Einfachere Beteiligung dank E-Mitwirkung
In Langenthal würden Grossprojekte scheitern, weil im Erarbeitungsprozess der Wille des Volkes zu wenig berücksichtigt werde. Diesen Vorwurf hörte man zuletzt nach den Kindergärten-Abstimmungen, die im Dezember 2023 an der Urne Schiffbruch erlitten hatten. Doch wie gross ist die Lust der Bevölkerung überhaupt, am politischen Prozess zu partizipieren und mit der Gemeinde in den Dialog zu treten? Diese Frage lässt sich hoffentlich bald durch den Einsatz eines neuen Tools beantworten, denn die Stadt führt demnächst ein niederschwelliges Angebot für Online-Befragungen und digitale Mitwirkungen ein.
Langenthal · «Es ist sicherlich eine gute Idee, die politische Partizipation zu fördern und den Dialog mit der Gemeinde zu erhöhen und zu verbessern», sagt Stadtpräsident Reto Müller (SP). Seinen Worten ist zu entnehmen, dass auch er den Ausgang der letzten Gemeindeabstimmung vom Dezember noch nicht restlos verdaut hat. Hätte man die Bevölkerung intensiver zum Vorhaben der Kindergärten-Zentralisierung befragen müssen? Wären in diesem Zusammenhang noch andere Formen der Mitwirkung angebracht gewesen?
Es sind Fragen, deren Beantwortung rückblickend überflüssig erscheint – denn das Nein zu den Kindergarten-Neubauten ist Tatsache. Vorausschauend aber kann man durchaus gewisse Lehren aus diesem und aus anderen Projekten ziehen, denen in der Vergangenheit an der Urne letztlich kein Erfolg beschieden war. Ein «Lehrblätz» dürfte eben sein: Langenthals Bevölkerung soll tatsächlich noch mehr ins politische Geschehen involviert werden –, der Austausch zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Gemeinde soll gefördert werden.
Niederschwellig und papierlos
Zur rechten Zeit kommt daher die Einführung der E-Mitwirkung in Langenthal, ein Online-Tool des Schweizer Anbieters Konova, das landesweit bereits von über 120 Gemeinden, Städten, Kantonen und Organisationen eingesetzt wird. Die Stadt Langenthal hat eine entsprechende Lizenz des Anbieters gekauft. «Die E-Mitwirkung ist eine etablierte digitale Plattform für informelle und formelle Beteiligungsprozesse wie Ideensammlungen, Mitwirkungen oder Vernehmlassungen», kann der Website des Anbieters entnommen werden. Für Langenthalerinnen und Langenthaler heisst das also, dass sie sich künftig zu ausgewählten Themen sehr niederschwellig und einfach sowie orts- und zeitunabhängig und papierlos werden äussern können.
Über die Webadresse «mitwirken.langenthal.ch» gelangen Bürgerinnen und Bürger ab sofort zu den aufgeschalteten Projekten, zu denen um Mitwirkung ersucht wird. Im Moment ist jedoch noch kein Projekt aufgeschaltet. Allzu lange müssen sich beteiligungswillige Personen allerdings nicht mehr gedulden: «Noch in diesem Frühjahr werden wir die neue Plattform mit einer Mitwirkung zum Klima- und Mobilitätskonzept der Stadt Langenthal lancieren und austesten», gibt Reto Müller zu verstehen.
In vier Schritten zur Mitwirkung
Die Bedienung des Online-Tools ist für Nutzerinnen und Nutzer sehr einfach. Die Mitwirkung ist aufgeteilt in vier Schritte. Bei Schritt eins können sich Mitwirkende über das konkrete Projekt informieren, indem sie einen Abschnitt «in Kürze» lesen und bei Bedarf noch weitere, der Plattform angehängte Grundlagenakten zurate ziehen. Bei Schritt zwei erfassen Nutzerinnen und Nutzer ihre Rückmeldung – entweder als allgemeine Bemerkung (Freitext) oder als Notiz zu einem spezifischen Gesetzesartikel (bei einer Vernehmlassung beispielsweise). Bei Schritt drei können Mitwirkende ihre Stellungnahme prüfen; auch eine PDF-Datei kann in diesem Schritt generiert werden. Und mit Schritt vier wird die Stellungnahme schliesslich an die Gemeinde übermittelt.
Stadtpräsident Reto Müller hofft, dass das neue Angebot auf Anklang stösst und dass damit möglichst viele Bürgerinnen und Bürger dazu bewegt werden können, konstruktive Eingaben zu wichtigen Themen zu machen. Wurden in der Vergangenheit vor allem Mitwirkungen zu Überbauungsordnungen und Stadtentwicklungsplänen gemacht, so sollen in Zukunft laut Reto Müller auch Mitwirkungen zu Themen von anderen Ämtern als nur dem Stadtbauamt gemacht werden können. Denkbar ist somit auch eine mögliche Befragung oder Mitwirkung zum Thema «Schulentwicklungsstrategie» – um den Bogen zur Einleitung und zum Kindergarten-Thema zu schlagen.
Den Puls der Bevölkerung fühlen
Bisherige schriftliche Mitwirkungen wurden vor allem von den Langenthaler Parteien und Fraktionen genutzt. Für sie liegt es in aller Regel in der Natur der Sache, zu aktuellen Themen Stellung zu nehmen. Je nach Brisanz und Verortung eines Themas konnte es in Langenthal jedoch auch schon vorkommen, dass sich Einzelpersonen oder Bürger-Gruppierungen auf schriftlichem Wege verstärkt zu Wort gemeldet hatten. «Bei der freiwilligen Mitwirkung zum Porzi-Areal erhielten wir total 416 Eingaben –, diese Mitwirkung wurde äusserst rege genutzt!», erinnert sich Reto Müller.
Solche Mitwirkungen und Anteilnahmen sind sicherlich auch im Hinblick auf zukünftige Bauprojekte und Arealentwicklungen wünschenswert. Daneben sind jedoch auch ganz simple Befragungen zu einem x-beliebigen
Thema denkbar. «Es ist auch ein Umfragetool, das uns auf sehr einfache Art ermöglichen wird, den Puls der Bevölkerung zu einem bestimmten Thema zu fühlen», so Müller.
Digitalisierung hin oder her: Auch bei künftigen Mitwirkungen können der Stadt auch auf schriftlichem Weg noch Eingaben gemacht werden. «Diese Möglichkeit steht Bürgerinnen und Bürgern weiterhin offen», versichert der Stadtpräsident.
Gut zu wissen
Online-Mitwirkungsplattform der Stadt Langenthal: mitwirken.langenthal.ch. Die Plattform E-Mitwirkung der Firma Konova ist datenschutzkonform. Daten von Nutzerinnen und Nutzern würden vertraulich und sicher in der Schweiz gespeichert und nicht an Dritte weitergegeben, heisst es auf der Plattform der Stadt Langenthal.
Von Patrick Jordi