• Als starke Frostgefahr gemeldet wurde, sind auf dem Melchnauer Birlihof alle Spargeln, die mindestens 8 bis 10 cm lang waren, abgeschnitten worden – begleitet von kaltem Wind und Schneetreiben. Erst wenn sich der Boden wieder erwärmt hat, werden sie nachwachsen. · Bilder: zvg

21.04.2017
Region

Frost macht Kulturen zu schaffen

In weiten Teilen der Schweiz sind die Temperaturen in der Nacht auf Mittwoch unter die Null-Grad-Grenze gerutscht. In den letzten zwei Nächten wurde es noch frostiger. Für Obst-, Gemüse- und Weinbauern ist die Lage kritisch. Die Blüte war nach den sommerlich warmen Tagen schon weit fortgeschritten.

Aussergewöhnlich sind Frostnächte um diese Jahreszeit nicht, wie Daniel Maurer von MeteoSchweiz auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda sagte. Weil die Temperaturen jedoch bereits im April teilweise auf sommerliche Werte kletterten, ist der Kälteeinbruch für Mensch, Tier und Pflanzen noch mehr spürbar.
Dabei war es nicht der Schnee vom letzten Dienstag, welcher die Schäden angerichtet hat. Dieser schmolz rasch wieder. Zerstörerisch aber war der starke Frost. Im Verbreitungsgebiet des «Unter-Emmentaler» sanken die Temperaturen gestern Freitagmorgen auf bis minus fünf Grad.
Auch andernorts in der Schweiz lagen die Temperaturen deutlich unter Null Grad. Ausnahmen waren die Genferseeregion und der Kanton Tessin.
Besonders für Obst-, Gemüse- und Weinbauern brachte der Temperatursturz grosse Probleme. Die Kulturen seien bereits weit fortgeschritten, sagte Georg Bregy vom Schweizer Obstverband gegenüber sda. Sobald die Temperaturen unter null Grad sänken, sei Obst gefährdet. Auch Reben seien in einem empfindlichen Stadium, sagte Hans Rüssli vom Schweizerischen Bauernverband.
Je nach Region hätten sich die Bauern entsprechend einrichten müssen. In den Seeregionen sei es zum Beispiel etwas wärmer geblieben, da Gewässer als Wärmespeicher dienten.

Spargelernte abrupt gestoppt
Auf dem Birlihof in Melchnau hat die in der ganzen Region ersehnte Spargelernte bereits vor knapp zwei Wochen angefangen. «Wenn die Ernte so früh im April beginnt, ist die Gefahr eines Kälteeinbruchs sehr gross», sagt Bauer Hans Hofer auf Anfrage des «Unter-Emmentaler».
Als sich die erste Frostnacht abzeichnete, hat das Ernte-Team auf Hofers Spargelfeld die restlichen bereits gewachsenen, mindestens 8 bis 10 cm hohen Spargeln abgeschnitten und ins Kühllager gebracht. Bis an diesem Wochenende ist dieser «Vorrat» aufgebraucht. Spargelköpfe, die bereits aus der Erde herausgeschaut haben, sind gefroren und unbrauchbar. Das hat auf dem Birlihof einen Ernteausfall von mehreren 100 kg zur Folge.

Wieder nachwachsen
«Die Spargeln werden wieder nachwachsen», so Hans Hofer. Wir können aber die Erntezeit nicht beliebig verlängern, sonst fehlen im Sommer Triebe, die aufwachsen und assimilieren können, um die Wuchskraft für die nächste Ernte einzulagern.» Klagen wolle er nicht. «Man vergisst leicht, dass wir erst den 20. April
schreiben. Zudem hatten wir dieses Jahr ausnahmsweise bereits an Ostern Grünspargeln. Im Mai können noch viele Spargeln wachsen.» Jetzt brauche es einfach Geduld, bis der Boden wieder mehr als 15 Grad warm werde und sie wieder treiben würden.
Weniger betroffen sind die Produzenten von weissen Spargeln. Weisse Spargeln wachsen im Boden. Die Kälte dämmt zwar deren Wachstum, aber sie werden vom Frost nicht zerstört.
Wenig verheissungsvoll sieht es für die Obst und Beerenkulturen aus. Zwar sind nicht alle Kulturen der Kälte gänzlich ausgeliefert. So gibt es verschiedene Vorkehrungen, um das Obst, das Gemüse oder die Reben vor Frost zu schützen.

Verschiedene Massnahmen
Das Gemüse kann zum Beispiel mit Vliesstoffen abgedeckt oder mit einem Kleintunnel geschützt werden, wie etwa bei den Erdbeeren.
Bei Obstkulturen oder beim Weinbau setzen die Bauern soweit als möglich Ventilatoren oder Paraffinkerzen ein. Wenn die Luft bewegt werde, könne sich Frost nicht oder weniger stark festsetzen, erklärte Hans Rüssli gegenüber den Medien. Verbreitet sei auch das Bewässern der Baumkronen. Dadurch entstehe um die Äste ein Eispanzer. Unter diesem Eispanzer werde es nicht kälter als -1 Grad. Dies werde zum Beispiel im Wallis bei den Aprikosenanlagen so gehandhabt.
Selbst wenn ein Teil der Blüten abfriere, sei das unter Umständen noch nicht tragisch, relativierte er. Die Natur könne Blüten im Übermass produzieren. Bereits im vergangenen Jahr sei die Schweiz im April von starkem Frost betroffen gewesen. Dennoch sei die Obsternte im Herbst gut ausgefallen.
Doch nicht überall waren in den letzten Tagen Vorkehrungen möglich. Viele Obstbäume, vor allem auf kleineren Betrieben, wo Obst und Beeren nicht zum Haupterwerb gehören, waren dem Frost vollständig ausgeliefert; innerhalb von drei Tagen war ein grosser Teil der Blütenpracht zerstört – und mit ihr die Ernte von Äpfeln, Birnen, Steinfrüchten und Beeren.
Dies hindert den «Unter-Emmentaler» allerdings nicht daran, in dieser Ausgabe eine Bilderseite (Seite 8) mit den schönsten Blütenwundern aus der Region zu veröffentlichen – auch wenn die farbige Pracht diesmal ein allzu schnelles Ende erlitten hat.

Von Liselotte Jost-Zürcher/sda