• Es geht wieder aufwärts mit der Karriere von Mathias Flückiger: Der Oberaargauer Mountainbike-Profi darf wieder beruflich aufs Rad steigen, die provisorische Sperre gegen ihn wurde aufgehoben. · Bild: key

20.12.2022
Sport

Flückiger darf wieder Rennen fahren

Grosser Zwischenerfolg für Mathias Flückiger! Die Disziplinarkammer von Swiss Olympic (DK) hat entschieden, dass das atypische Zeranol-Test­resultat nicht als positive Dopingprobe gewertet werden darf. Damit wird die von Swiss Sports ­Integrity (SSI) am 18. August ausgesprochene provisorische Sperre gegen den Berner Mountainbiker nach rund 120 Tagen aufgehoben. Für Flückiger

ist dies ein sehr grosser und wichtiger Erfolg im Beweiskampf für seine Unschuld.

Radsport · «Ich habe nie gedopt. Der Entscheid der Disziplinarkammer ist für mich eine extrem grosse Erleichterung. Es waren die schlimmsten fünf Monate meines Lebens. Nach monatelangem, enorm belastendem Warten blicke ich nun wieder optimistisch in die Zukunft. Sportlich bin ich motivierter denn je und ich arbeite täglich an meinem Comeback», zeigt sich Flückiger höchst erfreut.

Normales Steroidprofil
Rückblende: Am 16. September 2022 hatten Mathias Flückiger und sein Team bei der DK ein ausführliches Dossier mit Erklärungen und Entlastungsindizien eingereicht. Dabei beantragte Flückiger die sofortige Aufhebung der provisorischen Sperre. Die wichtigsten, entlastenden Indizien: Der DK wurde realistisch mit den dazugehörigen Beweisen aufgezeigt, wie es zu einer Kontamination von Lebensmitteln hätte kommen können. Das Steroidprofil Flückigers ist normal, also absolut unauffällig.
Flückiger liess eigenständig am 31. August 2022 eine Haarprobe nehmen, die am 12. September 2022 von Prof. Pascal Kintz von der Universität Strasbourg analysiert wurde. Kintz ist der weltweit führende Experte auf diesem Gebiet und hat sich insbesondere in Haaranalysen in Strafverfahren einen Namen gemacht. Die Haar-Analyse war negativ. Es wurden keine Spuren von Zeranol bzw. von dessen Metaboliten im Haar Flückigers gefunden. Dies bedeutet, dass Mathias Flückiger weder über eine längere Zeit Kleinstmengen an Zeranol zu sich genommen hat, noch eine grössere Menge an einem bestimmten Tag.
Kurz vor und nach dem atypischen Testresultat im Rahmen der Schweizer Meisterschaften in Leysin wurden zwei negative Proben bei Flückiger durchgeführt: Die erste am Montag, 30. Mai 2022, Trainingskontrolle durch SSI, 6 Tage vor XCO-SM Leysin (Sui). Die zweite erfolgte am Freitag, 10. Juni 2022, Wettkampfkontrolle durch UCI/ITA, 5 Tage nach SM, nach XCC-Weltcupsieg in Leogang (Ö).

Dopingszenario ausgeschlossen
Es gibt mehrere wissenschaftliche Belege und Erkenntnisse, dass ein Dopingszenario im Fall von Mathias Flückiger ausgeschlossen werden kann: Die vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Zeranol zeigen, dass dieses bei Menschen mit grösster Wahrscheinlichkeit keinen anabolen Effekt hat. So wird denn auch Zeranol weder in Body-Builder-Kreisen noch von Athletinnen und Athleten (vgl. WADA-Statistiken) als Anabolika verwendet. Zeranol wird wegen der Nichtwirksamkeit auch nicht in Mi-krodosen eingesetzt (anders als Testosteron und testosteronähnliche anabol androgene Steroide). Die chemischen Strukturen von Testosteron und Zeranol sind grundverschieden, deren Wirkmechanismus auch.

Probe atypisch aber nicht positiv
Es ist klar: Eine solche provisorische Sperre hätte SSI niemals aussprechen dürfen, wenn sie sich an die «Stakeholder Notice regarding potential meat contamination cases» der Weltantidopingagentur WADA gehalten hätte. Dieser WADA-Leitfaden gibt vor, was in einem solchen Fall unternommen werden muss, bevor die Dopingprobe als positiv gewertet werden darf. Die SSI hat die meisten Schritte nicht eingehalten. Fakt ist: Die SSI hätte die Probe Flückigers gar nie als positiv, sondern lediglich als atypisch werten dürfen. Eine positive Probe ist jedoch Voraussetzung für die Verhängung einer provisorischen Sperre beziehungsweise die Durchführung der B-Probe.

Sperre per 17. Dezember aufgehoben
Genau deshalb und hierzu hatte die Dopingkommission am 28. September 2022 eine erste wichtige Entscheidung zu Gunsten Flückigers gefällt. Die DK hatte SSI einstweilen superprovisorisch gestoppt (das heisst ohne Anhörung der SSI). Das bedeutet, dass jegliche Fristen eines normalen Dopingverfahren bis auf weiteres aufgehoben wurden. Damit liess die DK nicht zu, dass SSI mit der Öffnung der B-Probe das «normale» Verfahren in einem Dopingfall fortsetzt.

Albtraum ist noch nicht vorbei
Die Aufhebung der provisorischen Sperre per sofort ab dem 17. Dezember 2022 ist für Flückiger in mehrfacher Hinsicht enorm wichtig: «Seit mehr als fünf Monaten habe ich keinen Wettkampf mehr bestritten. In dieser Zeit bin ich in der Weltrangliste von Position 3 auf 24 zurückgefallen und meine Startposition hat sich dadurch massiv verschlechtert. Auch fehlt mir Wettkampfpraxis und ich habe die gesamte zweite Saisonhälfte mit den Höhepunkten EM und WM verpasst. Ich gehe nun meine Saisonplanung 2023 an und will bald wieder Rennen fahren.»
Nun geht der Fall zurück zu SSI. Unter Beachtung der Stakeholder Notice kann die nationale Antidopingagentur allenfalls eine erneute Wertung der A-Probe vom 5. Juni 2022 als abnormes oder atypisches Analyseresultat vornehmen. Den Entscheid der DK kann SSI juristisch nicht anfechten. Der Albtraum ist für Mathias Flückiger also noch nicht vorbei: «Ich wünsche mir, dass mein Fall möglichst bald abgeschlossen werden kann. Die ständige Unsicherheit, das monatelange Warten, die unbegründeten Anschuldigungen müssen endlich ein Ende haben.» Doch vorerst steigt er wieder auf das Rad und bereitet sich mit neuer Zuversicht auf die Saison vor.

pd