• Andreas Seidel ist bei seinem Hobby, dem Bierbrauen, sehr genau. · Bild: Patrick Bachmann

02.05.2017
Oberaargau

Eine Madiswiler Bieridee

Andreas Seidel verwirklicht seinen Traum und macht das Bierbrauen zum Hobby. Nach seiner Pensionierung im Januar startete er mit «Madis’Bräu», dem ersten Bier aus Madiswil. Mit viel Wissen, Geduld und Neugierde braut er naturbelassenes Bier mit dem Urgeschmack. Ein Blick hinter die Kulissen der Hobby-Mikrobrauerei.

Madiswil · Und was jetzt? Diese Frage stellen sich viele Frauen und Männer, die das Pensionsalter erreichen und somit ein langes und intensives Berufsleben hinter sich lassen. Andreas Seidel entschied sich schon zwei Jahre zuvor, sich mit Bierbrauen beschäftigen zu wollen. «Ich habe immer gerne gekocht und sehr viel selber hergestellt, sei es Sauerkraut, Senf oder Kimchi» erzählt er. «Zudem hat es mich gereizt, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen.» Ein ganzes Jahr nahm er sich Zeit, um sich ins Thema einzulesen, zu recherchieren und sich zu informieren. Er nahm auch an einem Bierbrau-Seminar teil oder besuchte die «Tour de Bier», eine Exkursion von Heimbrauern aus Süddeutschland. Erst letztes Jahr startete er dann mit dem Bierbrauen.

Weltweit unterwegs
Bis Ende 2016 war er noch als Anwendungstechniker für manuelle Schleifmaschinen bei der Ewag AG im solothurnischen Etziken tätig und in dieser Funktion dauernd unterwegs gewesen. Teilweise reiste er 160 von 190 Arbeitstagen durch die Welt und arbeitete in China, Indien, Südkorea, Brasilien oder in den USA. Dabei habe er auch immer wieder verschiedene Biere probiert. «Doch leider schmeckt inzwischen das meiste Bier ähnlich. Industriebier halt», bedauert Andreas Seidel. Das habe ihn dann bewogen, ein eigenes Bier nach seinen Vorstellungen zu brauen. Mitgespielt hat wohl auch seine mitteldeutsche Herkunft mit ihrer ausgeprägten Bierkultur.
Seine Reisen erweiterten seinen Horizont und liessen ihn neugierig und offen bleiben. «Das wäre sonst fatal, wenn man weltweit unterwegs ist», sagt er. «Ich habe kein Schmal­spurdenken». Auf seinen Reisen lernte er dann in Brasilien auch seine Frau Paula kennen. Inzwischen leben sie seit zwölf Jahren in Madiswil, wo sie sich sogar einbürgern liessen. Oft sind Zugezogene lokalpatriotischer als viele Einheimische – so scheint es auch bei Andreas Seidel zu sein. Trotz seines schwäbischen Dialekts versteht er Schweizerdeutsch problemlos und betont immer wieder, wie gut es ihm hier gefällt und dass Madiswil seine neue Heimat geworden ist. Sein grösstes Kompliment an seine Wahlheimat ist wohl aber, dass er sein Bier unter dem Label «Madi’s Bräu» vermarktet. Jetzt hat Madiswil also auch sein eigenes Bier.

Autodidaktischer Bierbrauer
Rund 100 Liter hat er bisher produziert, teilweise verschenkt und einige Liter verkauft. Bisher hatte er sich eher um die Kunst des Bierbrauens als für den Verkauf und Vertrieb gekümmert. Und wenn sich Andreas Seidel mit etwas beschäftigt, dann wird er dabei zum Experten. Der 65-Jährige ist sehr exakt und fast schon pingelig. Nicht von ungefähr scherzt er, seine Arbeitskollegen hätten nicht immer nur Freude gehabt an seiner Gewissenhaftigkeit. Er vertieft sich in die unterschiedlichen Techniken des Bierbrauens, erzählt vom Ablauf und zeigt seine exakte Protokollführung, wo es um Milligramm und Minuten geht. So kann er bei einem nächsten Brauvorgang mit dem identischen Resultat rechnen.
Der erste Schritt ist das Maischen, das heisst, das Malz wird im Edelstahlkessel mit Wasser vermischt und bei verschiedenen Temperaturen erhitzt. Schon da ist Wissen gefragt, denn die verschiedenen Biere bedingen unterschiedliche Wasserhärtegrade. «Ein Pils bedingt sehr weiches Wasser, fast null Grad deutsche Härte. Dies wäre hier oder auch in München nicht machbar», weiss Andreas Seidel. Der Mineralien- und der Härtegrad des Wassers sowie die Wahl und Zusammensetzung des Malzes beeinflusst natürlich den Geschmack. Danach wird geläutert, das Malz kann also von der Bierwürze getrennt werden. Dazu füllt er die Maische in den nächsten Behälter um. Erst dann wird der Hopfen beigefügt und auf einer exakten Temperatur gekocht. Weitere Prozesse sind das Filtern, Kühlen und die Zugabe der Hefe.

Bierbrauen heisst Geduld haben
Die bisherige Arbeit war an einem Tag möglich, doch danach ist Geduld gefragt. Denn die Hauptgärung sowie die Nachgärung dauern je rund eine Woche. «In dieser Zeit muss ich täglich kontrollieren, ob die Gärung wie gewünscht verläuft oder ob ich eingreifen muss», erzählt Andreas Seidel. Er misst den Zucker- und den Restextraktgehalt und den Anteil des Kohlenstoffdioxids CO2. Noch länger dauert mit sechs bis acht Wochen die Reifezeit. Erst dann kann das Bier in Flaschen abgefüllt werden. «Ich möchte sauberes, naturbelassenes Bier mit dem Urgeschmack. Das fehlt bei Industriebieren, die allesamt pasteurisiert sind».
Momentan bietet er das Märzenbier, den Maibock, das Kölsch oder sein Lieblingsbier, das Weizenbier, an. Später wird er dann das erste Mal ein Bier auf eigenem Rezept basierend brauen: Die Madiswyler Gose. «Das ist dann leicht säuerlich, spritzig – ideal für wärmere Tage, denn im Sommer werden eher leichte und erfrischende Biere bevorzugt», sagt der 65-Jährige. Ein Erfolg war im Winter sein Weihnachtsbier mit seiner weihnächtlichen Nuance.
Seine Frau Paula erstellte das Logo der Hobby-Mikro­brauerei und gestaltet die Bieretiketten. «Er lebt sehr gerne in Madiswil», bestätigt die interkulturelle Dolmetscherin. Und selbst der 9-jährige Hund Rhino hüpft aufgeregt im Wohnzimmer herum, als Andreas Seidel stolz seine neuen, extra angefertigten und selber mit Siebdruck beschrifteten Bierkisten präsentiert.

Gut zu wissen
Erhältlich sind 0,5-Liter-Mehrwegflaschen oder Kegs von 9 bis 18 Liter für Partys. Das Angebot der Biersorten und die Lagerbestände wechseln ständig. Eine Liste liegt auf in der Käserei Leimiswil und in «Greubs Schatztruhe». Andreas Seidel freut sich über einen Austausch mit anderen Gleichgesinnten und Interessierten, auch für eine Zusammenarbeit mit anderen Hobby-Mikrobrauereien ist er offen. Für Kontakt, Infos und Bestellungen: Andreas Seidel, 062 965 00 25, andreas.seidel(at)sunrise.ch