Fotografieren ist malen mit Licht und Schatten
Während seiner 40-jährigen Tätigkeit als Fotograf-Freelancer porträtierte Christian Lanz zahlreiche Persönlichkeiten für namhafte Medien und Schweizer Verlage. Aufgewachsen in Huttwil, schwelgt er in Kindheitserinnerungen und erzählt von seiner grössten Leidenschaft, dem Fotografieren.
«Ursprünglich wollte ich Clown werden, später Kameramann. Deshalb empfahl mir der Berufsberater, Fotograf zu lernen», erzählt Christian Lanz bei einem Gespräch mit dem «Unter-Emmentaler» in einem Huttwiler Restaurant. So absolvierte er in Langnau von 1966 bis 1969 eine Fotografenlehre und zog mit 19 Jahren nach Zürich-Altstetten, wo er eine Stelle als Fotograf und Colorlaborant fand. Geboren am 19. Oktober 1950 ist er als Jüngster von vier Geschwistern auf der Allmend in Huttwil aufgewachsen. Seit 54 Jahren arbeitet er in Zürich und hat mit seiner Lebenspartnerin zwei erwachsene Kinder. Über das Geschehen in seinem Heimatstädtli informiert er sich im «Unter-Emmentaler», den er seit vielen Jahren abonniert hat. Seine Schwester besucht er regelmässig zusammen mit seinem ältesten Bruder, der auch in Zürich wohnt. Mit einem Lächeln erinnert er sich an frühere Huttwiler Geschichten und schildert lebhaft: «In den 1950/60er-Jahren, als es noch weisse Winter gab, schlittelten wir Kinder von der Bergstrasse vorbei an unserem
Elternhaus bis weit in die Allmendstrasse hinab. Gewonnen hatte, wer am weitesten kam. Beim ‹Schlöfle› auf dem
Dornacker befestigten wir ‹Iseli› von Hand an den Schuhsohlen und manchmal löste sich dann beim ‹Schlöfle› die Sohle vom Schuh. Dort fanden auch erste Begegnungen mit Mädchen statt», sagt Christian Lanz und schmunzelt.
In jenem Gebäude, wo sich heute die Kantonspolizei befindet, besucht er den «Chindsgi». Dort durften sie am Morgen jeweils der Kindergärtnerin von der obersten Treppenstufe in die Arme hüpfen.
Man muss Menschen gern haben
1982 erhielt Christian Lanz eine Festanstellung als Bilddokumentalist bei der Ringier AG. Dies ermöglichte ihm, nebenbei als freischaffender Fotograf zu arbeiten und 1995 ein kleines Fotostudio zu beziehen. Vier Jahre später machte sich Christian Lanz selbstständig und bezog ein grösseres Studio in Zürich-Witikon. In all den Jahren porträtierte Christian Lanz Persönlichkeiten aus Kultur, Kunst und Wirtschaft, sogenannte Prominenz. Zu seinen Auftraggebern gehörten diverse Medien wie Schweizer Illustrierte, Schweizer Familie, Glückspost, Tele, Migros-Magazin, Coopzeitung, Blick Group, das Schweizer Fernsehen und andere mehr. Aus den spannenden Begegnungen kann er etliche Anekdoten erzählen. Christian Lanz wählt seine Worte sorgfältig, überlegt bevor er mit ruhiger Stimme spricht. So besuchte er zusammen mit einem Journalisten Friedrich Dürrenmatt in Neuenburg. Der berühmte Dramatiker redete praktisch eineinhalb Stunden und hielt ständig seine Espressotasse in der Hand. Zwangsläufig ist diese auf dem Bild verewigt. Vor jedem Legislaturwechsel fotografierte er für Ringier insgesamt viermal alle 246 Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Für das Schweizer Fernsehen durfte er alle drei Casting-Shows von MusicStar fotografieren. Chris von Rohr trug als Juror sein obligates Kopftuch. Vergeblich forderte er den «Meh-Dräck»-Rocker auf, dieses abzulegen. «Ich akzeptierte dies und machte die Aufnahmen mit ‹Turban›. Völlig überraschend lud er mich eine Woche später nach Solothurn ein und ich durfte ein ‹Oben-ohne-Foto› schiessen mit der Begründung, dass er bestimme, wann, was, von ihm erscheint.» Das Porträt wurde in vielen Medien publiziert und ist eines der wenigen ohne Kopftuch. Abgelichtet hat er auch viele Berner Promis, etwa Pedro Lenz, Endo Anaconda oder Polo Hofer. Letzterer verlautbarte ihm sein Credo: Berge von unten, Seen von oben und Beizen von innen. Für Christian Lanz ist sein Beruf eine Passion, das verdeutlicht auch die Aussage: «Als Fotograf muss man die Menschen gern haben.» Andere Sujets wie Landschaften oder Tiere haben ihn trotz ausgedehnten Reisen nach Südfrankreich, Marokko oder Südamerika nie sonderlich interessiert. Seine wachen Augen blicken einen direkt an: «Ich würde wieder Fotograf werden, ich könnte mir nichts anderes vorstellen.» Als seinen grössten Coup bezeichnet Christian Lanz jedoch ein Bild des international berühmten Clowns Dimitri. Die Bitte, sich für das Foto clownesk zu schminken, wies Dimitri unmissverständlich ab. Das mache er nur für Auftritte. «Da entdeckte ich in seinem Haus im Tessiner Dorf Borgnone einen Gipsabguss von Dimitris Gesicht mit dem bekannten breiten Lachen, den verschatteten, grossen Augen unter der Pagenfrisur. Mit meiner Idee, ihn parallel daneben für das Titelbild der Programmzeitschrift Tele zu fotografieren, war er einverstanden», erklärt Christian Lanz. Dieses Dia wurde bei Ringier archiviert. Ein Jahr später zu Dimitris 60. Geburtstag wählten sowohl die Coopzeitung wie auch das Migros-Magazin unabhängig voneinander im Archiv unter Tausenden Bildern von Dimitri, exakt das gleiche Bild aus. «So erschien am 6. und 7. September 1995 mein Foto als Titelbild und wurde vier Millionen Mal abgedruckt. Das war unglaublich und so gesehen meine grösste Errungenschaft», zeigt sich Christian Lanz beeindruckt.
Vertrauen ist etwas vom Wichtigsten
Emotionale, echte und zeitlose Bilder sind sein Markenzeichen. Was ist das Geheimnis hinter einem berührenden Portrait oder wann entsteht etwas Besonderes, Starkes, Ehrliches? «Ein Geheimnis kenne ich nicht, deshalb ist es ja ein Geheimnis. Ausserdem will ich es nicht wissen», sagt Christian Lanz und ein feines Lächeln überzieht sein Gesicht.
Gegenseitiger Respekt und eine gewisse Demut sind die wichtigsten Voraussetzungen beim Fotografieren. Der gesamte Prozess, von der Begrüssung bis zum Punkt, wo der Verschluss ausgelöst wird, ist entscheidend. Die perfekte Technik ist dabei zweitrangig. Speziell in der Portraitfotografie kommen sich zwei Fremde in kurzer Zeit sehr nahe. Fotograf und Sujet sind beide gleichwertig. Die Schwarzweiss-Aufnahmen tragen zur Intimität bei. Vielleicht auch, weil wir alles farbig sehen, ist dies wie eine Neuorientierung.
Ein gutes Bild ist eine Momentaufnahme
Der ursprüngliche Charakter der Fotografie ist, einen unwiederbringlichen Moment, bildlich festzuhalten – ein Unikat. «Dorthin möchte ich mit meinem Schaffen wieder zurückkommen. Ein Bild ist ein Teil von dir in einer bestimmten Zeit und entfaltet seine volle Wirkung erst Jahre später. Dann stellt man fest, dass sich vieles nicht verändert hat, der Ausdruck, eine typische Geste», sinniert der Fotograf. Heute sei jedoch die Tendenz, alles festzuhalten und mit dem Smartphone unzählige Bilder zu schiessen, statt im Hier und Jetzt zu sein.
Porträts mit geschlossenen Augen
Für sein Buch mit dem poetischen Titel «strahlende Lider» fotografierte Christian Lanz 100 Personen, diesmal nicht in den üblichen vorteilhaften Posen, sondern mit geschlossenen Augen. Dieses sehr ungewöhnliche Projekt entwickelte sich über zwei Jahre und entstand gewissermassen aus Frust, weil er die Menschen immer nur von ihrer Sonnenseite fotografieren musste. Ziel war auch, prominente Leute einmal anders zu sehen. «Nie waren mir die Menschen näher als mit geschlossenen Augen; nie musste ich beim Fotografieren so respektvoll sein. Nie haben mir Menschen so vertraut. Für mich war es ein Geschenk und ich versuche mit einem Bild, die Person auch zu beschenken.»
Von Brigitte Meier