• Nathalie Spichiger (links) mit der WM-Bronzemedaille und dem Pokal sowie ihren Nati- und Vereinskolleginnen bei der UHV Skorpion Emmental, Lisa Liechti (Mitte) und Lea Hanimann. · Bild: Keystone

  • Nathalie Spichiger im Zweikampf mit Eliska Chuda während dem ersten WM-Spiel gegen die Tschechinnen. · Bild: Keystone

09.12.2021
Sport

«Eine leise Enttäuschung bleibt»

Die Frauen-Nati hat an der WM in Schweden die Bronzemedaille gewonnen. Im Team dabei war auch die 26-jährige Nathalie Spichiger. Die gebürtige Lützelflüherin berichtet, wie sie ihre dritten Titelkämpfe erlebt hat.

Interview ·  Stefan Leuenberger im Gespräch mit Nathalie Spichiger,
Unihockeyspielerin aus Lützelflüh

   
Wo hängt die WM-Bronzemedaille?
Aktuell noch nirgends. Ich hatte noch nicht einmal Zeit, die Koffer auszupacken.

Es war Ihre dritte WM. Sind Sie nach WM-Silber 2019 an der grandiosen Heim-WM in Neuenburg etwas enttäuscht, dass es wie 2017 bei Ihrer WM-Premiere wieder Bronze wurde?
Es ist immer schön und kein Selbstläufer, eine Medaille zu gewinnen, ganz klar. Wir sind aber mit einem anderen Ziel nach Schweden gereist. Wir wollten den WM-Titel gewinnen. Daher bleibt eine leise Enttäuschung.

War das Schweizer Team schwächer als an der Heim-WM vor zwei Jahren?
Ich denke nicht, dass das Team schwächer war. Sonst hätten wir uns nicht ein so hohes Ziel setzen können. Scheinbar hat uns aber ein bisschen die Routine gefehlt, die für den ganz grossen Coup nötig gewesen wäre.

Der Halbfinal gegen ein sehr junges schwedisches Team ging mit 1:14 verloren. Dies stimmt für die Zukunft nicht gerade positiv. Schweden wird für die Schweiz unerreichbar bleiben.
Das glaube ich nicht. Schweden hat im Halbfinal einfach einen absoluten Traumtag erwischt, während unsere Leistung durchschnittlich war. Tags darauf im Finalspiel gegen Finnland bekundete Schweden grosse Mühe. Ich glaube, dass wir Schweden in Zukunft ärgern können. Dafür muss bei uns am Spieltag aber alles absolut passen.

Eine erneute mögliche WM-Final-Qualifikation wurde bereits im ersten Gruppenspiel gegen Tschechien, das 2:5 verloren ging, vergeben.
Uns fehlte etwas die Zeit, uns zu finden. Dann haben wir im Startspiel keinen guten Tag erwischt. Keine einzige Spielerin konnte ihre Leistung abrufen. Wir begingen viele Fehler, was gegen eine Top-4-Nation wie Tschechien nicht drin liegt.

Wie war es möglich, nach der krassen Halbfinal-Niederlage gegen Schweden im Spiel um die Bronzemedaille gegen eben dieses Tschechien, das zuvor in allen Partien überzeugte und den Halbfinal gegen Finnland nur knapp mit 4:5 verlor, zu gewinnen?
Damit haben wir gezeigt, dass wir ein gutes Team sind. Wir wollten den Sieg unbedingt, haben gewusst, was es dafür braucht. Für uns war es nach der happigen Halbfinal-Niederlage einfacher. Tschechien hatte an der knappen und bitteren Niederlage gegen Finnland mental zu beissen. Hinzu kam die geringe Regenerationszeit nach dem Abendspiel. Tschechien hatte so mental und körperlich Nachteile, während uns im Gegenzug eine defensiv und offensiv starke Partie gelang. Uns unterliefen nur wenig Fehler. Dies machte den Unterschied.

Wie fällt Ihre persönliche WM-Bilanz aus? Bekamen Sie im zweiten Block genügend Einsätze?
Ich bin mit der Einsatzzeit absolut zufrieden. Gerne hätte ich noch etwas mehr gezeigt. Ich konnte nicht ganz abrufen, was eigentlich möglich wäre. Insgesamt bewerte ich meine dritte WM mit «gut».  

Sie haben gegen Lettland, Slowakei und Polen je ein Tor erzielt. Waren dies Ihre WM-Highlights?
Nein. Der Teamerfolg steht im Fokus. So gesehen war natürlich das gewonnene Bronzespiel der Höhepunkt.

Wie haben Sie die Zeit in Schweden erlebt?
Es war vor allem kalt. Es war praktisch immer minus zehn Grad. Von der Stimmung in Schweden war ich ein bisschen enttäuscht. Die Anzahl Leute sowie das WM-Feeling in der Spielhalle und im WM-Ort waren bescheiden. Ein Hauptgrund dafür dürfte die Corona-Pandemie gewesen sein. Wir haben viel trainiert. So blieb wenig Zeit für Sightseeing. Wir haben aber Uppsala besichtigt, was mir sehr gefallen hat. Etwas eintönig war das Essen. Nudeln, Kartoffeln und Reis waren angesagt.

Verbrachten Sie viel Zeit mit Ihren Clubkolleginnen des NLA-Teams Skorpion Emmental Lisa Liechti, Lea Hanimann und Elina Jeige, die allesamt ebenfalls an der WM im Einsatz standen?
Ich hatte mit allen Natispielerinnen der Schweiz Kontakt. Jener mit Lisa war natürlich besonders intensiv, weil wir das Zimmer teilten. Wir sind eine verschweisste Einheit – auch neben dem Unihockeyfeld. Selbst nach zweieinhalb gemeinsamen Wochen gab es überhaupt keine «Lämpe». Mit Elina war der Kontakt natürlich nicht da, weil sie mit der Nati von Lettland unterwegs war.

Anlässlich des Spiels um die Bronzemedaille wurde Ihre Natikollegin Isabelle Gerig für ihr 50. Länderspiel geehrt. Sie bestritten ebenfalls Ihr 50. Länderspiel. Warum erfolgte für Sie keine Ehrung?
Da dürfte die Statistik nicht stimmen. Ich bestritt im Bronzespiel bereits mein 56. Länderspiel. Mein 50. Länderspiel bestritt ich im Oktober anlässlich der Euro Floorball Tour in Finnland gegen Tschechien. Und ich wurde damals vor der Partie für mein Jubiläum ebenfalls geehrt.  

Mittlerweile haben Sie 18 WM-Länderspiele an drei Titelkämpfen bestritten. Welches steht in Ihrem Ranking ganz oben?
Das ist ganz klar das «Wunder von Neuenburg». Im WM-Halbfinal im Dezember 2019 lagen wir zwei Minuten vor Schluss gegen Tschechien mit 2:6 zurück – und haben die Partie noch 7:6 gewonnen. Unvergesslich. Knapp dahinter folgt natürlich der WM-Final von 2019, den wir dann aber gegen Schweden verloren.

Sie sind 26 Jahre alt und tragen sowohl bei Ihrem Club Skorpion Emmental wie auch im Nationalteam die Nummer 26. Wieso?
Meine Nummer hat keine Geschichte. Ausser, dass meine Schwester auch die Nummer 26 hatte – und sie hat an einem 26. Geburtstag. In der Nati wollte ich einfach mit der gleichen Nummer auflaufen wie im Club.

Nach der WM gilt der Fokus wieder der Meisterschaft. Sie liegen mit den «Skorps» bloss drei Punkte hinter dem NLA-Leader Kloten-Dietlikon Jets zurück, dies mit einem Spiel weniger. Was ist möglich?
Alles. Wir wollen den Superfinal erreichen und diesen auch gewinnen. Wir wollen den ersten Schweizer Meistertitel der Vereinsgeschichte.

Auch im Cupwettbewerb ist Ihr Team noch vertreten. Im Halbfinal trifft Skorpion Emmental auf die Wizards Bern Burgdorf.
Wir gehen als Favorit in dieses Spiel. Im Final wollen wir dann ebenfalls gewinnen, egal, wie der Gegner heisst. Wir haben die Möglichkeit, das «Double» zu schaffen. Wir wollen sie nutzen.   


Schlussrangliste: 1. Schweden; 2. Finnland; 3. Schweiz; 4. Tschechien; 5. Polen; 6. Slowakei; 7. Norwegen;
8. Dänemark.