Für Flückiger ein Tag nach Murphys Gesetz
Urban Bike Festival, Zürich – Am vergangenen Wochenende hat erstmals seit langer Zeit so etwas wie ein Wettkampf auf Schweizer Boden stattgefunden: Während dem Urban Bike Festival hat die Schweizer Radquer-Elite an der «EKZ Cyclocross Challenge» teilgenommen und dabei demonstriert, was mit einem Bike alles gelingen kann. Der Wyniger Lukas Flückiger, der ebenfalls teilnahm, erlebte dabei aber eine Katastrophe nach der anderen.
Radsport · Wer kennt sie nicht, die Lebensweisheit vom US-amerikanischen Ingenieur Edward A. Murphy junior, die besagt: Alles was schief gehen kann, wird auch schief gehen. «Murphys Gesetz» hat am vergangenen Wochenende auch bei Lukas Flückiger knallhart zugeschlagen. Der Wyniger Radsport-Profi hat am Sonntag an der «EKZ Cyclocross Challenge» teilgenommen, die während dem Urban Bike Festival in Zürich absolviert wurde. Bei dieser fuhr die Schweizer Radquer-Elite um Hindernisse, überwand Treppen aufwärts mit Sprüngen, machte Weitsprung mit dem Bike oder durchquerte Wasserbecken. Mit vier Zweier-Teams, bestehend aus je einem Mann und einer Frau, entstand dadurch so etwas wie ein Wettkampf, der aber unter strengen Coronavirus-Vorschriften als sogenannte Challenge abgehalten wurde. Zu Hause konnten die Zuschauer diese online zeitversetzt in einer Live-Aufzeichnung verfolgen, der Anlass war dadurch so etwas wie der erste Wettkampf auf Schweizer Boden nach dem Lockdown. «Eigentlich ein toller Event, eine tolle Idee und auch sehr gut organisiert», kommentiert Lukas Flückiger. In seinem persönlichen Fall sollte es aber dennoch beim «eigentlich» bleiben.
Ohne Bike in Zürich angekommen
Begonnen hat für Lukas Flückiger der Tag schon sehr früh: Um 5.15 Uhr musste der gebürtige Ochlenberger zu Hause in Wynigen losfahren, schon am Abend zuvor hatte er deshalb seinen Kleinbus mit seinem Bike, Ersatzteilen und einem Rucksatz vollgepackt. «In Zürich dann war ich etwas knapp dran – ich hatte quasi die typischen Flückiger-Minuten Verspätung», scherzt er rückblickend. Dies auch, weil er in Zürich nicht ortskundig und wegen Baustellen noch ein paar Minuten auf der Suche nach dem richtigen Parkplatz war. So sei er «gerade noch ganz knapp frühzeitig» angekommen. «Um 7 Uhr wollten wir loslegen, um 6.45 sollten wir dort sein und ungefähr um zehn vor sieben habe ich angehalten.» Theoretisch also beinahe pünktlich, was auch nötig war: Der Tag war strikt strukturiert, auch, weil alles gefilmt wurde. «Uns wurde schon im Voraus gesagt, dass Schneiden innerhalb der Aufzeichnung nicht möglich sein wird. Man werde die Wiedergabe eins-zu-eins abspielen, deshalb war es auch wichtig, pünktlich loslegen zu können.» Bevor Flückiger aber die Strecke und die Hindernisse bei der geplanten, kurzen Begehung begutachten konnte, war der Schock gross: Als er nämlich seinen Kleinbus öffnete, war dieser leer.
Nicht antreten? Nicht möglich
Der 36-Jährige stand deshalb gut fünf Minuten vor dem Start ohne fahrbaren Untersatz da. Am Abend zuvor sei der Bus offensichtlich aufgebrochen worden, das ganze Equipment wurde geraubt. «Zu Hause habe ich vor der Abfahrt nicht mehr in den Bus geschaut. Und weil ich eine Trennwand habe, konnte ich auch nicht vom Fahrersitz nach hinten schauen und sehen, dass der Bus leer ist», erzählt Flückiger. Das Drama sei damit komplett gewesen: Er habe eine Startgage erhalten, zugleich sei er in einem der nur vier Zweierteams auch seiner Mitstreiterin Zina Barhoumi verpflichtet gewesen. Nicht antreten sei daher gar nicht möglich gewesen. Doch wie ein derart spezielles Bike organisieren, das kaum ein Prozent der schweizweiten Bevölkerung besitzt? Schliesslich müsste dieses offroadtauglich sein, ein gewöhnliches Strassenvelo sei daher nicht einsetzbar. «Mir war das enorm peinlich. Ich wusste genau, dass wir Flückigers für unsere Missgeschicke bekannt sind und denke, dass so manch einer dachte: Oh Mann, der Flückiger hat sein Velo einfach nur vergessen.» Dennoch halfen die Organisatoren prompt: «Einer kannte einen Velosportler, der ein Strassen-Renn-Velo zu Hause hat. Diesem haben wir dann einen Offroad-Pneu mit einer etwas stärkeren Bereifung angebracht.»
Gestürzt und Verletzung zugezogen
Immerhin konnte «Luk» damit starten – einfach sei dies aber nicht gewesen. «Ich konnte mich nicht an dieses Bike gewöhnen, musste sofort losfahren und Hindernisse meistern», erinnert er sich. Das sei schwierig gewesen. Und auch wenn ein Laie im Live-Feed dies kaum erkannt habe, so habe man einen Schluss ziehen können, findet er selbst: «Die Zuschauer haben dann alle gedacht: Der Flückiger, der kann einfach nicht Velofahren.» Tatsächlich sei ihm nur sehr wenig gelungen, auch die sonst spassigen Herausforderungen hätten unter diesen Umständen nur wenig Freude bereitet.
Beim Finallauf um etwa 11 Uhr schlug Murphy sogar noch ein weiteres Mal zu: Beim Abschlussrennen, einem etwa einminütigen Rundkurs, auf dem sich Hindernisse befanden, mussten die Teams jeweils abwechselnd und mehrmals die Strecke auf Zeit befahren. Und Flückiger verschätzte sich prompt bei einem der Posten: «Ich bin zu wenig weit gesprungen und hingefallen. Dabei zog ich mir auch noch einen Rippenbruch zu.» Kurz: Alles was schief gehen kann, ging auch schief.
Spezielle Therapie geplant
Die Teilnahme an dieser Challenge hat sich für Lukas Flückiger deshalb gleich doppelt nicht gelohnt. Nicht nur, dass sein Equipment geklaut wurde, zugleich zog er sich auch noch einen Rippenbruch zu. «Eigentlich eine tolle Idee, einen solchen Event in dieser Zeit durchzuführen. Man hat auch gesehen, was man mit einem Velo alles machen kann», sagt Flückiger. Positiv könne er unter Einbezug aller Aspekte aber dennoch nicht darüber berichten. «Ich bin jetzt dabei, alle Teile zusammenzutragen, die mir fehlen. Schliesslich habe ich kein normales Bike. Ich habe von Partnern Einzelteile erhalten, die ich dann zusammengebaut habe.» Zwar sei er versichert, der Aufwand, der nun für die Neubeschaffung und die Versicherungsabklärungen ansteht, sei hingegen nur mühsam zu bewältigen. Und nicht zuletzt muss er sich nun auch noch von einer Verletzung erholen. «Ich hatte in diesem Jahr gleich mehrere Stürze. Deshalb habe ich mich entschieden, eine etwas ausgefallenere Behandlungsmethode zu wählen.» Schon wenige Tage nach dem Sturz hat er deshalb zwei Termine im Tessin für die sogenannte Orthobionomie-Therapie wahrgenommen. Dort sollten unter anderem Selbstregulierungskräfte freigesetzt und das Skelett entlastet werden. «Aktuell verspüre ich einen Stress in meinem Körper, vor allem muskulär, bedingt durch die Stürze», sagt Flückiger. Neben einer raschen Heilung des Rippenbruchs hofft er auf Entlastung des Stressempfindens.
Immerhin kann sich Lukas Flückiger die Auszeit besser leisten als in anderen Jahren. «Hätte ich deswegen Rennen verpasst, würde ich mich richtig ärgern», gibt er zu. Die ersten Wettkämpfe vom UCI-Verband sind aber erst im September geplant. Erst kürzlich wurde ein angepasster Rennkalender veröffentlicht. Am ersten September-Wochenende soll die Saison demnach mit dem Weltcup in der Lenzerheide starten. Danach sind mehrfach innerhalb von einer Woche gleich mehrere Short-Track- und Cross-Country-Rennen in unterschiedlichen Ländern angesetzt. «Darauf freuen wir uns sehr. Realistisch gesehen bin ich aber nicht sehr zuversichtlich, dass diese Wettmessen überhaupt stattfinden werden.» Er geht davon aus, dass einzelne Wettkämpfe in der Schweiz möglich sein werden, internationale Rennen aber eher unwahrscheinlich sind, weil die Länder der teilnehmenden Fahrer sehr unterschiedliche Voraussetzungen rund um die Pandemie besitzen.
Motiviert, Fortschritte zu machen
Auch wenn die Aussichten für Lukas Flückiger derzeit in vielen Belangen düster sind, versucht er positiv zu bleiben. «Ich bin motiviert, mich im Training zu verbessern», betont er. Die fehlenden Rennen würden Platz schaffen, sich auf andere Dinge zu konzentrieren und dadurch Fortschritte machen zu können. Auch die Verschiebung der Olympischen Spiele sei kein Nachteil für ihn. «Der Olympia-Traum ist weiterhin präsent», sagt er. Flückiber bleibt aber auch Realist, denn die letzten Resultate würden ihm nicht unbedingt Vorteile einbringen, vor allem auch deshalb arbeite er hart an sich, um sich den Traum doch noch zu erfüllen. «Vorerst werde ich versuchen, mich fit zu halten. Im Juli sehe ich dann, wie realistisch der Rennkalender ist. Dann schaue ich weiter.» Bis es so weit ist, werde er den Fokus so beibehalten, als würden diese Rennen stattfinden.
Dabei wird glücklicherweise aber nicht Murphys Gesetz ausschlaggebend sein, sondern eher die Corona-Pandemie …
Von Leroy Ryser