Faszination für Stahl und Feuer
Den Huttwiler Schmied Reto Zürcher fasziniert das Formen von Stahl und das Arbeiten mit den Händen. Sein Beruf ist rund 3000 Jahre alt. Das Handwerk an sich ist heute noch dasselbe wie damals, verändert haben sich hingegen das Material und die Hilfsmittel.
Huttwil · Beim Eintreten in die Schmiede weht einem dieser unverkennbare Duft entgegen. Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht. Darauf angesprochen meint der Huttwiler Schmied Reto Zürcher: «Viele Menschen sagen mir, dieser Duft wecke Kindheitserinnerungen und etwas Heimeliges in ihnen.» Schon als kleiner Junge habe er Pferde geritten, und als jeweils der Hufschmied vorbei kam, stand er fasziniert daneben, schaute zu und beobachtete genau. Sein beruflicher Weg war somit «geschmiedet». Zwar hatte er auch noch in andere Berufe reingeschnuppert, aber der des Schmiedes war einfach der, der gepasst hat. «Beruflich gesehen habe ich einen Lottosechser getroffen», bekräftigt Reto Zürcher seine damalige Berufswahl.
Eigene Schmiede
Mit 16 Jahren begann er die Lehre als Schmied-Hufschmied, in welcher auch die Hufschmiede-Rekrutenschule mit inbegriffen war. Nach beendeter Ausbildung war er bei verschiedenen fahrenden Hufschmieden, Schmieden und Schlossern tätig. Eine schöne Zeit, jedoch arbeitete er in dieser Zeit als Angestellter nicht mehr am Feuer. 2002 lernte er Ernst Joss aus Huttwil kennen, der auf der Suche nach einem Nachfolger für seine seit vier Generationen bestehende Dorfschmiede war. Reto Zürcher hatte schon lange den Wunsch, sein eigenes Geschäft zu führen. Die Werkstatt in Huttwil faszinierte ihn, und so übernahm er die 1904 erbaute Schmiede. Und konnte sich somit auch seinen Wunsch erfüllen: Zurück ans Feuer.
«Vorwiegend wurden bei Ernst Joss Pferde beschlagen und Wagen gebaut, Kunstschmiedearbeiten und Reparaturen ausgeführt. Es war und ist eine sehr grosse Freude für mich, in diesem Ambiente weiter schmieden zu dürfen», erzählt Reto Zürcher.
Faszination Stahl
«Das Faszinierende am Beruf Schmied ist das Formen von Stahl. Das Arbeiten mit den Händen. Ein Stück Stahl verteilen wir so, bis wir haben, was wir wollen. Die Kreativität kann so ausgelebt werden», sagt Reto Zürcher. Dazu komme, dass das, was sie herstellen würden, auch gebraucht werden könne. «Ein Schwert ist für mich etwas sehr schönes und es ist auch brauchbar», schwärmt der Schmied.
Zu seinen Kunden gehören zum Beispiel die SBB, aber auch andere, kleinere Firmen. Und natürlich auch viele Private. «Ich mache das, was die Industrie nicht macht», erzählt er. Also Objekte in Kleinserien und Einzelanfertigungen. «Von Werkzeugen wie einem Beil, einer Axt und Blankwaffen, über Küchenmesser zu Replikaten für Museen und Einzelanfertigungen, die ein Gamer bestellt.
Ein Gamer? «Ja, es gibt Gamer, die ein spezielles Werkzeug, welches in ihren Lieblings-Games vorkommt, in Echt haben wollen», erklärt er. Momentan stellt er in einer Kleinmenge Gartenwerkzeuge her. «Ja, mein Werkzeug ist etwas teurer, aber es amortisiert sich – das geschmiedete «Schüfeli oder Hackeli» hält ein Leben lang», erklärt er. Hat er noch andere Ideen, was er herstellen könnte? Lachend sagt er: «Ich müsste 150 Jahre alt werden, um alle meine Ideen umsetzen zu können.»
Der Schmied hat genug Arbeit
«Wir Schmiede haben alle Arbeit. Ich kenne keinen, der keine hat», erklärt Reto Zürcher. «Ich habe Waffenschmied eigentlich als Hobby gemacht und nun ist es 50 Prozent meiner Arbeit. Das hatte ich so nicht erwartet. Es freut mich aber sehr, denn das mache ich am liebsten», sagt er strahlend. Ein zusätzlicher Bestandteil seiner Arbeit ist der Hufbeschlag. Rund 100 Pferde hat er zu beschlagen, die Hufeisen dazu stellt er nicht mehr selber her. «Das rechnet sich heute nicht mehr», erklärt er. Was nicht heisst, dass er es nicht gelernt hätte. Rund 15 Minuten braucht er, um eines zu schmieden. «Ich habe früher auch an Hufschmiede-Wettkämpfen mitgemacht und dabei auch ab und an die Goldmedaille gewonnen», erzählt er. Der Hufbeschlag macht rund 40 Prozent seiner Arbeit aus. «Ich mag die Arbeit mit den Pferden sehr und es ist ein wichtiger und schöner Teil meiner Arbeiten», schwärmt er. Kunstschmiede-Produkte stellt er auch her: Kerzenständer, Spiegelrahmen, Blumenkistenkörbe, Wandbilder. «Die Kunden haben meistens genaue Vorstellungen, und nach denen stelle ich dann ihr Wunschprodukt her», erklärt Reto Zürcher.
Handwarm bei 450 Grad
Was ist Feuerschweissen? Dabei werden verschiedene Teile zusammengeschweisst. Aber eben im Feuer bei 1280 Grad. «Das ist ganz knapp, bevor der Stahl kaputt geht», erklärt Reto Zürcher. «Wir prüfen das schon nicht von Hand, das haben wir mit der Zeit im Gefühl. Bei rund 450 Grad sprechen wir von ‹handwarm›», lacht er. Natürlich wird zwischendurch geschmiedet und dann wieder erhitzt. «Das wird den heutigen Lernenden leider nicht mehr beigebracht – das ist schade. Denn ein feuergeschweisstes Stück hält viel besser als ein industriell geschweisstes», erklärt er weiter. Faszinierend sei für ihn auch der Damaszener Stahl. «Wenn man den Stahl schmiedet, zum Beispiel für ein Schwert, ergibt sich ein wunderschönes Muster», sagt er. Um ein Schwert herzustellen brauche es mindestens 16 Stunden. In ein sehr aufwendiges Schwert hat er sogar schon 145 Stunden investiert.
Gerne besucht er auch Mittelalter-Märkte. «Da hat man Zeit zum Reden und Erzählen», sagt er erfreut. Und der eine oder andere Kunde, der eine Einzelanfertigung möchte, könne hier gewonnen werden.
Streichelzoo
Wenn der Schmied nicht gerade am Schmieden ist, geht er gerne reiten oder fährt mit der Kutsche. Mit seinem Burgdorfer Pferd holt er einmal pro Monat Holz aus dem Wald. «Es ist wunderbar, mit dem Pferd zu arbeiten, zu sehen, wie es mithilft und arbeiten will», erzählt er begeistert. Auch der Schwertkampf gehört zu seinem Leben. Zusammen mit seiner Frau Judith Haas führt er einen Streichelzoo, wie er es nennt. «Wir haben Esel, Ziegen, Hunde, Katzen und Hühner.»
Ihr gemeinsamer Sohn Laurin ist 13 Jahre alt. Jeweils über Weihnachten und Neujahr plant Reto Zürcher mit ihm ein Projekt. Dann wird geschmiedet, was das Zeug hält. Ob mit Laurin ein zukünftiger Schmied heranwächst? «Es könnte sein, ja. Jedenfalls träumt er davon, in meine Fussstapfen zu treten», sagt Reto Zürcher sichtlich stolz.
Der Beruf Schmied
Als Reto Zürcher die Lehre als Schmied-Hufschmied absolvierte, beinhaltete das Handwerk alles rund um den Schmied.
Heute gibt es verschiedene Berufe in der Kategorie Schmied. Beim Hufschmied wird das Beschlagen der Pferde erlernt. «Das ist ein Beruf mit Zukunft», weiss Reto Zürcher. «In den letzten zehn Jahren hat der Pferdebestand um 30 Prozent zugenommen. Diese Pferde müssen beschlagen werden», erzählt er. Doch leider erlernen pro Jahr nur rund 20 Personen den Beruf. Der Schmied und Kunstschmied stellt Geländer und Kunstschmiede-Artikel her. «Da werden pro Jahr rund 15 Lernende ausgebildet», erzählt er. «Der ‹normale› Schmied führt unter anderem viele Arbeiten für die Denkmalpflege aus. Historische Häuser müssen erhalten werden», erzählt er weiter.
Die 15 Lernenden sind für die Zukunft nicht ausreichend, meint der 44-Jährige. Gerade mal eine Lehrstelle pro Jahr kann beim Messer- und Industrieschmied vergeben werden. Ein Messerschmied stellt Messer her und schleift zum Beispiel ein Skalpell – das kann sonst niemand. Ein Industrieschmied stellt zum Beispiel ein Rad von einer Lokomotive her.
Ein solches Rad muss geschmiedet werden und kann nicht industriell hergestellt werden. Mit dem Erhitzen und Schmieden wird es verdichtet, ansonsten würde es das Gewicht der Lokomotive nicht aushalten. «In rund zehn Jahren werden wir zu wenige Schmiede im Bereich Schmied, Hufschmied, Messer- und Industrieschmiede haben», ist er sich sicher.
Neue Weltrekordhalterin aus Huttwil
Ein europäisches Anderthalbhandschwert, geschmiedet von Reto Zürcher, hat zu einem neuen Weltrekord geführt: In rund 70 Arbeitsstunden schmiedete der gelernten Schmied-Hufschmied die wurmbunte Damastklinge. Mit dem als «Braida» benannten Schwert holte sich Alex Gueffroy aus Rüedisbach den neuen Weltrekord. In der Disziplin, die meisten Schnitte durch Tatami Omote (Matte aus Igusa Gras), in einer Minute mit einem einhändig geführten Schwert, brach er den Weltrekord von bislang 25 mit sagenhaften 71 Schnitten. Dieser Rekord entspricht fast einer Verdreifachung. «Ich bin sehr zufrieden mit dem Resultat, auch wenn mich einige Fehlschnitte während dem Rekordversuch etwas wurmen. Aber so bleibt immerhin noch Luft nach oben», schmunzelt Alex Gueffroy. Und dies ist das neuartige unter den bestehenden Weltrekorden. «Alle anderen Rekorde wurden mit Japanischen Klingen bewältigt, was auch Sinn macht, da es sehr gute Schwerter sind. Unserer wurde mit einer geraden, europäischen Klinge getoppt, Made in Switzerland- Emmental», erklärt Reto Zürcher stolz. Die ganze Trainings- und Vorbereitungszeit dauerte über 9 Monate, die sich gelohnt haben, wie die beiden finden: «Es freut uns sehr, mit unserer gemeinsamen, doch nicht alltäglichen Leidenschaft, eine solche Marke gesetzt zu haben.» Der Weltrekord kann unter www.waffenschmiede.ch/Weltrekord, angeschaut werden.
Von Marianne Ruch