11.05.2023
Langenthal

Eine schwierige Nachfolgeregelung

Die Stadtvereinigung Langenthal blickt nach überstandener Corona-Pandemie auf ein ruhiges Geschäftsjahr zurück, das auch

finanziell, mit einem Minus von 2392 Franken, keinen Anlass für Diskussionen bot. Sorgen bereitet dem Vorstand allerdings der Fortbestand der Vereinigung, gestaltet sich doch die Nachfolgeregelung für das Präsidium (Peter Frei) wie auch für das Sekretariat/Geschäftsleitung (Marianne Steiner) schwierig, werden doch die beiden in einem Jahr ihre Ämter abgeben.

Die Stadtvereinigung Langenthal (SVL) steht am Scheideweg. Die Zukunft der Vereinigung ist äusserst ungewiss. Denn in einem Jahr werden Präsident Peter Frei und Sekretariats-Leiterin Marianne Steiner definitiv zurücktreten. Auch Vizepräsident André Michel möchte zu diesem Zeitpunkt sein Amt abgeben. Nachfolger für die drei Personen sind aktuell nicht vorhanden, wie Peter Frei an der SVL-Hauptversammlung vor den 32 erschienenen Mitgliedern bekanntgab. Er richtete deshalb einen dringlichen Appell an die Anwesenden, sich nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten umzusehen, diese anzusprechen oder dem Vorstand zu melden.
Auf eine Frage aus der Versammlung, ob für den Fall, dass sich die Situation in einem Jahr unverändert präsentiert, ein Plan B bestehe, gestand Präsident Frei, dass man keinen Plan B ins Auge gefasst habe. Er wies diesbezüglich auf die Statuten der SVL, in denen festgehalten ist, dass der Vorstand aus mindestens drei Personen bestehen muss. «Im schlechtesten Fall wird dieses Szenario eintreten, das werden wir hinkriegen», versprach er. Gleichzeitig machte er aber unmissverständlich klar, dass sich in diesem Falle die Aktivitäten der SVL unweigerlich auf ein absolutes Minimum beschränken werden. Anlässe, wie im bisherigen Umfang (Frauennacht, Schnäpplimärit oder Stärne Wiehnacht), könnten unter diesen Umständen nicht mehr durchgeführt werden. Die SVL müsste sich wohl ausschliesslich auf den Gutschein-Handel konzentrieren. Was dies für den Fortbestand der Stadtvereinigung bedeuten würde, wollte und konnte Frei nicht näher ausführen.

KI erstellt Jahresbericht
Dafür konnte er den SVL-Mitgliedern anschaulich vermitteln, wie sich der rasante digitale und gesellschaftliche Wandel auf den Detailhandel auswirkt. Seinen Jahresbericht habe er nämlich erstmals nicht selber geschrieben, sondern dafür die künstliche Intelligenz (KI) Chat GPT beauftragt. Er habe von der KI ein Fazit über den Langenthaler Detailhandel im Jahr 2022 angefordert. Der aktuell bekannteste Chatpot im Bereich der künstlichen Intelligenz kam zum Schluss, dass der Detailhandel im vergangenen Jahr zunehmend digitale und personalisierte Erfahrungen bot. Viele Einzelhändler hätten ihre digitalen Angebote erweitert und verbessert. Dank fortschrittlicher Datenanalyse und KI-Technologie könnten diese das Verhalten und die Vorlieben der Verbraucher besser verstehen und ihnen entsprechende Angebote unterbreiten.
Darüber hinaus sei ein stärkerer Trend zu nachhaltigen und umweltbewussten Produkten feststellbar gewesen, der weiter an Bedeutung gewinnen werde. In Zukunft würden Detailhändler noch verstärkt auf Omni-Channel-Vertrieb setzen, um eine nahtlose Einkaufserfahrung zu bieten. Das bedeutet, dass Kunden die Möglichkeit haben, Produkte online zu kaufen und in der Filiale abzuholen oder umgekehrt. Peter Frei kommentierte das Ergebnis des Jahresberichts von Chat GPT wie folgt: «Die künstliche Intelligenz hat uns zwar einen interessanten Jahresbericht abgeliefert, aber gleichzeitig nur mitgeteilt, was wir schon längst wissen. Was KI in seinen Ausführungen aber nicht konnte, ist das Einkaufserlebnis schildern, das entsteht, wenn man in einem Laden einkauft. Und genau dies muss für uns weiterhin die Hauptmotivation sein, damit die Kunden physisch einkaufen gehen», ermunterte Peter Frei die SVL-Mitglieder starke Anreize zum Einkaufen im Laden zu schaffen.

Migros Aare verlässt SVL
Finanziell steht die Stadtvereinigung Langenthal nach der Corona-Pandemie gut da. Das Geschäftsjahr 2022 schloss zwar mit einem Minus von 2392 Franken, mit einem Eigenkapital von 85 466 Franken verfügt die Vereinigung aber nach wie vor über eine solide finanzielle Basis. Das Budget für das laufende Jahr allerdings sieht ein Defizit von 12 665 Franken vor, womit das Eigenkapital weiter abnehmen und den Vorstand dazu zwingen wird, sich mittelfristig Gedanken über die finanzielle Lage der SVL zu machen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil im vergangenen Jahr zwölf Austritte von Mitgliedern zu verzeichnen waren, bei lediglich fünf Neueintritten. Schmerzhaft wirkt sich diesbezüglich der Austritt der Migros Aare aus, die nicht nur für einen erheblichen Umsatz bei den SVL-Gutscheinen sorgte, sondern auch zu den zahlungskräftigsten Mitgliedern zählte. SVL-Mitglied Daniel Bader äusserste seinen Unmut über diesen Austritt: «Ich finde diesen Abgang bedenklich. Den Grossverteilern geht es offenbar nur noch darum, in den kleinen Städten möglichst viel Umsatz zu generieren, für den regionalen Detailhandel vor Ort will man jedoch nichts mehr tun.»
Bei den Wahlen stellten sich Präsident Peter Frei (Porzi GmbH) und Vizepräsident André Michel (Digital Druckcenter) wie angekündigt für eine Amtsdauer von einem Jahr zur Verfügung. Andreas Müller (Bucher Mode) dagegen liess sich für drei weitere Jahr als Vorstandsmitglied wiederwählen. Komplettiert wird der Vorstand mit Ivan Zanchetta (Kohler Optik AG) und Stefan Christen (Straub Sport AG). Aus dem Vorstand ausgetreten sind dagegen Sandra Guyaz (Hotel Bären) und Alexander Reinmann (Manor). Neu im Vorstand Einsitz nimmt Kesan Thiyagalingam (Manor). Abschliessend informierte Peter Frei noch, dass der Vorstand Stadtpräsident Reto Müller eine Petition zum geplanten Verkehrsregime im Stadtzentrum überreicht habe. Damit habe man die Forderung der Mitglieder aus dem letzten SVL-Forum umgesetzt. Die Petition, die von rund 40 SVL-Mitgliedern unterschrieben wurde, drückt den Unmut über die geplanten Massnahmen aus, weil diese vorsehen, das Zentrum vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Viele befürchten dadurch eine verkehrsfreie Innenstadt und damit einen deutlichen Rückgang der Kundenfrequenz. Mit der Petition fordern die SVL-Mitglieder den Gemeinderat auf, mit den SVL-Verantwortlichen verträglichere Lösungen für den ortsansässigen Detailhandel zu erarbeiten.

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