Ein würdiger Empfang für Adrian Wüthrich
Huttwil feierte am Montagabend seinen ersten Nationalrat seit fast 90 Jahren und seinen dritten in der Geschichte der Eidgenossenschaft überhaupt. Und den einzigen Oberaargauer im Parlament. Behörden, die Stadtmusik Huttwil, Private und Freunde bereiteten dem frischgebackenen Nationalrat Adrian Wüthrich, der bereits seine erste Session in der Grossen Kammer hinter sich hat, einen würdigen Empfang auf dem Brunnenplatz.
Hinten auf dem Break des Oldtimer-Schlauchfahrzeugs fuhren Adrian Wüthrich und seine Familie auf dem Brunnenplatz auf, begleitet von einem rassigen Marsch der Stadtmusik Huttwil. Ein grosser Moment für den Ende Mai vereidigten SP-Nationalrat, der seit jugendlichem Alter engagiert politisiert, Erfolge feierte, Rückschläge einstecken musste und nun ein gros-ses Ziel erreicht hat. Dies abgesehen davon, dass er glücklicher Familienvater ist und an der Spitze des Schweizerischen Arbeitgeberverbands Travail Suisse steht.
«Da wo er heute steht, das hat er sich selbst erchrampfet», sagte seine Mutter vor kurzem gegenüber den Medien. Es ist eine Zusammenfassung im Telegrammstil für das, was Wüthrich für seine berufliche und politische Karriere geleistet und sich oft auch unerschrocken exponiert hat.
Die Stimme hören lassen
«Wir wissen, dass wir dich in Bern hören werden», attestierte ihm der Huttwiler Gemeindepräsident Walter Rohrbach denn auch. Im Bewusstsein allerdings, dass Adrian Wüthrich eine Stimme von 200 im Nationalrat hat. Deshalb werde es gerade im Meinungsbildungsprozess wichtig sein, dass er sich laut für «seine» Region stark mache. «Für die ländliche Bevölkerung und die Landgemeinden überhaupt», präzisierte Walter Rohrbach. «Die Städter müssen wissen, dass auch wir unsere Anliegen haben. Der Oberaargau, der acht Jahre lang keinen Vertreter im Parlament mehr hatte, hat Erwartungen an dich, Adrian.» Er hoffe, dass es Adrian Wüthrich gelingen werde, in seinem vielfältigen und sehr anspruchsvollen Alltag Prioritäten zu setzen, aber auch zu spüren, «wann es genug ist.» Mit dem Wunsch an ihn, seine Wege – egal ob Schotter, Teer, oder Graswege – zielsicher und erfolgreich zu gehen, dabei viel Unterstützung zu finden, schloss Walter Rohrbach seine Rede. Mit einigen Ambitionen: «Wer weiss schon, welches deine nächste Feier sein wird ...»
Adrian Wüthrich hat als erst dritter Huttwiler Nationalrat – vor ihm waren der Arzt Fritz Minder (1864 bis 1932) und der Unternehmer Jakob Leuenberger-Ryser (1861 bis 1948) in der Grossen Kammer vertreten – dem Städtli neue Ehre gebracht. Von dieser heimste sich humorvoll auch Martin Stuker, Präsident der SP Sektion Huttwil, ein Stück ein: «Ich bin der erfolgreichste Huttwiler SP-Präsident, den Huttwil je hatte.»
Sichtlich gerührt nahm Adrian Wüthrich den Empfang und die Worte entgegen. Ein solcher Empfang sei nicht selbstverständlich, sei wohl den Landgemeinden vorbehalten, meinte er. So habe er die Berner Stadtratspräsidentin Regula Bühlmann gefragt, ob die mit ihm vereidigten neuen Berner Nationalrätinnen Aline Trede und Flavia Wasserfallen von der Stadt ebenso empfangen würden.
Das scheint indessen nicht vorgesehen zu sein; so reiste denn Regula Bühlmann extra nach Huttwil, um sich von einem «Beispiel für das nächste Mal» zu vergewissern.
Mit Anstand und Polit-Kultur
Begeistert berichtete Adrian Wüthrich von seiner ersten Session im nationalen Parlament, davon, dass Themen wie das KiTa-Impuls-Programm, die Vaterschaftsinitiative und die flankierenden Massnahmen zum Schutz gegen Lohndumping ihn besonders interessiert hätten und er dazu auch schon Fragen gestellt habe. Eben seine Stimme hatte laut werden lassen. Mit Anstand; darauf hält der Huttwiler sehr viel, hat immer viel darauf gehalten. Die Nationalrätinnen und Nationalräte, die mit Pflästerli auf dem Mund wie Marionetten im Ratssaal sitzen würden ebenso wenig die Politik widerspiegeln, welche betrieben werde, wie diejenigen, welche andere mit Bhuu-Rufen nicht ausreden liessen. «Ich werde im Nationalratssaal stets die Krawatte tragen. Es gibt eine politische Kultur, die ich wahren und pflegen möchte», so Adrian Wüthrich.
Huttwiler bleiben
Daneben aber werde er Huttwiler bleiben, werde weiterhin mit seinen Buben «schutte» und Unihockey spielen, bleibe der, der er sei. Und würde für seine Region auch über den (Partei)-Schatten springen: «Es gibt das Land als solches, für dessen Interessen ich mich einsetzen will. Aber wenn es im Nationalratssaal um unsere Region geht, dann wird für mich die Parteizugehörigkeit keine Rolle spielen», verhiess der SP-Vollblut-Politiker.
Die sympathischen Reden, schlussendlich aber auch der alte Bernermarsch, gespielt von der Stadtmusik Huttwil unter der Leitung von Esther Lehmann-Staub, taten ihre Wirkung. Bewegt und ehrfürchtig erhob sich das anwesende Volk, bevor es zur gemütlichen Runde bei Wurst, Brot und Getränken ging.
Von Liselotte Jost-Zürcher