Fleusi ist mehr als «nur» ein Töffli-Sammler
Wer ein Töffli-Liebhaber ist, kennt Fleusi. Der einstige Banker nennt sich selbst einen «abartigen Töffli-Fan». Doch der zweifache Vater ist noch viel mehr: Nebst seinen 150 Töfflis sammelt er Oldtimer Raritäten, Antiquitäten. Alte Gebrauchsgegenstände, in ihrer Art historisch wertvolle Kostbarkeiten vergangener Zeiten, von denen die heutige Jugend keinen Schimmer mehr hat. Es ist ein Wahnsinn, was es in seinem Eventmuseum in Wasen und in seinem Oldtimerbistro mit Brockenstube in Eriswil zu sehen gibt. Und er hat neue Pläne für die alte Ziegelhütte unterhalb des Schlosses Sumiswald.
Eriswil / Sumiswald · Die Generation der Babyboomer wuchs mit den Töfflis auf. Sie waren Teil der damaligen Jugendkultur. An Samstagabenden trafen sich ganze Cliquen. Und so mancher Konfirmand hatte ein Töffli auf seiner Wunschliste und sparte fleissig. Lehrlingslöhne waren noch sehr klein. Es dauerte, bis man den Führerschein machen und sich ein Auto leisten konnte. Töfflis waren die Alternative. Mädchen, Jungen, aber auch Frauen und Männer fuhren damit herum. Das Töffli war generationenübergreifend überall anzutreffen. Es war praktisch und einigermassen erschwinglich.
So waren die Töfflis das Fortbewegungsmittel einer ganzen Generation. Teenager, von Abenteuerlust gepackt, schreckten nicht davor zurück, damit auch längere Strecken zu fahren. So gibt es Zeitdokumente, die belegen, dass vier Huttwilerinnen der Jahrgänge 1959 bis 1961 im Jahr 1977 von Huttwil nach Jongny oberhalb Vevey fuhren, um Bekannte zu besuchen. Mit dabei war der Schlafsack und hinten war ein Berner Fähnchen montiert. Um halb sechs Uhr fuhren sie in Huttwil ab und ihr erster Halt war um Punkt sieben Uhr der Bahnhof in Bern.
Wer ist Fleusi, der Töfflisammler?
Wer ein Töffli-Liebhaber ist, kennt Fleusi. In dem Jahr, als die vier abenteuerlustigen Huttwilerinnen mit ihren Töfflis ins Welschland aufbrachen, wurde der mittlerweile über die Kantonsgrenzen hinaus bekannte Fleusi, mit bürgerlichem Namen Florian Rau, in der Gemeinde Sumiswald geboren. Aus der Kombination seines Übernamens Fleusi und seinem Jahrgang ist Fleusi 77’s entstanden, inzwischen ein Begriff, und sein Firmen- und Markenzeichen. In Wasen wuchs er als Sohn eines Treuhänders auf und absolvierte später eine Bankausbildung bei der Ersparniskasse Wyssachen-Eriswil. Er sagt von sich, er sei ein «abartiger» Töffli-Fan gewesen. Er begann, sich mit dem Töffli-Handel das erste Auto zu finanzieren, und dann wieder das nächste. Mit etwa zwanzig Jahren habe er begonnen zu sammeln, sagt er. Die Zeit der Töfflis schien vorbei zu sein. So brachte er von seinen Sammeltouren an einem einzigen Tag oft fünfzehn bis zwanzig Töfflis nach Hause. Diese bekam er häufig geschenkt, weil man keine Verwendung mehr dafür hatte und es nicht mehr besonders in war, damit herumzufahren.
Vom Banker zum «Sammlerprofi»
Fleusi ist verheiratet und Vater zweier Töchter. Nach erfahrungsreichen Berufsjahren als Banker entschloss er sich, seine Leidenschaft, sein Hobby, seine Nebenbeschäftigung zum Beruf zu machen. Eine Leidenschaft, die inzwischen mehrere Standbeine hat. Fragt man ihn, wie seine Berufsbezeichnung lautet, dann sagt er deshalb von sich, er sehe sich als Unternehmer. Das trifft auch zu. Denn er blieb nicht nur beim Sammeln von Töfflis. Oldtimer kamen hinzu, Raritäten, Antiquitäten. Alte Gebrauchsgegenstände, in ihrer Art historisch wertvolle Kostbarkeiten vergangener Zeiten, von denen die heutige Jugend keinen Schimmer mehr hat, für welchen Zweck sie bestimmt waren.
Er handelt mit allem, was er findet. Er sieht darin seinen Beitrag, einer masslosen, auf Konsum ausgerichteten Wegwerfgesellschaft etwas entgegenzusetzen. Alte, qualitativ hochwertige Fahrzeuge werden wenn nötig instand gestellt, wieder gebrauchsfähig gemacht und an Liebhaber und Sammler verkauft. Und so mancher alte Gegenstand, der Geschichten erzählen könnte, findet einen schönen Platz in einer passenden Wohnung, wo er von alten Zeiten zeugt. Da er sein Hobby zum Beruf gemacht hat, spielt der Mann, der mit seiner positiven Ausstrahlung offen und sympathisch rüberkommt, zum Ausgleich in seiner Freizeit gerne mit Kollegen Squash.
Nostalgie pur im Wasen: Das Eventmuseum mit Oldtimerkaffee
Das Töffli fahren von damals war das Fliegen von heute. Damit sind bei vielen Älteren emotionale Erinnerungen verbunden. Darum der neue Trend bei Männern, die die Fünfzig überschritten haben, sich wieder ein Töffli zu erstehen und mit Kollegen wie in alten Zeiten eine Töffli-Tour zu machen. Liebhaber und Sammler finden in Fleusis beeindruckendem Eventmuseum in Wasen hundertfünfzig Töfflis von insgesamt rund dreihundert Modellen. Ab dem Jahrgang 1960 bis heute ist praktisch alles vorhanden, was es an Marken jemals gab. Ein Eldorado! Es erstaunt nicht, dass beim Anblick der grossartigen Sammlung bei vielen Besuchern die Augen übergehen und der Mund nicht mehr zuklappen will. Denn es ist der absolute Wahnsinn, was Gäste hier auch sonst noch an Erstaunlichem finden. Ein mit Muscheln behangenes Töffli, dem der Motor geklaut wurde, und das jahrelang in der Aare lag. Ein platzsparendes, faltbares Töffli, damit man es mit aufs Schiff nehmen kann. Saccochen, alte Töffli-Nummern, Klingeln, alte Schilder, Benzinkanister, Töfflitanks, aber auch Oldtimer. Es gibt im Eventmuseum ein Oldtimerkaffee mit Platz für dreissig Personen, mit Tischen und Stühlen aus Resopal, wie wir sie aus der Zeit unserer Eltern und Grosseltern kennen, hierzulande besser bekannt als Kelco. Hier findet man ringsum alte Dosen, Behälter, Arzneimittelflaschen. Und auch noch ein paar Teile des berühmten Rössler-Geschirrs in den Farben hellblau, hellgrün und zartgelb.
Führungen und Catering
Interessierte dürfen sich gerne anmelden und eine Führung für eine Zeitreise in die Vergangenheit für Familie, Freunde oder die Firma buchen. Fleusi weiss zu vielen Gegenständen, Oldtimern und Töfflis Interessantes zu erzählen. Man kann die Führung bei Bedarf auch mit Catering im Oldtimerkaffee buchen. Während dem Genuss zum Beispiel eines Chili con Carne hat man Zeit zu überlegen, ob man vielleicht eines der vielen Töfflis oder einen Oldtimer erstehen will, oder schwärmt einfach von alten Zeiten.
Fleusi handelt nicht über das Internet, das bringe zu viel Aufwand und Hektik mit sich und sei nicht vereinbar mit den übrigen Aktivitäten und Dienstleistungen, die er auch noch anbiete, sagt er. So ist für ihn die persönliche Pflege alter Kontakte mit Interessenten, Sammlern und Händlern prioritär, durch die auch immer wieder neue Kunden auf ihn aufmerksam werden.
Oldtimerbistro und Brockenstube in Eriswil
Bereits vor Jahren in Gegenständen verarbeitete Rohstoffe nicht einfach zu entsorgen, das ist eine weitere Devise von Fleusi. Vieles war früher qualitativ massiv besser, hielt länger und war solider. Man konnte sich nicht ständig Neues leisten. Langlebigkeit war essenziell. Warum nicht etwas anschaffen, das zwar schon älter, aber noch voll funktionstüchtig ist? Retro ist wieder in, Vintage ein neuer Trend. So ist ein weiterer Arbeitszweig von Fleusi entstanden. Er hilft Umzüge zu organisieren, macht Hausräumungen, Entsorgungen, betreibt in Eriswil in der alten Käserei im Hinterdorf ein Oldtimerbistro und eine ungemein anziehende Brockenstube. Wenn nicht gerade Corona herrscht, dann sind das Bistro mit seinem besonderen Ambiente und die Brockenstube Freitag und Samstag geöffnet. Ein herrlicher Ort, wo man der Hektik entfliehen, herumstöbern und sich in alte Zeiten zurückversetzen lassen kann.
Neue Pläne für die alte Ziegelhütte in Sumiswald
Um Platz für seine zahlreichen Waren und den Handel zu erhalten, hat Fleusi die mehrgeschossige alte Ziegelhütte unterhalb des Schlosses Sumiswald gekauft. Das Projekt, in das der Denkmalschutz involviert ist, ist noch in der Bau- und Aufbauphase. Hier werden weitere Oldtimersammlungen mit etwa hundertfünfzig Töfflis und Kleinmotorrädern untergebracht werden. Es entsteht eine weitere, grossflächige Brockenstube und ein Oldtimer-Teilemarkt. Es ist geplant, jeweils am letzten Samstag des Monats einen Ziegelei-Märit durchzuführen. Fünfzehn bis zwanzig alte Marktstände werden für diesen Event vermietet. Gleichzeitig werden das Oldtimermuseum, die Brockenstube und der Oldtimer-Teilemarkt geöffnet sein. Es bleibt noch viel zu tun, denn die Eröffnung und erstmalige Durchführung sind auf Ende April geplant. So hofft Fleusi innig, dass ihm nicht wieder Corona einen Strich durch die Pläne macht, zumal er ja aktuell die übrigen Lokale geschlossen halten muss.
Ansteckende Leidenschaft
Wenn man mit Fleusi spricht, spürt man auf Schritt und Tritt seine Begeisterung für Altes und Nostalgisches, man fühlt die Liebe zum Bewahren von altem Wissen, von alter Machart und von Kulturgut. Man sieht seine Freude am hochwertigen alten Handwerk, erkennt seinen Respekt vor der Handfertigkeit und der Begabung früherer Generationen, die ohne Hightech, CAD und Computer Geniales, Praktisches und Langlebiges, aber auch Schönes und Wertvolles schufen. Wer von dieser Begeisterung etwas abbekommen will und alten Zeiten nachtrauert oder seinen Enkeln etwas vom Feeling der Babyboomer-Generation vermitteln möchte, der sollte Fleusi unbedingt einmal besuchen, sobald man wieder kann. Auch diejenigen, die gerne herumstöbern und ein Auge für Rares haben oder auf Vintage und Retro stehen. Und sicher auch diejenigen, die einfach noch etwas für den Haushalt brauchen, weil das billige Teil aus China nicht lange gehalten hat.
Gut zu wissen
Oldtimerbistro und Brockenstube: Ahornstrasse 21, 4952 Eriswil: Freitag und Samstag: 8.30 bis 11.30 / 13.30 bis 17.30 Uhr. Eventmuseum: Dorfstrasse 24, 3457 Wasen; Führungen, Catering auf Anmeldung. Ziegelei Märit Sumiswald – Ein Markt aller Art Oldtimersammlung, Oldtimer-Teile-Markt, Brockenstube, Eröffnung und erstmalige Durchführung: Samstag, 24. April, www.fleusi.ch, 079 208 33 32.