• Bittere Pille: Das Stadttheater Langenthal muss beim Budget für das Jahr 2023 «Federn» lassen. · Bild: zvg

  • Stand bei der Budget-Debatte im Langenthaler Stadtrat auf verlorenem Posten: Gemeinderat Roberto Di Nino (SVP) versuchte vergeblich zu begründen, weshalb gewisse Einsparungen im Budget 2023 wenig Sinn machen. · Bild: Leroy Ryser

03.11.2022
Langenthal

Emotionales Tanz-Theater um das Budget

Fast fünf Stunden debattierte der Langenthaler Stadtrat beim zweiten Anlauf über das Budget 2023. Am Ende eines sehr emotionalen Abends setzte sich das bürgerliche Lager in sämtlichen Abstimmungen durch und bewirkte Kürzungen in der Höhe von

237 000 Franken. Vor allem die Streichung des Aufwandes beim Stadttheater in der Höhe von 70 000 Franken sorgte für heftige Wortgefechte, die im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Tanz-Theater führten (mehr dazu unten). Dennoch wird den Langenthaler Stimmberechtigten im Januar ein Budget 2023 vorgelegt, das immer noch ein Defizit von 4,9 Millionen Franken aufweist.

Nach der ersten Budget-Debatte im Stadtrat Ende August schickte das Parlament den Gemeinderat mit «Hausaufgaben» nach Hause. Dabei forderte der Stadtrat weitere Sparmassnahmen, insbesondere beim Stadttheater, dessen steigender Aufwand vielen bürgerlichen Stadträtinnen und Stadträten ein Dorn im Auge ist. Aber auch bei der Besoldungsreserve für den Teuerungsausgleich der Verwaltungsangestellten erschien der bürgerlichen Ratshälfte der budgetierte Betrag von 650 000 Franken als zu hoch.
Zwei Monate später trat Gemeinderat Roberto Di Nino (Ressort Finanzen) wieder vor die Ratsmitglieder, erneut mit den gleichen Budgetzahlen für das Jahr 2023, die ein Defizit von 5,137 Franken ausweisen. Unverändert ist einzig die vorgesehene Steuererhöhung von 1,38 auf 1,44 Einheiten. Di Nino versuchte zu begründen, weshalb der Gemeinderat die geforderten Sparmassnahmen im Budget nicht vornahm. Er wies darauf hin, dass vielfältige Einsparungen in allen beeinflussbaren Bereichen bereits vorgenommen worden seien. Zudem sei die Opfersymmetrie im vorliegenden Budget sichergestellt und erfüllt. Auch stellte Di Nino in Abrede, dass der Aufwand des Stadttheaters in den letzten Jahren gestiegen sei, was er mit Zahlen zu belegen versuchte. Die geplante Kürzung beim Stadttheater gefährde zudem die Einhaltung des Leistungsvertrages mit dem Kanton, der erhebliche finanzielle Mittel für die Kulturinstitution beisteuere.

Nur noch Weihnachtsessen «light»
Bei der geforderten Kürzung der Besoldungsreserve für die städtischen Angestellten wies Di Nino auf die aktuelle Teuerung hin, die bei 3,3 Prozent liegt. Der Gemeinderat habe deshalb in die Besoldungsreserve Mittel eingesetzt für einen Teuerungsausgleich von zwei Prozent sowie für individuelle Anpassungen von einem Prozent. Das ergibt gemäss dem Gemeinderat eine Besoldungsreserve von exakt 645 000 Franken. Doch die bürgerliche Ratsseite zeigte sich von Di Ninos Ausführungen unbeeindruckt und machte klar, dass man im Budget die geforderten Einsparungen vornehmen will.
Konkret forderten die bürgerlichen Stadträtinnen und Stadträte, für das geplante Weihnachtsessen 2023 der Behördenvertreter nur noch 3000 Franken statt wie bisher 10 000 Franken zu budgetieren; beim Aufwand für das Stadttheater insgesamt 70 000 Fran-ken einzusparen (35 000 Franken bei den Gastspielen; 10 000 bei der Wer-bung und dem Büromaterial, 20 000 bei der Besoldung des Personals und damit auch 10 000 bei den Sozialleistungen); 90 000 Franken bei Dienstleistungen Dritter (Aufschieben des SIP-Projekts um mindestens ein Jahr) und 70 000 Franken bei der Besoldungsreserve, was gesamthaft Einsparungen von 237 000 Franken ergibt.
Dieses Vorhaben stiess natürlich bei den «linken» Ratsvertreterinnen und -vertretern auf grossen Widerstand. «Wir geben in Langenthal nicht zu viel Geld aus, wir nehmen ganz einfach viel zu wenig Geld ein», entgegnete beispielsweise Roland Loser (SP), der die Sparübung der Bürgerlichen als reine «Pflästerli-Politik» bezeichnete. Er machte zudem klar, dass ihm das jährlich wiederkehrende «Gejammer» der Bürgerlichen über die angeblich schlechte Finanzlage der Stadt auf die Nerven gehe. «Dies hat zur Folge, dass nötige Investitionen immer wieder hinausgeschoben werden, dabei sollte uns eine schöne Stadt auch etwas wert sein», kritisierte er.

Freudiger «droht» mit Schuldenbremse
Patrick Freudiger (SVP) wollte diese Vorwürfe nicht gelten lassen und erwähnte, dass in den letzten Jahren in Langenthal viel investiert worden sei. Er wies auf die Sanierung der Schulhäuser oder den geplanten Bahnhof-Umbau hin, der im Januar 2023 starten wird. Vielmehr war Freudiger der Meinung, dass es an der Zeit sei, eine Kurskorrektur vorzunehmen. Dabei seien Kürzungen im Budget nur eine erste Massnahme, er stellte in Aussicht, die Einführung einer Schuldenbremse zu beantragen, ein entsprechender Vorstoss werde eingereicht.
Robert Haas (SVP) wiederum störte sich daran, dass die linke Ratsseite keinerlei Bereitschaft zum Sparen, ja nicht einmal für einen Kompromiss signalisiere. Roland Loser antwortete ihm, dass es in der aktuellen Lage ein komplett falsches Signal sei, bei der Besoldungsreserve, also beim städtischen Personal, zu sparen. Nathalie Scheibli (SP) pflichtete ihm bei und mahnte den Rat, dass man bei dieser «Übung» auch daran denken solle, dass es um die Visitenkarte der Stadt gehe. «Attraktive Löhne sind eine Visitenkarte für die Stadt, aber klar, es geht auch mit weniger Lohn, dafür dürfen wir dann nicht jammern, wenn Personal fehlt und die eingereichten Baugesuche wieder einmal lange liegen bleiben», erteilte sie dem bürgerlichen Lager einen Seitenhieb.

Ein Theater um das Stadttheater
Saima Sägesser wiederum kritisierte die Kürzung von 90 000 Franken bei den Dienstleistungen Dritter oder das Aufschieben des Projektes SIP (für mehr Sicherheit und Sauberkeit im öffentlichen Raum, kombiniert mit auf-suchender Sozialarbeit) und wies da-rauf hin, dass der Rat dieses Projekt auf einen Vorstoss hin wieder aufgenommen habe. «Wir alle wollen ein gutes und sicheres Leben im öffentlichen Raum», betonte sie. Gemeinderat Roberto Di Nino (SVP) leistete ihr ungewohnte Schützenhilfe und meinte an die bürgerliche Seite gerichtet, dass man damals eine kostengünstigere Variante abgelehnt und sich für die Wiedereinführung von SIP entschieden habe.
Aber richtig heftig wurde es dann, als es um die Kürzung von 70 000 Franken beim Aufwand für das Stadttheater ging. Roland Loser zeigte sich richtig verärgert: «Wir bringen es in dieser Stadt doch immer wieder fertig, unseren Leuchttürmen wie dem Stadttheater oder dem SC Langenthal, dicke Knüppel zwischen die Beine zu werfen.» Patrick Freudiger konnte den Ärger nicht verstehen und machte klar: «Es soll mir doch niemand sagen, dass man bei einem solchen Betrieb nicht 70 000 Franken einsparen kann.» Und Pascal Dietrich wusste auch schon wo: «Im Programm für die Saison 2022/23 sind sage und schreibe elf Tanzveranstaltungen vorgesehen. In gewissen Bereichen wird da schlicht überbordet. Da kann doch niemand ernsthaft behaupten, beim Stadttheater sei die Zitrone ausgepresst.»

Bürgerliche unbeeindruckt
Diese Aussage brachte dann Saima Sägesser vollends auf die Palme. «Es ist schlicht unglaublich, was hier veranstaltet wird. Wenn man beim Aufwand kürzt, bedeutet dies, dass in der Regel auch die Einnahmen zurückgehen. Was hier betrieben wird, grenzt an Sabotage, zudem riskieren wir die Kündigung des Leistungsvertrages mit dem Kanton Bern. Das alles macht einfach keinen Sinn und ist haarsträubend.» Georg Cap (Grüne) zeigte sich ebenfalls leicht «angesäuert»: Ich komme mir tatsächlich wie im Stadttheater vor, während eines Trauerspiels. Was wir hier sehen, sind einzelne Personen, die sich mit ellenlangen Reden selber beweihräuchern. Dabei betreiben sie bloss Symbolpolitik auf dem Buckel der Kultur. Damit wird aber kein Budget gerettet.» Und auch Paul Bayard (SP) «feuerte» noch eine Breitseite in Richtung bürgerliches Lager ab: «Ich bin ja nun schon lange dabei, aber was ich hier erlebe, ‹isch öppis vom Strübschte›, was ich je in der Politik gesehen habe.»
Auch SVP-Gemeinderätin Helena Mor-genthaler (Ressort Kultur und Sport) richtete einen Appell an die bürgerlichen Stadträtinnen und Stadträte. Sie wies darauf hin, dass die Gastspielverträge für nächstes Jahr praktisch alle abgeschlossen seien. Mit der Kürzung gefährde man nicht nur den Leistungsvertrag mit dem Kanton, sondern man werde für die Regierung auch zu einem unsicheren Partner, was dem Ansehen der Stadt schade. Doch es half alles nichts, die Bürgerlichen liessen sich nicht von ihrem eingeschlagenen Weg abbringen und setzten sich bei allen Anträgen durch, zuweilen knapp, aber immer wieder mit Hilfe aus dem Lager der EVP oder der glp. Damit wird den Langenthalern im Januar ein Budget 2023 mit einem Defizit von noch 4,9 Millionen Franken und einer Steuererhöhung von 1,38 auf 1,44 Einheiten zur Abstimmung vorgelegt. Man darf gespannt sein, ob die Stimmberechtigten einerseits die Steuererhöhung goutieren und andererseits die Sparbemühungen anerkennen werden.

Von Walter Ryser