Finanzanalyst Eichenberger in Siegeslaune
Seit zwölf Jahren organisiert die Chartered Financial Analyst Gesellschaft (CFA), der globale Berufsverband von Investmentmanagern, jährlich die CFA-Challenge. In diesem Wettbewerb treten weltweit über 6400 Studierende gegeneinander an. Die Schweizer Vorausscheidung gewann erstmals ein Team der Universität Bern, mit dabei Daniel Eichenberger aus Melchnau.
Melchnau/Bern · Vergangenen Herbst stiess Daniel Eichenberger, der zurzeit seinen Master in Betriebswirtschaft an der Universität Bern absolviert, im Uni-Netz auf eine Wettbewerbsausschreibung: «Prof. Dr. Philip Valta suchte Studierende, die erstmals die Universität Bern an der renommierten, internationalen CFA-Challenge vertreten würden.» Gemeinsam mit seinen Mitstudierenden Rahel Zbinden, Joel Rathgeb und Colin Simmler, welche er bisher nur flüchtig kannte, meldete sich Daniel Eichenberger für den Wettbewerb an.
Weil die Universität Bern zum ersten Mal überhaupt an der Challenge teilnahm, besuchten die vier einen Online-Kurs der Universität Lausanne, welcher zur Vorbereitung auf die Challenge diente. Die Universität Lausanne dominierte bisher den Wettbewerb und stellte die letztjährigen Schweizer Sieger, der Assistent des Kurses gewann 2018 den Weltmeistertitel. Entsprechend konnten die vier Berner Studierenden von den Lausanner Erfahrungen profitieren und diese in ihrer Arbeit aufnehmen.
Analyse einer Tech-Firma
Die Teams von zwölf Schweizer Hochschulen untersuchten das Schweizer Software-Unternehmen Temenos aus Genf, welches Software für Banken, bspw. für E-Banking, anbietet. Jedes Team hatte die Aufgabe, den Aktienkurs des Unternehmens für ein Jahr später (2021) zu prognostizieren und entsprechend eine Kaufs- oder Verkaufsempfehlung für die Aktien abzugeben. Das Team der Universität Bern investierte um die zweitausend Arbeitsstunden, um unter anderem die Jahreszahlen, Berichte und Geschäftsentwicklungen des Unternehmens zu prüfen, das Marktumfeld zu analysieren und letztendlich eine Präsentation vorzubereiten. «Mitte Februar präsentierten wir unsere Prognose per Zoom», erzählt der Melchnauer gegenüber dem «Unter-Emmentaler», «und konnten die Jury mit unserer Prognose und Argumentation überzeugen.» Das Berner Team setzte sich gegen die 31 anderen Finanzanalysten durch.
Lausanne geschlagen – bald Weltmeister?
«Wir stiegen als Underdogs in den Wettbewerb ein, jetzt wollen wir unbedingt weiterkommen», fasst der 24-jährige Student zusammen. Denn: Bisher galt die Regel, dass das Team, welches die Lausanner Studenten schlagen konnte, Weltmeister wurde, was den Bernern bereits im nationalen Wettbewerb gelang. Entsprechend wächst der Druck auf das Team. Inzwischen haben die «Berner» tatsächlich auch die Stufe «Westeuropa» überstanden und sich neben Deutschland für das «EMEA Regional Semifinal» qualifiziert. Somit treten die Berner am 13. April wieder live auf Zoom im «Halbfinale» gegen die anderen Gewinner der Region Mittlerer Osten-Afrika-Europa an. Dies sind die BI Norwegian Business School, Kuwait University, Kyiv School of Economics und University of Macedonia (die sich in Griechenland befindet) an. Das EMEA Regional Final und das Global Final wären dann allenfalls in der Woche darauf.
Das globale Finale, welches normalerweise in der Finanzmetropole New York ausgetragen wird, findet pandemiebedingt ebenfalls virtuell statt. Damit ändern sich die Bedingungen im Vergleich zu den Vorjahren: Die Präsentation muss als Video eingereicht werden und der Frageteil durch die Jurys entfällt. «Entsprechend viel Zeit investieren wir in ein fehlerfreies und technisch einwandfreies Video», erklärt Daniel Eichenberger. Im Halbfinale und dem Finale müsste das Team dann per Videokonferenz ihre Resultate präsentieren.
Praxis und Netzwerk
Ob die Berner sich bald «beste Nachwuchsanalysten der Welt» nennen können, steht noch in den Sternen. Und dennoch ist die Teilnahme für die Studierenden ein Gewinn, ist Daniel Eichenberger überzeugt: «In keinem anderen Kurs der Universität konnten wir so viel Praxiserfahrung sammeln wie hier.» Ausserdem könne er durch den Wettbewerb sein Netzwerk bereits ausbauen: «Die Hauptsponsorin Credit-Suisse präsentierte uns persönlich ihre Ausbildungsprogramme für BWL-Absolventen», schmunzelt Daniel Eichenberger. Ob er, der im Winter 21/22 sein Studium abschliessen wird, dann bei einer Grossbank arbeiten will, hat er noch nicht entschieden. Vorerst investiert er seine Zeit in den Feinschliff um den Wettbewerbssieg.
Von Patrik Baumann