• Markus Höfler: «Bücher und gedruckte Zeitungen werden noch länger Bestand haben.» · Bild: Leroy Ryser

28.06.2019
Huttwil

«Es freut mich, dass der ‹Unter-Emmentaler› immer noch selbständig ist».

Mit der heutigen Ausgabe verabschiedet sich Markus Höfler vom «Unter-Emmentaler». Während den letzten 17 Jahren war er in diversen Funktionen, zuletzt als Redaktionsleiter, für die Lokalzeitung tätig. Zuvor war er als Besitzer eines Reisebüros in Sevilla (Spanien) in der Tourismusbranche aktiv. Der Eriswiler hat den extremen Wandel in der Reise- und Medienbranche hautnah miterlebt und kann deshalb viel erzählen.

Walter Ryser im Gespräch mit Markus Höfler, Redaktionsleiter «Unter-Emmentaler»

Markus Höfler, Sie haben Ihre letzte Ausgabe der Lokalzeitung «Unter-Emmentaler» produziert und gehen in Pension. Wie fühlt sich das an?
Ich verabschiede mich mit gemischten Gefühlen. Eigentlich hatte ich 48 Jahre lang Zeit, mich auf diesen Moment vorzubereiten. Dabei ist mir hin und wieder durch den Kopf gegangen: Schön, wenn ich endlich machen kann, was ich will und nicht mehr fremdbestimmt bin. Doch je näher die Pension rückte, desto mehr ergriff mich auch etwas Wehmut, weil ich mir bewusst wurde, dass ich bald nicht mehr jeden Tag zur Arbeit gehen werde. Ja, ich gebe zu, dass ich mir da doch schon so einige Gedanken gemacht habe.

Welche Gedanken haben Sie denn beschäftigt?
Plötzlich realisiert man, dass man nicht mehr gebraucht wird. Aber auch die Tatsache, dass nun unweigerlich der letzte Abschnitt im Leben beginnt, verursacht ein spezielles Gefühl. Gleichzeitig bin ich mir aber auch bewusst, dass man sich anderweitig nützlich machen und dass man den Familien- und Freundeskreis und seine Hobbys intensiver pflegen kann als bisher.

Sie waren 17 Jahre lang in diversen Funktionen, zuletzt als Redaktionsleiter, für die Lokalzeitung tätig. In diese Zeit wurde die Medienbranche von einem epochalen Wandel erfasst. Wie haben Sie diesen Wandel beim «UE» miterlebt?
Obwohl wir eine kleine Lokalzeitung sind, hat sich dieser Wandel auch bei uns bemerkbar gemacht, und es hat sich beim «UE» die letzten Jahre so einiges getan. Vor sieben Jahren beispielsweise erhielt die Zeitung ein komplett neues Layout. Das bisherige Erscheinungsbild war mittlerweile etwas altbacken. Seither kommt der «UE» frischer, moderner daher. In den letzten Jahren haben wir zudem erste Schritte Richtung Digitalisierung unternommen. Es wurde eine neue Webseite aufgeschaltet, und der «UE» ist auch auf Facebook präsent. Der wohl wichtigste Schritt war jedoch die Gebietserweiterung Richtung Langenthal. Dass der «UE» seine Berichterstattung auf das untere Langetental ausgeweitet hat, tat der Lokalzeitung zweifellos gut.

Das war bestimmt ein Wagnis, wenn man weiss, dass Langenthal über Jahrzehnte eine eigene Lokalzeitung hatte?
In der Tat, doch in den letzten zwei Jahren haben wir deutlich zu spüren bekommen, dass man im Raum Langenthal beginnt, den «UE» zu entde-­
cken, und das Gewerbe in dieser Region hat realisiert, welches Kundenpozential in der Region Huttwil sowie dem Luzerner Hinterland steckt. Deshalb nutzen immer mehr Unternehmen aus dem Raum Langenthal den «UE» als neue Werbeplattform, über die sie versuchen, ein bislang vernachlässigtes Kundensegment anzusprechen. Was mich aber besonders freut ist die Tatsache, dass der «UE» auch bei meinem Abschied noch selbständig ist, nachdem im Jahr 2003 Gedanken vorhanden waren, die Lokalzeitung in eine grössere Tageszeitung zu integrieren, weil man befürchtete, dass der «UE» sonst keine Zukunft hätte. Das hat sich Gott sei Dank nicht bewahrheitet.

Was hat Sie an Ihrer Aufgabe fasziniert, was werden Sie vermissen?
Die Zusammenarbeit mit dem Redaktionsteam, aber auch den Kontakt mit unseren Korrespondenten habe ich immer sehr geschätzt. Die Einsatzplanung für unsere Korrespondenten, aber auch die gesamte Organisation des Zeitungsbetriebes haben mir gefallen. Meine Arbeit war kaum mit negativen Aspekten behaftet, abgesehen vielleicht von einigen erbosten Reaktionen von Lesern, doch diese hielten sich über all die Jahre in ganz engen Grenzen.

Sie sind erst spät ins Medienbusiness eingestiegen und waren zuvor in der Tourismusbranche tätig. Erzählen Sie uns doch, was Sie hier erlebt haben, und weshalb Sie dieser Branche mit fast 50 Jahren den Rücken gekehrt haben?
Ja, mit dem Medienbusiness kam ich erst spät in meinem Leben in Berührung. Meine Heimat war während mehr als 30 Jahren die Reisebranche. Ich bin in Brunnen aufgewachsen und später, nach dem frühen Tod meiner Eltern, bei meinem Götti und meiner Tante in Zug. Hier habe ich auf einem Reisebüro eine kaufmännische Lehre absolviert. In diesem Reisebüro habe ich auch meine spätere Frau kennengelernt. Mit ihr ging ich 1977 nach Spanien, wo wir einen dreimonatigen Sprachaufenthalt absolvieren wollten. Daraus sind dann 25 Jahre geworden. Denn nach unserem Sprachaufenthalt haben wir vorerst zwei Jahre an der Costa Brava in einem Reisebüro gearbeitet. Weil uns aber Andalusien stets fasziniert hat, wollten wir auch diese Region noch kennenlernen. Durch ein befreundets Reisebüro erhielten wir die Chance, in Sevilla zu arbeiten.

Hier sind Sie dann mit Ihrer Frau sesshaft geworden?
Ja, genau, denn 1982 stellten wir uns die Frage, ob wir in Spanien bleiben oder in die Schweiz zurückkehren sollten. Wir haben eine Liste mit Plus- und Minuspunkten gemacht, die am Ende zugunsten von Spanien ausfiel. Wir haben zusammen mit spanischen Freunden entschieden, ein Reisebüro zu gründen, welches sich dann prächtig entwickelt hat. Meine Frau und ich haben dann auch ein Haus gebaut. Ein besonderer Aspekt während unserer Zeit in Spanien war, dass ich von 1990 bis 1993 die Schweiz als Konsul in Sevilla vertreten durfte. Die Ernennungsurkunde unterzeichnete der damalige Bundesrat René Felber. Während der Expo92 in Sevilla führten wir eine Konsular-Agentur.

Aber dennoch haben Sie Spanien den Rücken gekehrt?
Im Jahr 2001 haben wir unsere Anteile verkauft. Die Zeit in Sevilla, mit dem Reisebüro, war äusserst anspruchsvoll und intensiv, vor allem im Bereich Kongresse, Seminare, und Incentive-Reisen. Zudem hat das Aufkommen des Internets unser Geschäftsleben zusehends erschwert. Es war quasi der letztmögliche Zeitpunkt, um in die Schweiz zurückzukehren und hier noch einmal Fuss zu fassen. Dennoch kamen wir zwar mit Mut, aber auch mit gemischten Gefühlen zurück, weil wir seit 25 Jahren, ausser ab und zu in den Ferien, nicht mehr in der Schweiz waren. Wir waren uns bewusst, dass es nicht einfach werden würde, in unserem Alter, gegen Fünfzig, einen Neuanfang zu lancieren und gleichzeitig einen Berufswechsel anzustreben.

Wie kam das Engagement beim «UE» überhaupt zustande?
Das ist eine äusserst lustige Geschichte. An einem Sonntagabend klingelte bei uns das Telefon. Der damalige Geschäftsführer der Druckerei Schürch in Huttwil, Andreas Meyer, rief an und erzählte mir, dass er meine Telefonnummer vom Arbeitsvermittlungsamt erhalten habe. Er sagte mir, dass er auf der Suche nach einem Teilzeit-Korrektor sei, und ob ich Interesse an dieser Tätigkeit hätte. Ich sagte ihm, dass mich das Interesse freue, und ich mir ein solches Engagement gerne überlegen würde. Doch Andreas Meyer machte mir sogleich klar, dass keine Zeit für Überlegungen zur Verfügung stehe, denn er brauche mich morgen früh. Danach hatte ich eine relativ unruhige Nacht. In der Folge wurde ich bei der Druckerei Schürch schrittweise in die Redaktion des «Unter-Emmentaler» integriert, und im Jahr 2006 habe ich dann die Leitung der Redaktion übernommen.

Während Ihrer 17-jährigen Tätigkeit bei der Lokalzeitung hat der «UE» dem Wandel in der Medienbranche getrotzt und bislang überlebt. Was ist Ihrer Meinung nach ausschlaggebend, dass der «UE» den jährlichen Wegfall von Abonnenten durch Wegzug, Todesfall oder Krankheit bislang stets durch entsprechende Neuabonnenten kompensieren konnte?
Ich glaube, dass die Lokalzeitung in dieser Region sehr gut verankert ist. Auch stellen wir fest, dass auch immer wieder jüngere Leute zum «UE» greifen, vor allem auch wegen der ausführlichen Sportberichterstattung. Auch die Gebietserweiterung hat dazu beigetragen. Doch das Halten der Abo- und Inserateumsätze bleibt eine permanente Herausforderung. Aber die Anstrengungen der letzten Jahre zeigen Wirkung, so verzeichnen wir im ersten Halbjahr 2019 äusserst erfreuliche Zahlen. Wenn den Leuten in dieser Region der «UE» am Herzen liegt, dann sollten sie ihn abonnieren. Das entspricht dem genau gleichen Prinzip wie beim Dorfladen: Wenn man ihn schätzt und erhalten will, dann sollte man auch hier einkaufen.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie der Zukunft des «Unter-Emmentaler» entgegen?
Ich bin überzeugt, dass Bücher, aber auch gedruckte Zeitungen, noch länger Bestand haben werden. Wir stellen beispielsweise fest, dass in Amerika Zeitungen, die vor Jahren vom Markt verschwanden und nur noch online erschienen, plötzlich wieder in gedruckter Form vorhanden sind, beispielsweise die «Newsweek». Zeitungen werden vermutlich vermehrt zu Nischenprodukten, die sich künftig noch viel stärker nach den Bedürfnissen ihrer Kunden richten müssen. Ein gedrucktes, kultiviertes Wort, das klar über Instagram- und Twitter-Niveau hinausgeht, wird einen hohen Stellenwert behalten, davon bin ich absolut überzeugt.

Sie werden künftig viel Zeit zum Lesen haben. Welche Lektüren werden es sein?
Gerne lese ich Biografien und Bücher zu geschichtlichen und politischen Themen. Selbstverständlich lese ich auch täglich mit grossem Genuss Zeitungen und Zeitschriften.

Als ehemaliger Tourismusfachmann wird Reisen bei Ihnen sicher ein wichtiges Thema sein?
Oh, ja, ganz sicher. Hier wird vor allem die Schweiz im Vordergrund stehen, aber auch europäische Länder, weniger jedoch Fernreisen, solche durfte und habe ich während meiner Zeit in der Reisebürobranche zahlreich absolviert. Meine Frau und ich möchten vor allem unsere Heimat besser kennenlernen, am liebsten natürlich verbunden mit einem guten Glas Wein und einem guten Essen.

Mit was werden Sie sich daneben beschäftigen?
Ich habe noch keinen genauen Plan, was ich tun werde, aber ich weiss, dass ich einen benötige, weil ich mir bewusst bin, dass man auch im Alter über eine Tagesstruktur verfügen sollte. Ich könnte mir beispielsweise vorstellen, in einem sozialen Bereich Freiwilligenarbeit zu verrichten, aber ich werde es mit Ruhe angehen.

Verlag und Redaktion des «Unter-Emmentaler» sowie die gesamte Belegschaft der Druckerei Schürch bedanken sich bei Ihnen für das grosse Engagement und die gute Zusammenarbeit in den letzten 17 Jahren. Mit welcher Botschaft verabschieden Sie sich vom «UE»?
In erster Linie danke ich unseren Lesern für die Treue zur Lokalzeitung, aber auch unseren Korrespondenten, die seit vielen Jahren trotz einer geringen Entschädigung für den «UE» tätig sind. Ohne ihr Engagement könnten wir die Lokalzeitung gar nicht mehr herausgeben. Ein weiterer Dank gilt natürlich dem Redaktionsteam, das sich all die Jahre mit unglaublich viel Herzblut für den «UE» eingesetzt hat und weiter einsetzen wird. Ich danke auch der Geschäftsleitung und der Inhaberfamilie, die den «UE» und das gesamte Redaktionsteam stets gestützt haben.