Elisabeth Schnell und ihre Wurzeln im Emmental
Die «schönste Stimme der Schweiz» ist verstummt. Die Radio-Moderatorin, Reporterin und Schauspielerin Elisabeth Schnell ist am vergangenen Wochenende kurz nach ihrem 90. Geburtstag gestorben. Sie ist in Zürich aufgewachsen und lebte auch hier, später dann mehrheitlich in ihrem geliebten Domizil im Berner Oberland. Ihre Wurzeln mütterlicherseits hat die «Grande Dame des Radios» in Eriswil.
Eriswil · «Ich erinnere mich gut an die Familie Schnell, wenn sie uns mitten im ‹Heuet› besuchen kam», sagt Ferdinand Hiltbrunner, Senior-Wirt des Hotels Bären in Sumiswald. In ihren schicken Schuhen hätte sich die kleine Familie aus Zürich jeweils nicht gescheut, über die Heuwiesen zu gehen, um alle grüssen zu können.
Ferdinand Hiltbrunner ist in Eriswil aufgewachsen und lebt seit rund 25 Jahren wieder hier. Seine Mutter, Marie Hiltbrunner-Schär, war die Cousine von Elisabeth Schnells Mutter, Marie Schnell-Schär. Gleichermassen verwandt mit der Familie Schnell war auch Anton Schär, der früh verstorbene Wirt des Restaurants Kloster in Eriswil. Seine Frau Katharina Schär führte das Restaurant bis vor kurzem weiter.
So fanden zuerst die Eltern von Elisabeth Schnell, später auch sie selber immer wieder den Weg in die «Pinte», das heisst ins «Kloster».
Der Wirte-Dynastie treu geblieben
Die Familie Schnell bewirtete in Zürich das altehrwürdige Zunfthaus Schmiden. Marie Schnell-Schär blieb damit der in der Schär-Familie stark verbreiteten Wirte-Dynastie treu. Der Ursprung der Familie Schär sind die Kirchhalde und der unmittelbar daneben liegende Hitzenberg in Eriswil. Als Johann Ulrich Schär (1816–1895) eine Bäckerei eröffnete, eine Handlung betrieb und, wie es im Stammbaum heisst, «sich für das Wirtepatent bemühte», legte er mit dem Betreiben der Speisewirtschaft Kloster wohl den Grundstein zur kulinarischen Affinität der Familie. Sein Grosssohn Jakob Schär (1873–1954) übernahm später das «Kloster». Dieses wurde bis Ende des vergangenen Jahres von der Familie Schär in der fünften Generation weitergeführt.
Ferdinand Hiltbrunner ist in der Säge in Eriswil aufgewachsen, die auch ein grosser Landwirtschaftsbetrieb war. Er wurde mitten in eine Wirte-Dynastie geboren. Drei Brüder der Mutter waren Wirte; einer in Holderbank, einer in Langenbruck und einer eben im «Kloster» in Eriswil. Die Grossmutter ihrerseits stammte vom damaligen Gasthof Alpen, der Grossvater – und zuvor schon der Urgrossvater – war Besitzer des Gasthofs Bären in Eriswil, die Mutter war eine Tochter der Wirtsleute im «Kloster».
Die Gastfreundschaft in der Familie Ferdinand Hiltbrunner Senior wurde auch in der Säge hochgehalten. Neben Landwirtschaft, Holzerei und Sägerei war Ferdinand Hiltbrunner Dragoner und führte mit seinen schönen Pferden auch Kutschenfahrten für kleinere und grössere Gesellschaften durch. «Die Mutter stand den ganzen Tag in der Küche», blickt Ferdinand Hiltbrunner Junior im Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» zurück.
In Haus, Hof und Sägerei herrschte reges Kommen und Gehen. Einer seiner Brüder trat später in die Fussstapfen des Vaters, bis die Sägerei aufgegeben wurde.
Ferdinand Junior erlernte Bäcker/Konditor und nach dem Militärdienst das Kochen, ging in jungen Jahren oft nach Hause, um in der Sägerei, beim Heuen oder bei anderen «Wärch» mitzuhelfen. Eigentlich hätte er «Bären-Wirt» in Eriswil werden sollen, der immer noch im Familienbesitz war. «Wirten ist der schönste Beruf, den es gibt», pflegte seine Mutter zu sagen. «Die Gäste kommen, essen und trinken, bezahlen bar, und wenn du es gut machst, singen sie dir noch etwas und sagen: ‹wir kommen ein andermal gerne wieder.›» Ihn aber zog es für viele Jahre in die Ferne. Mit seiner Frau Susy betrieb er unter anderem ein Hotel/Restaurant in Flims, später 25 Jahre lang das Restaurant Rössli in Zäziwil.
Dem Ehepaar mit den inzwischen erwachsenen zwei Kindern fehlte aber der Hotelbetrieb. So kauften sie den «Bären» in Sumiswald, betrieben wenige Jahre gemeinsam mit ihrem Sohn Stefan Hiltbrunner beide Betriebe gleichzeitig. Kurz nach der Übernahme des «Bären» in Sumiswald trat auch die Tochter Karin Hiltbrunner, die Konditorin/Confiseurin gelernt hatte, in den Betrieb ein.
Geselligkeit und Offenheit mit ins Leben genommen
Zurück zu «Frau Beromünster»: So wuchs also auch das Einzelkind Elisabeth Schnell (1930) in der Wirte-Dynastie auf, mitten in der Zürcher Grossstadt und immer noch mit einer starken Verbindung zu Eriswil, zum «Bärner Land» überhaupt.
Aus ihr sollte keine Wirtin werden, wenn auch sie die Geselligkeit und Offenheit der Wirte- und Hoteldyna-
stie Schär/Schnell mit ins Leben nahm. Nach der Handelsschule schaffte sie nach kleineren Rollen am Schauspielhaus Zürich und am Theater Luzern schnell den Durchbruch: 1954 spielte sie das «Annelisi» im Film «Ueli der Knecht».
«Nachtexpress»-Erfinderin
Im selben Jahr begann auch Elisabeth Schnells Radio-Karriere: Sie arbeitete als Ansagerin beim Radio Beromünster, erfand die Sendung «Nachtexpress» und war die erste Frau im Team der TV-Sendung «Reporter unterwegs». Beim Radio lernte Elisabeth Schnell Ueli Beck kennen, mit dem sie zeitlebens eng befreundet war. Die beiden moderierten zusammen den «Nachtexpress» und standen nebst vielem anderem für das «Radiocabarett» zusammen auf der Bühne. Am 18. April 2010 wurden beide mit dem «Ehren Prix Walo» ausgezeichnet.
Ihre Unabhängigkeit war Elisabeth Schnell stets wichtig. Sie blieb ledig. Ihre vielen Gottenkinder ersetzten ihr eigene Kinder. An ihnen hatte sie gros-se Freude.
So war Elisabeth Schnell auch Gotte von Ueli Becks jüngstem Sohn Dani Beck und, wie könnte es anders sein, von Anton Schär, dem Sohn ihrer Cousine im Gasthof Kloster in Eriswil.
Übrigens war es nicht «nur» der Göttibub, der Elisabeth Schnell nach Eriswil zog. Sie hatte auch einen guten Draht zum legendären Metzger und Kräuterdoktor Otto Mühle, mit welchem sie ebenfalls verwandt war. Ihre Grossmutter Sophie war die Schwester des bekannten Kräuterdoktors Ueli Zürcher aus Wasen. Bekanntlich hat Otto Mühle viel von seinem Wissen und von den Rezepten Ueli Zürcher aus Wasen, also von seinem Grossonkel, erhalten. Der Vater von Otto Mühles Frau Vreneli, Ulrich Schär, war der Bruder von Elisabeth Schnells Mutter. Elisabeth Schnell war also die Cousine von Vreneli Mühle-Schär.
Ruhig wurde es um die «Grande Dame des Radios» auch nach ihrer Frühpensionierung 1990 nicht. Noch mit 80 Jahren spielte sie im Stück «Huusfründe» und in der «Kleinen Niederdorfoper». Auch als Kolumnistin und Sprecherin war sie weiterhin aktiv.
Sie las Krimis, kochte gerne – mit unverkennbarem «Wirteblut» – und genoss in Lauenen im Berner Oberland, wo sie eine Ferienwohnung hatte, mit ihren Hunden die Ruhe der Natur. Noch vor wenigen Wochen gab sie in der Fernsehsendung «Glanz und Gloria» ein Interview anlässlich ihres 90. Geburtstags, den sie am 22. Januar feierte. Nach langer Krankheit verstummte ihre Stimme am vergangenen Wochenende in ihrem geliebten Lauenen für immer.
Von Liselotte Jost-Zürcher