Eine besonders schwierige Situation
SC Langenthal: Marco Mathis – Er trägt gelb und blau, seine Liebe ist blau und gelb: SC-Langenthal-Torhüter Marco Mathis lebt seit sechseinhalb Jahren im Mittelland, ist und bleibt aber ein Heimweh-Bündner. Auch zum vorgestern gestarteten Spengler-Cup hat der 27-Jährige eine spezielle Verbindung. Aktuell beschäftigt ihn seine persönliche Situation aber stärker.
Eishockey · «Ich war damals wahrscheinlich nicht reif genug», sagt Marco Mathis rückblickend. Insbesondere mental habe er viele Fortschritte machen müssen. Und dennoch hätte er es sich gewünscht, dass ihn damals jemand aufs kalte Eis geworfen hätte. Er hebt den Kopf, lässt die Augen schweifen und denkt an seine Anfangszeit zurück. Im Schatten von Leonardo Genoni und Reto Berra konnte er einzelne NLA-Spiele als Ersatztorhüter erleben – beim Spengler-Cup war das aber kein Thema. Trotz guter Ausbildung, trotz erfolgreicher Jahre bei den Elite-Junioren, gab es für ihn keinen Platz in diesem Team. Er war gegenüber Berra und Genoni zu wenig gut. Das weiss er heute. «Ich habe mich aber schon damals bereit gefühlt. Ich wollte spielen.» Schon bei der Vorstellung, am Spengler-Cup spielen zu dürfen, kribbelt es Marco Mathis in den Fingern. Käme es wirklich so weit, würde auch heute eine bisschen Nervosität dazugehören.
Dass Marco Mathis seinen Kindheitstraum nicht verwirklichen konnte, tut seiner Liebe zu Davos und dem Spengler-Cup jedoch keinen Abbruch. Noch heute sieht er sich als Bündner, obwohl er sich seit gut sechs Jahren in Suhr ebenso zu Hause fühlt. «Ich bin ein stolzer Heimweh-Bündner», sagt er. Selbst nach sechseinhalb Jahren im Mittelland vermisse er die Berge noch immer und manchmal auch die Sonne. «Weite Landschaften finde ich auch im Mittelland schön. Aber da fehlen meistens die Berge. Sie verleihen der Landschaft Charakter. Sie sind die Seele des Bündnerlandes», schwärmt der Torhüter. Wenn er deshalb einmal «nach Hause» geht, sind Velofahren und Wandern die ersten Dinge, die er tut. Eigentlich würde er gerne öfters in Davos sein. Im Winter hat er aber kaum Zeit, und nicht zuletzt habe auch sein neues Zuhause seine Vorzüge. Um acht Uhr abends braucht er noch keine Jacke, und ganz im Gegensatz zu Davos gibt es hier einen farbenfrohen Frühling.
Symptome kehren dauernd zurück
Aktuell hat Marco Mathis aber andere Probleme. Der beim SC Langenthal als Nummer-Eins-Torhüter geplante Eishockeyspieler ist verletzt. Im Cupspiel gegen den EHC Kloten vom 23. November hat er sich eine Gehirnerschütterung zugezogen, seither ist er verletzungsbedingt abwesend. Im letzten Monat hat er schon mehrfach versucht, aufs Eis zurückzukehren, Symptome haben ihn aber oft zurückgeworfen. «Ich kann nichts tun. Wenn ich auf dem Eis bin, wenn ich Velo fahre – sofort habe ich Kopfschmerzen oder andere Symptome», erklärt er jeweils. Höchstens spazieren könne er. Fernseh schauen gehe nur kurze Zeit, deshalb sei die aktuelle Zeit nicht nur mühsam, sondern auch langweilig.
Gerade für Marco Mathis ist das doppelt schwer, hat er doch erst in dieser Saison endgültig den Posten als Haupttorhüter übernommen. «Die Nummer eins ist für mich eine Figur. Und das Schwierigste daran sind meine Erwartungen. Am liebsten würde ich den Save, den Pass und das Tor gleich selbst machen», sagt der 27-Jährige. Für ihn sei die Nummer eins auch nie krank. Und schon gar nicht verletzt. Und Gegentore kassiert sie keine. Nicht einmal im Training. «Wer mich kennt, der weiss, dass das mein Ernst ist. Und das ist zugleich meine Schwierigkeit. Ich lerne noch immer, damit umzugehen, jetzt die Nummer eins zu sein», zeigt sich Mathis ganz ehrlich. Erst mit diesen Worten wird klar, wie schwierig für ihn die letzte Zeit ist. Der Saisonstart war harzig und als er wieder zur Stärke fand, zwang ihn eine Gehirnerschütterung zur ersten Pause seit er beim SC Langenthal das erste Spiel absolviert hat.
Der Beste in der NLB
Für Marco Mathis ist das doppelt bitter. Denn obwohl er mittlerweile 27 Jahre alt ist, hat seine Karriere irgendwie erst begonnen. Nach vier Saisons als Backup-Torhüter hinter Marc Eichmann musste der gelernte Dachspengler in der letzten Saison erstmals über längere Zeit das Tor hüten, weil Eichmann verletzungsbedingt ausfiel. In der laufenden Saison hat er endgültig die Position als Nummer eins übernommen. «Mein Ziel ist es, der beste Torhüter in der NLB zu werden», sagt er. Dafür arbeitet er schon seit Jahren hart. Mathis gilt als Chrampfer, der im Vergleich mit talentierteren Torhütern vieles mit seiner Einstellung ausgleicht. So habe er nie sonst jemandem die Schuld gegeben, wenn er pausieren musste. Er habe sich nur gesagt: «Wenn du nicht spielst, musst du mehr trainieren.» Aktuell könnte er die Früchte seiner jahrelangen Arbeit pflücken. Als Nummer eins beim Top-NLB-Club gehört er zu den wichtigen Faktoren, die dem SCL ermöglichen könnten, in den Playoffs eine grosse Rolle zu spielen.
Sobald er sich von seiner Gehirnerschütterung erholt hat, wird für ihn der nächste schwierige Prozess anfangen. Am liebsten würde er seine Leistung von null auf hundert bringen, auch hier wird aber Geduld gefordert sein. Gelingt es ihm, hat Mathis die Möglichkeit, seine Träume schon bald zu erfüllen. «Ich kann nicht beeinflussen, ob ich einmal eine Chance in der NLA erhalte. Und wenn nicht, dann will ich mehrere Jahre der beste NLB-Torhüter bleiben», sagt Mathis. Aktuell ist er – verletzungsbedingt – weit weg von diesem Ziel. In dieser Woche ist aber eine Rückkehr ins Eistraining geplant.
Eines kann er sich aber schon heute vorstellen: «Nach der Karriere ziehen wir vielleicht wieder nach Davos», sagt Mathis und meint damit auch seine Davoser Freundin, die mit ihm vor Jahren ins Mittelland zog. Zwischenzeitlich steht aber noch die Heirat der beiden «Heimweh-Bündner» an. Und diese – wie könnte es anders sein – findet im kommenden Sommer in Davos statt.
Von Leroy Ryser