Jahr wurde eine zweitägige Reise organisiert und traditionellerweise ging man alle vier Jahre nach jeder Legislatur nach Zermatt. Hinzu kamen Tagesausflüge mit Betriebsbesichtigungen. «Ein Highlight war auch die 1. Augustfeier 2005, als der damalige Mister Schweiz, Renzo Blumenthal, die Festrede hielt. So viele Festbesucher hatten wir vorher und nachher nie mehr», erzählt Fritz Krähenbühl lachend. Mit all diesen schönen Erinnerungen im Gepäck fällt es ihm da nicht schwer, nun offiziell Ende Juni alles zurückzulassen? «Nein, die Verwaltung ist mit meinen beiden Nachfolgerinnen in sehr guten Händen, da muss ich mir keine Sorgen machen. Zudem freue ich mich, nun mehr Zeit für meine Frau, für unsere Kinder und Enkelkinder sowie auch für unsere vielen Freunde und Bekannten zu haben», zeigt sich Fritz Krähenbühl mit der aktuellen Situation sehr zufrieden.
Vor Kurzem hat das Ehepaar einem ihrer Söhne das Haus in Walterswil überschrieben und ist in eine Eigentumswohnung nach Huttwil gezogen. So kann sich Fritz Krähenbühl nun voll und ganz auf sein Hobby, das Singen, konzentrieren. Er hat jahrelang im Kirchenchor Walterswil mitgesungen und unterstützt seit Jahren den Jodlerklub Wasen aktiv. Daneben ist er, wie könnte es anders sein, Kassier bei der Kirchgemeinde Walterswil, beim Jodlerklub Wasen und seit Neustem auch bei der Burgergemeinde Rohrbach. Und falls er dazwischen noch Zeit findet, verbringt der rüstige Rentner seine Zeit auch einmal gerne bei einem SCB Match oder klopft einen Jass. Auch der Wanderlust soll nun wieder vermehrt nachgekommen werden.

Von Marion Heiniger