Finnische Power bei Langenthals Damen
Mari Tervala, SC Langenthal Damen – Bei den Damen des SC Langenthal spielen mit Maria Hauhla, Mari Tervala und Milka Oksman drei finnische Frauen Eishockey. Mari Tervala, ehemalige U18-Nationalspielerin, absolviert während dieser Saison ein Au-Pair-Jahr in Rohrbach und sorgt daneben auf dem Eis für Furore. Sie gehört bei den Damen zu den besten Skorerinnen und will nun bei dem Ziel Titelverteidigung mithelfen.
Eishockey · Mit der Nummer 15 greift bei den SCL-Damen ein Wirbelwind an. Ihr Spielstil ist offensiv, physisch gehört sie zu den Besten des Teams. Mit einem guten Schuss, viel Kraft und Tempo überzeugt sie, wenig überraschend war sie neben der Huttwilerin Vanessa Kleeb in der vergangenen Qualifikation die beste Skorerin ihres Teams. «Ich bin noch etwas zu wenig clever», sagt sie selbst, sie ist oft überall, aber hin und wieder am falschen Ort. «Aber hier in der Schweiz konnte ich enorm viel lernen», sagt sie weiter und lobt ihre Trainer. Ausgebildet wurde sie aber nicht in der Schweiz, schliesslich ist sie auch nicht hier aufgewachsen. Die Rede ist von der 19-jährigen Finnin Mari Tervala. In dieser Saison bestreitet die junge Skandinavierin ein Au-Pair-Jahr in Rohrbach, weshalb sie sich dem Damenteam des SC Langenthal angeschlossen hat. «Letzten Juli wusste ich noch immer nicht, was ich machen sollte», erinnert sich Mari Tervala. Sie hatte die High School abgeschlossen, konnte sich aber nicht für eine weiterführende Schule entscheiden.
Ein Kontakt in die Schweiz hat dann das Zünglein an der Waage gespielt. Maria Hauhia lebt schon das dritte Jahr in der Schweiz und arbeitet hier, mit ihr hat sie vor mehreren Jahren in der Heimat noch zusammengespielt. «Unser Trainer Ruedi Minder organisierte mir eine Familie. Jetzt lebe ich direkt neben ihm in Rohrbach bei der Familie Gerber.» Dort übernimmt sie die Hausarbeitsaufgaben und beschäftigt den vier Jahre alten Sohn sowie die zweieinhalbjährigen Zwillinge. «Aufstehen, Morgenessen vorbereiten, gemeinsam spielen, ein bisschen wandern gehen, Kleider bügeln und kochen», seien ihre Hauptaufgaben den Tag hindurch, während die beiden Eltern zum Arbeiten gehen. «Es war zuerst sehr schwierig, eine Familie zu finden, die flexibel ist. Ich möchte abends jeweils trainieren, das war nicht einfach», erklärt sie.
Jetzt aber sei die Situation ideal, ihre Familie sei unglaublich nett und zuvorkommend. Wöchentlich kann sie deshalb zwei Mal mit den Damen bei Ruedi Minder und Thomas Frutig und zwei Mal mit den Novizen Top bei Nik Schär mittrainieren.
Familie zuerst, dann gleich Eishockey
Gerade deshalb habe sie in der Schweiz sehr viel gelernt. In Finnland könne sie nicht professionell Eishockey spielen, für sie sei der Sport aber dennoch wichtig. «Er kommt gleich nach meinen Pflichten bei der Familie», erklärt Mari Tervala, die in der U18 noch zum finnischen Nationalteam gehörte. Und gerade jetzt umso mehr, weil die SCL-Damen mittlerweile in den Playoff-Halbfinals stehen (siehe Kasten), will sie sich voll und ganz darauf konzentrieren. «Ich habe schon einmal in Finnland Playoffs gespielt, aber damals waren wir kein Team, das Siegeraussichten hatte», erinnert sich die 19-Jährige. Jetzt sei die Phase deshalb sehr speziell. Immerhin sind die Langenthalerinnen, die im Campus Perspektiven in Huttwil spielen, die Titelverteidigerinnen in der zweithöchsten Liga. «Ich glaube daran, dass wir es erneut schaffen können», sagt Mari Tervala, lacht und verspricht, ein paar Tore beizusteuern. Dafür übe sie oft auch nach dem offiziellen Training weiter. Thomas Frutig, ehemaliger NLB-Spieler und Assistenztrainer, lerne oft in einzelnen Zusatzminuten die richtige Schusstechnik mit ihr.
Die Landschaft gefällt ihr
Letztlich ist es aber nicht nur das Eishockeyspielen, das der Stürmerin in der Schweiz gefällt. Das Land sei genial. «In Finnland haben wir nicht so viele Berge. Wenn ich irgendwo zuoberst stehe, dann bin ich der glücklichste Mensch überhaupt», strahlt sie. Aktuell seien ihre Schwester und ihr Bruder vor Ort, mit ihnen habe sie eine Reise nach Grindelwald gemacht, wo sie gemeinsam Skifahren waren. «Auch Rohrbach gefällt mir sehr. Wir wohnen ein bisschen erhöht und haben eine tolle Aussicht. Und nicht zuletzt die Landschaft im Emmental ist sehr schön.» Über ihren Aufenthalt in der Schweiz äussert sie sich deshalb nur begeistert, auch mit der Familie sei sie enorm zufrieden. «Ich liebe sie – es ist wirklich genial. Sie interessieren sich auch für mich und kommen sogar bei meinen Spielen zuschauen. Ich würde es unbedingt wieder genau so machen.» Auch deshalb sei eine Rückkehr in der nächsten Saison gar nicht unwahrscheinlich. «Aktuell weiss ich noch nicht ob ich studieren oder arbeiten möchte. Und vielleicht bereise ich sogar noch ein anderes Land», erzählt sie. Wenn sich eine gute Chance ergebe, dann werde sie diese zweifellos packen, ob diese dann in der Schweiz und in Rohrbach sei, wisse sie noch nicht. «Natürlich vermisse ich meine Familie zu Hause. Aber ich bin mit 16 Jahren erstmals von zu Hause ausgezogen. Ich bin es mir mittlerweile auch ein bisschen gewohnt.»
Mit eigenem Auto unterwegs
Deutsch gelernt hat sie hier auch. Zu Beginn sei das noch sehr schwierig gewesen, mittlerweile verstehe sie aber schon sehr vieles sehr gut. Zu Hause in Finnland habe sie einzelne Kurse in Deutsch belegt, dennoch war das Verständigen zu Beginn auf Englisch einfacher. In der Folge hat sie in Langenthal zusätzlich Deutschkurse belegt. «Sprechen ist noch immer etwas schwierig für mich. Verstehen kann ich sogar ein bisschen Schweizerdeutsch.» Dabei hat nicht zuletzt auch das Team der SCL-Damen weitergeholfen. Dort fühlt sie sich sehr wohl und hat neue Freundinnen gewonnen, mit denen sie auch in der Freizeit hin und wieder etwas unternimmt. «Ideal ist, dass ich mein eigenes Auto habe», sagt Mari Tervala. «Als ich im September in die Schweiz kam, bin ich mit meinem Vater von Finnland mit dem Auto hergefahren, damit ich es hier gebrauchen kann. So bin ich flexibel und frei», erklärt sie. Gerade für sie, die gerne weg fährt, sei das zweifellos ideal.
Bis mindestens im April wird Mari Tervala noch in der Schweiz leben, im Sommer dann sucht sie sich einen Übergangsjob für die Ferien, ehe sie entscheidet, wie es im September weiter geht. «Darüber will ich mir jetzt aber noch keine Gedanken machen. Jetzt geht es zuerst um die Titelverteidigung», sagt die Finnin mit einem Lachen. Im Viertelfinal gegen Fribourg hat sie im zweiten Spiel ein Tor beigesteuert. So kann es weitergehen ...
Von Leroy Ryser