Eine militärische Einheit stiehlt die Show
Swiss Ice Hockey Cup 2018/19, 1/16-Final: Hockey Huttwil – HC Lugano 1:8 (0:0, 0:4, 1:4) – Hockey Huttwil hat das Cupspiel gegen Vizeschweizermeister Lugano erwartungsgemäss verloren. Das Team von Andreas Beutler wusste aber gleichwohl zu überzeugen. Die Partie schrieb viele Geschichten. So beispielsweise jene der 80 extra wegen Hockey-Huttwil-Stürmer Roman Messerli angereisten Soldaten.
Eishockey · «Hockey Huttwil schlug sich absolut tapfer, bekundete lediglich punkto Tempo und Härte etwas Mühe», fasste der 36-jährige Günsberger Marc Gasser, eingefleischter Lugano-Fan seit 15 Jahren und mit Bianconeri-Shirt in der kleinen Tessiner Fanecke stehend, passend zusammen. «Besonders mein Namenspartner im Tor von Huttwil machte einen grandiosen Job.» Der Gastgeber aus der MySports League wusste im Mittwoch-Cupspiel durchaus zu überzeugen. Ähnlich wie im parallel dazu laufenden Champions- League-Fussballspiel der Young Boys gegen Manchester United glänzte der krasse Aussenseiter im ersten Drittel der Spielzeit. Hockey Huttwil hielt gegen Stars wie Julien Vauclair, Dario Bürgler, Jani Lajunen oder Maxim Lapierre gut entgegen, legte den Respekt sofort ab. «Huttwil machte seine Sache zu Beginn der Partie wirklich ausgezeichnet», meinte auch der 43-jährige Fredi Aerne, der mit seinem Sohn aus Kottwil anreiste und eigentlich Fan des EV Zug ist.
Kovacs spezielles Heimspiel
«Das Startdrittel war wirklich der Hammer», freute sich Michael Kovac von Hockey Huttwil. Als einziger Huttwiler im Team des Gastgebers (der mit einer B-Lizenz ebenfalls zum Einsatz kommende Huttwiler Luca Christen spielt normal für den NLB-Verein SC Langenthal) stand er vor dem Cup-Hit im medialen Fokus, erst im «Unter-Emmentaler». Dann griff auch der «Blick» die Nerd-Story über den heimischen Physik-Studenten auf und berichtete gross. Die 1,4 Kilometer vom Wohnort im Fiechtenfeld bis zur Eishalle legte der kurz vor seinem 21. Geburtstag stehende Kovac mit dem Velo zurück, parkierte es lässig vor der Garderobe. «Genial, wenn man mit dem Velo an das bisherige sportliche Karrierenhighlight reisen kann», lachte Kovac, der im Stadion von den Eltern, der Schwester und seiner Freundin angefeuert wurde.
Saft reichte nicht für 60 Minuten
«Ich bin mit meiner Leistung zufrieden, habe alles gegeben und es gleichzeitig genossen, vor soviel Publikum spielen zu dürfen.» Die schlussendliche Packung trug der Sohn kroatischer Einwanderer mit Fassung: «Als unsere Batterien leer waren, kam der Unterschied der beiden Teams zum Vorschein. Es hat mir aber auch gezeigt, dass wir mit gleichviel Training wie Lugano und dementsprechender Ausdauer besser ausgesehen hätten.» Ab dem Mitteldrittel zeigte sich, warum Lugano um den Schweizermeistertitel spielt und Huttwil «nur» in der dritthöchsten Liga. Die Tessiner waren technisch und läuferisch überlegen. Huttwil, das 20 Minuten mit begeisterndem Kampfgeist und ganz viel Herzblut wirkte, bekundete Mühe, etwas Sinnvolles mit der Scheibe anzufangen. Die aufsässigen Luganesi gestanden den Huttwilern die dafür benötigte Zeit nicht zu. Und so war die elfenhafte Stadionstimme von Ramona Kauz in den beiden letzten Dritteln (zu) oft mit Lugano-Toransagen beschäftigt. Mit nachlassender Konzentration und Kondition summierten sich die krassen Fehler in der Huttwiler Defensive. Ein NLA-Team schlägt in solchen Momenten eiskalt zu.
Denkwürdiges Huttwiler Tor
Um 21:36 Uhr passierte dann Denkwürdiges. Michael Gurtner war es vergönnt, den Huttwiler Ehrentreffer zu erzielen. Und das Stadion – trotz YB-Match mit 1361 Zuschauern überraschend gut gefüllt – tobte. Letztmals, als dies für einen reinen Huttwiler Eishockeyverein der Fall war, liegt über sieben Jahre zurück. Damals, am 19. März 2011, besiegten die Huttwil Falcons in ihrem allerletzten Heimspiel der Clubgeschichte auf dem Weg zum Amateurschweizermeistertitel den HC Red Ice Martigny vor 2415 begeisterten Zuschauern mit 5:3. Dann war mit Huttwiler 1.-Liga-Eishockey Schicht im Schacht, das Eis taute im Blumenstädtchen auf, und die Huttwil Falcons waren Geschichte. Beim Ehrentreffer von Gurtner war aufgrund der Energie des Publikums der Geist dieser erfolgreichen Huttwiler Eishockey-Zeit wieder zu spüren. Hockey Huttwil und die Huttu High Flyers (4. Liga) haben es in der eigenen Hand, wieder eine Eishockey-Kultur im Blumenstädtchen aufzubauen: mit ehrlicher Arbeit und guten Leistungen sowie ohne Wildwest ausserhalb der Banden. Die Kultur wird niemals so sein wie in Langnau, wo das ganze Dorf hinter den SCL Tigers steht, Eishockey eine Religion ist. Doch eine Begeisterung ist auszulösen. Das Cupspiel zeigte diesbezüglich, dass viel Potenzial vorhanden ist. Noch waren unter den Besuchern allerdings kaum wirklich eingefleischte und dementsprechend mit Fanartikeln gekleidete Fans auszumachen, wie es zur Blütezeit der Huttwil Falcons der Fall war.
Der Stock von Lapierre
Lugano gewann die Partie schliesslich hoch mit 8:1. Ausgelassene Freude kam bei den Tessinern nicht auf. Die Pflicht wurde getan. So richtig freuen konnte sich nach Spielende dafür der 10-jährige Noel Ammann aus Burgdorf auf der Stehtribüne. Beim Gang in die Kabine streckte ihm Luganos «Enfant terrible» Maxim Lapierre seinen Stock hin. «Was für ein tolles Geschenk. Und es zeigte sich damit einmal mehr, was ich immer gesagt habe: Der Lapierre ist alles andere als ein Provokateur. Er ist ein Topspieler und schaut zu den Fans», lobte Ammann. «Es ist mein zweitwertvollster Stock in meiner Sammlung. Besser ist nur jener von Leonardo Genoni – und zwar aus dem Grund, weil ich selber auch Torhüter bin.»
Eine Kompanie belebte den Abend
Für die Geschichte des Abends waren allerdings jene Leute besorgt, die immer wieder lauthals «Messerli, Messerli» skandierten. «Es ist schon verrückt. Wir sind mit einer ganzen Kompanie von Wilderswil nach Huttwil gereist, um unseren Zugführer anzufeuern», erklärte der 20-jährige Daniel Gerber aus Langnau, der soeben den Wachtmeister abverdient. So standen gewaltige 80 Mann der «Écoles ravitaillement 45» im Tarnanzug auf der Huttwiler Stehplatztribüne. Die Truppe sorgte für gute Stimmung und genoss natürlich auch das eine oder andere Bierchen. Nach Spielende holte der gefeierte und sichtlich gerührte Roman Messerli «seine» Schützlinge allesamt zum Erinnerungsfoto auf das Eis. «Wir pflegen ein unglaubliches Verhältnis untereinander. So intensiv, wie ich es in meiner Militärzeit noch nie erlebt habe», sagte der bald 24-jährige Messerli, der momentan den Leutnant-Posten abverdient. «Dieser Support bedeutete mir sehr viel. Gleichzeitig bin ich sehr dankbar, dass ich trotz meinem militärischen Engagement an dieser speziellen Eishockeypartie teilnehmen konnte», lobte der meistbeachtetste Spieler des in vielerlei Hinsicht besonderen Huttwiler Eishockeyabends.
Matchtelegramm: 19. September. – Eishalle Campus Perspektiven, Huttwil. – 1361 Zuschauer. – SR: Müller/Fluri; Kaderli/Schlegel. – Tore: 22. Lapierre (Lajunen/Ausschluss Hain) 0:1. 24. Bertaggia (Jecker, Vauclair) 0:2. 30. Morini (Vedova) 0:3. 40. Vedova (Lapierre) 0:4. 49. Fazzini (Ronchetti, Bertaggia) 0:5. 50. Gurtner 1:5. 53. Morini (Loeffel) 1:6. 57. Walker (Jecker/Teamstrafe) 1:7. 59. Chiesa (Lapierre) 1:8. – Strafen: Huttwil 4x 2 Minuten; Lugano 3x 2 plus 1x 10 Minuten (Fazzini). – Hockey Huttwil: Gasser (ab 41. Zubuchen); Mosimann, Felder; Seematter, Wüthrich; M. Schütz, Matter; Oberli, Christen; Kovac, Hain, Lerch; Born, Blaser, P. Meyer; Steiner, Nägeli, M.Meyer; Gurtner, Lanz, Messerli. – Bemerkungen: Hockey Huttwil ohne R. Schütz, Minder (beide verletzt).
Von Stefan Leuenberger