Fritz Kohler: «Das Forum ist für mich eine Herzensangelegenheit»
Nach langjähriger politischer Tätigkeit in der Gemeinde Sumiswald tritt Gemeindepräsident Fritz Kohler Ende Jahr von seinem Amt zurück. Der 67-jährige Ur-Sumiswalder wagt im Interview einen Blick zurück, erzählt, was ihn besonders herausgefordert hat, welche Projekte ihm dabei am meisten am Herzen lagen und was die Gemeinde seiner Meinung nach nun noch in Angriff nehmen sollte.
Sumiswald · Fritz Kohler, Sie amteten bereits von 2009 bis 2013 als Gemeinderat Ressort Bau und als Gemeindepräsident von 2017 bis zum Ende dieses Jahres. Was motivierte Sie, so lange im Gemeinderat zu sein?
Ich hatte schon viel früher mit der politischen Arbeit angefangen. 1984 wurde ich in die Steuerkommission gewählt und bin dort zwei Legislaturen geblieben. Danach wechselte ich in die Planungskommission. Von 2002 an war ich acht Jahre lang Mitglied in der Bau- und Liegenschaftskommission. Danach habe ich 2009 für eine Amtsdauer die behördliche Tätigkeit im Gemeinderat, Ressort Bau- und Liegenschaften, aufgenommen. Da ich damals ein eigenes Baugeschäft führte, war dieses Ressort mein Metier. Das Interesse daran ist bis heute geblieben. Aber primär war und ist meine Motivation das Wohlergehen der Gemeinde.
Wieso treten Sie nun genau in der Mitte der Legislatur zurück?
Ursprünglich war es so vorgesehen, dass ich nach vier Jahren als Gemeindepräsident wieder aufhöre und der damalige Vizepräsident das Amt übernehmen würde. Das war schlussendlich aber nicht der Fall. Als ich dann vor zwei Jahren angefragt wurde, ob ich mich nicht noch einmal für das Präsidium zur Verfügung stellen könnte, habe ich zugesagt. Jedoch unter dem Vorbehalt, dass ich vielleicht nach zwei Jahren aufhören würde. Dass ich die Amtsdauer nicht fertig mache, hat für meinen Nachfolger Martin Friedli wesentliche Vorteile. Alle Räte sind in ihren Ressorts schon sehr sicher und können so den neuen Präsidenten in seiner Aufgabe leichter unterstützen. Deshalb denke ich, ist es nicht der schlechteste Zeitpunkt, um aufzuhören. Aber das ist nicht der Hauptgrund, weshalb ich mein Amt als Gemeindepräsident niederlegen werde. Das Alter hinterlässt auch bei mir Spuren. Nicht nur die Haare sind grau geworden, sondern ich bin auch etwas weniger elastischer als früher.
Ist das nun der definitive politische Schlussstrich, oder werden Sie sich weiterhin auf irgendeine Art und Weise in der Politik mit einbringen?
Ich würde sagen, es ist eher der Schlussstrich, aber: «Sage niemals nie.» Es kann auch durchaus sein, dass ich mich wieder für ein Projekte einspannen lasse. Mit meinem Nachfolger habe ich vereinbart, dass ich weiterhin im Vorstand vom Verein Napfbergland bleiben werde.
Welchen Stellenwert hatte bisher die Politik bei Ihnen zuhause am Familientisch?
Mein Vater war zwar in zwei Kommissionen tätig, Gemeindethemen wurden aber bei uns zu Hause selten diskutiert, am ehesten sprach man noch über die Bildung. Thematisiert wurden meist die eidgenössischen oder kantonalen Abstimmungen, welche in den Medien präsenter waren. Auch heute ist das noch so, wenn unsere Söhne zu Besuch kommen. Das politische Interesse liegt in der Familie.
Während Ihrer Zeit als Gemeindepräsident wurden einige wichtige Gemeindeprojekte realisiert. Welches war für Sie persönlich das wichtigste, dass sie begleitet haben?
Es ist sehr schwierig zu qualifizieren, welches der vielen Projekte, welche ich begleiten durfte, mir das wichtigste war. Aber ein für mich sehr wichtiges Projekt war der Verkauf des Stettlerhauses und der Neubau des Werk- und Entsorgungshofes. Die Gemeinde hatte das Stettlerhaus 1962 gekauft und dort den Werkhof untergebracht. Nach knapp 20 Jahren hat man angefangen, sich Gedanken über die Nutzung zu machen. Früher wurde das eindrückliche Gebäude als Käselager und als Pferdestall genutzt, zudem sind einige Wohnungen darin. Als man die Möglichkeiten hatte, das Haus zu verkaufen, war das schon ein kleines Highlight. Parallel zum Verkauf wurde dann der Neubau des Werk- und Entsorgungshof geplant. Zu der Parzelle des Stettlerhauses gehört noch die Eichmatte, welche auch ein Bestandteil der Ortsplanungsrevision war. Nach einem langwierigen Gutachtenverfahren ist es nun unter gewissen Bedingungen möglich, einen grossen Teil der Parzelle Eichmatte mit rund 18 000 Quadratmetern zu überbauen. Angedacht sind Wohnungen und Kleingewerbe im Erdgeschoss.
Und welches Projekt war für Sie persönlich das schwierigste?
Das war eindeutig die Gesamtrevision der Ortsplanung. Es gab sehr viel verschiedene Interessen. Auf der einen Seite war da die Raumplanungsgesetzgebung, die uns in der Siedlungsentwicklung nach Innen viele einzuhaltende Vorgaben macht wie zum Beispiel die Anbindung des öffentlichen Verkehrs. Auf der anderen Seite war der Gewässerschutz. Die Ausscheidung der Gewässerräume hat sehr viele Diskussionen ausgelöst. Da die Interessen sehr unterschiedlich sind, war es als Gemeinde manchmal schwierig zu entscheiden, wo die Schwerpunkte gesetzt werden sollen. Sehr viele Personen waren davon betroffen. Es verging viel Zeit, bis man eine genehmigungsfähige Vorlage hatte.
Unter Ihrer Führung hat die Gemeinde Sumiswald neben dem Neubau des Werk- und Entsorgungshofes und der Gesamtrevision der Ortsplanung aber auch noch weitere wichtige Projekte umgesetzt wie die Einführung der Schulsozialarbeit oder die Renovation des Gemeindehauses. Aber Sumiswald hat sich auch zu einem Subzentrum entwickelt und übernimmt Dienstleistungen für andere Gemeinden. Ist das eine Vorstufe für Fusionen?
Im Verwaltungskreis Emmental gibt es zwei Zentren. Das sind Burgdorf und Langnau. Sumiswald liegt dazwischen und manchmal müssen wir uns schon ein wenig gegen diese grossen Zentren positionieren. Wenn wir wollen, dass auch wir touristisch gefördert werden, dann müssen wir die Initiative selbst ergreifen. So ist als Beispiel der Spinnenweg in Zusammenarbeit mit Lützelflüh entstanden. Es gab mal den Gedanken, im Schloss Sumiswald ein Verwaltungszentrum Mittleres Emmental zu eröffnen, das kam aber bei der Bevölkerung nicht gut an und war wohl ein Schritt zu weit. Vor etwa vier Jahren wurde durch eine Motion aus dem Grossrat die Forderung gestellt, die finanzschwachen Gemeinden, welche am Tropf, das heisst dem Lastenausgleich des Kantons hängen, in die Pflicht zu nehmen. Es sollten Kürzungen bei den Subventionen vorgenommen werden, um die Gemeinden so zu Fusionen zu drängen. Das gab damals einen grossen Aufschrei. Letztes Jahr hat man in den Verwaltungskreisen Versammlungen veranstaltet zum Thema Zusammenarbeit und Fusion. Ich habe von Anfang an gespürt, dass wenn man direkt von Fusion spricht, es nicht der richtige Weg ist. Die Gemeindeautonomie der verschiedenen Gemeinden ist tief verwurzelt. Ich denke, wenn man eine gute Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden anstrebt, ist die Situation wesentlich weniger angespannt. Das war auch das Fazit eines Workshops, den man in unserem Verwaltungskreis mit allen Gemeindepräsidien, Verwaltungsleitungen und Gemeindeschreibereien veranstaltet hatte. Eine Fusion von oben herab diktiert, kommt nie gut an. Man muss es selbst wollen.
Gibt es Ihrer Meinung nach zukünftige Projekte, welche in der Gemeinde Sumiswald nun dringend angegangen werden müssten?
Es ist zwar noch nicht so bekannt, aber wir haben im Gemeinderat diesen Sommer eine Kommission ins Leben gerufen, die «SumisWase lebt» heisst. Hierbei muss ich etwas ausholen. Im Jahr 2019 wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit eines Fachhochschulstudenten in Bern eine Bevölkerungsumfrage gemacht. Wir wollten von der Bevölkerung wissen, ob sie sich in Sumiswald wohl fühlen, was gut ist und was noch fehlt. Aufgrund der Antworten hat man ein Strategiepapier entworfen, an dem sich die Gemeinde orientieren möchte. Dabei hat sich beispielsweise herausgestellt, dass der Bevölkerung die Anbindung des öffentlichen Verkehrs sehr wichtig ist. Daraufhin haben wir das Mitfahrsystem «Taxito» gestartet. Ein weiteres Thema ist die Abwanderung. Es ist sehr schwierig, die Einwohnerzahl zu halten oder zu steigern. Damit man einen Grund hat, in Sumiswald wohnen zu bleiben, möchten wir die Arbeitsplätze erhalten und mit Hilfestellungen dem «Lädelisterben» entgegenwirken. Diese Hilfestellungen von Seite der Gemeinde, die zur Stärkung unserer guten Gewerbe- und Industriebetriebe nötig sind, stehen für mich ganz oben auf der Prioritätenliste. Zudem könnte man beim Thema Tourismus noch mehr unternehmen, und etliche vorhandene Infrastrukturen könnten noch besser genutzt werden. Das alles sind für mich zentrale und wichtige Themen, die weiterhin angegangen werden sollten.
Das grösste Sorgenkind der Gemeinde Sumiswald ist wohl zurzeit das Forum. Wie wichtig ist es für Sie persönlich, dass die Sport- und Freizeitstätte erhalten bleibt?
Das Forum ist für mich eine Herzensangelegenheit. Ich habe mich sehr für den Überbrückungskredit eingesetzt, ebenso bei der Suche nach einem neuen Verwaltungsrat. Die touristische Vermarktung von unserem Gebiet oder der ganzen Napfregion ist wichtig. So sollten wir sowohl Schön- als auch Schlechtwetter-Angebote haben. Deshalb müssen wir eine solche Anlage wie das Forum erhalten. Man nimmt das Forum überregional aber leider noch zu wenig wahr. Damit es bekannter wird, muss man es besser vermarkten.
Sumiswald beteiligt sich als einzige Gemeinde mit 150 000 Franken an den Kosten für das Hallenbad. Nun sollen sich auch diejenigen Gemeinden an den Kosten beteiligen, die ihre Kinder bisher zum Schulschwimmen ins Hallenbad nach Sumiswald geschickt haben. Entsprechende Anfragen wurden gemacht. Was erwarten Sie von diesen Gemeinden?
Bis Ende Jahr werden Antworten von den Gemeinden erwartet. Bereits vor drei Jahren, als die erste Corona-Welle die Schliessung von Sportstätten verlangt hatte, haben wir bei den umliegenden Gemeinden, die ihre Kinder nach Sumiswald ins Schulschwimmen schicken, angefragt, ob sie unter Umständen bereit wären, das Hallenbad finanziell zu unterstützen. Der Tenor war: Wenn ihr ein Konzept habt, kann man darüber sprechen. Unterdessen existiert dieses Konzept und ich hoffe, dass dementsprechend auch positive Rückmeldungen eintreffen. Wir hoffen auch auf Unterstützung der Region durch die Regionalkonferenz Emmental und durch den Kanton Bern. Was ich bis heute schwer begreifen kann, ist, dass der Kanton uns beim Schulschwimmen, das im Schulplan integriert und damit verordnet ist, nicht finanziell unterstützt. Und generell sind die Eintrittspreise für das Hallenbad zu tief. Mit 16 Franken pro Eintritt könnte es kostendeckend betrieben werden. Die Frage ist, ob es das uns wert ist.
Und nun wird das Forum als Asylunterkunft zwischengenutzt. Dies bedeutet eine finanzielle Entlastung und mehr Zeit für weitere Planungsschritte. Wie haben Sie die Reaktionen der Bevölkerung erlebt, als das bekannt wurde?
Als ein Wechselbad der Gefühle. Auf der einen Seite gibt es Leute, die Verständnis haben, andere äusserten Bedenken. Es gab aber auch schon Reaktionen, als die Sauna geschlossen wurde. Diejenigen Leute, die sie benutzten, haben das natürlich sehr bedauert. Generelles Verständnis hatte man hingegen bei der Schliessung des Hallenbades aufgrund des hohen Strompreises. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Gastronomie und die Hotellerie. Man spürte, dass das Hallenbad eine regionale Bedeutung hat. Im April wurden Erhebungen mit Postleitzahlen gemacht, um herauszufinden, von woher die Hallenbad-Besucher kommen. Am weitesten gereist sind Gäste von Seeberg, Langnau oder Burgdorf.
Kurz nach der Medienmitteilung, dass das Forum vorübergehend zum Integrationszentrum werden wird, wurde ein Informationsanlass veranstaltet. Wie haben Sie diesen erlebt?
Es waren sehr viele Emotionen vorhanden. Keine grosse Freude hatten vor allem diejenigen, die in der Nähe des Forums wohnen. Es gab aber auch Stimmen, die erkannt hatten, dass es Menschen gibt, denen es schlechter geht als uns und deshalb sollte man ihnen helfen. Offene Fragen gibt es noch im Bildungs- und Sicherheitsbereich, die man nun noch genauer anschauen muss. Die Integration der Flüchtlingskinder in der Schule wird nicht einfach werden. Es muss aber zwingend gewährleistet sein, dass diese gutes Deutsch können. Durch intensive Deutschkurse (DaZ) wurde uns die Unterstützung vom Schulinspektorat zugesichert. Am Infoanlass haben sich aber auch Leute gemeldet, die sich gerne an der Betreuung beteiligen möchten. Grundsätzlich besteht doch die Frage, was wir aus dieser Situation machen. Sind wir einfach nur sehr kritisch oder öffnen wir uns und versuchen, das Beste daraus zu machen? Die Erfahrung von Huttwil zeigt, dass diejenigen Flüchtlinge, die zentral zusammenwohnen, einfacher zu betreuen sind als solche, die verteilt in der Ortschaft wohnen. Es ist uns aber bewusst, dass nicht alles reibungslos ablaufen wird. Das Integrationszentrum ist aber auch eine einmalige finanzielle Chance. Wenn man diese Chance nun gut nutzt, sehe ich darin die Möglichkeit, das Forum zu retten.
Heisst das, dass auch der Überbrückungskredit zurückbezahlt werden könnte?
Die Gemeinde Sumiswald hält etwa 36 Prozent des Aktienkapitals, was etwas mehr als 200 000 Franken ausmacht, das Gesamtaktienpaket beläuft sich auf 553 000 Franken. Zudem hat die Gemeinde ein zinsloses Darlehen von 850 000 Franken gewährleistet und zahlte jedes Jahr 150 000 Franken an den Betrieb. Die Liegenschaft gehört der Aktiengesellschaft, die Hypothek beläuft sich auf etwa 800 000 Franken. Wenn wir nun drei Jahre eine Vollbelegung haben, könnten danach Hypothek und Überbrückungskredit fast zurückbezahlt werden. Angenommen, wir würden oder müssten den Vertrag als Integrationszentrum um ein Jahr verlängern, wären die Schulden danach abgetragen. Danach wäre es mit dem vorhandenen Aktienkapital eine gute Ausgangslage, um wieder zu starten. Nach meiner Meinung muss das Forum danach aber anders geführt werden, besonders im Bereich Vermarktung. Ein Zahlenbeispiel: Wenn wir mit 10 Millionen Franken Investitionen rechnen, gehe ich davon aus, dass man vielleicht 5 Millionen Franken Fremdkapital aufnehmen müsste. Pro Jahr sollten dann zirka 300 000 Franken amortisiert werden können, somit wäre man dann in etwa 15 Jahren in einem annehmbaren finanziellen Bereich.
Nun geht Ihre Amtszeit bald zu Ende. Was werden Sie an der Arbeit im Gemeinderat vermissen?
Ich bin jemand, der immer lösungsorientiert unterwegs ist. Probleme nur wälzen und analysieren, ist nicht meine Art. Irgendwann muss man auch einmal den Schritt machen und herausfinden, worin die Lösung liegen kann. Dieser Austausch wird mir fehlen. Das locker lustige im Gemeinderat wird mir ebenso fehlen. Und ich werde nicht mehr überall mitreden können (lacht). Auf jeden Fall war es eine gute und interessante Zeit.
Worauf freuen Sie sich nun durch die neu gewonnene Zeit?
Als Erstes werde ich es geniessen, nicht mehr von Termin zu Termin rennen zu müssen. Und gerne würde ich Europa bereisen. Vielleicht werde ich auch anfangen zu imkern. Zudem würde ich gerne, jetzt wo ich pensioniert bin, wieder reiten gehen. Ich habe als 20-Jähriger gelernt zu reiten, bin aber schon länger nicht mehr auf einem Pferd gesessen.
Marion Heiniger im Gespräch mit Fritz Kohler, abtretender Gemeindepräsident Sumiswald.