Gemeindewahlen: Alles Müller oder was?
Bei den Gemeindewahlen vom 27. Oktober in Langenthal lautet die spannendste Frage: Wer ersetzt im Gemeinderat die austretenden Helen Morgenthaler, Roberto Di Nino (beide SVP), Markus Gfeller (FDP) und Matthias Wüthrich (Grüne)? Obwohl mit Marco Burkhalter (parteilos, Obersteckholz) ein zweiter Kandidat für das Stadtpräsidium kandidiert, dürfte der amtierende Stadtpräsident Reto Müller für eine dritte Amtsdauer wiedergewählt werden.
Langenthal · Eines steht vor den Gemeindewahlen in Langenthal bereits fest: Die neue Legislatur 2025 bis 2028 wird die Langenthaler Politik mit einer fast komplett neu zusammengesetzten Exekutive in Angriff nehmen. Nicht weniger als vier der sieben Gemeinderätinnen und Gemeinderäte treten nicht mehr zur Wiederwahl an oder besser gesagt, können auf Grund der Amtszeitbeschränkung nicht wiedergewählt werden. Es sind dies: Helen Morgenthaler, Roberto Di Nino (beide SVP), Markus Gfeller (FDP) und Matthias Wüthrich (Grüne).
Für die sieben Sitze in der Langenthaler Exekutive bewerben sich 26 Kandidierende (9 Frauen und 17 Männer). Die grössten Chancen auf eine Wiederwahl besitzt der amtierende Stadtpräsident Reto Müller (SP). Er muss sich zwar einem Gegenkandidaten stellen, doch die Chancen des parteilosen, 39-jährigen selbständigen Malers Marco Burkhalter aus Obersteckholz werden allgemein als gering eingeschätzt, auch wenn in der Langenthaler Bevölkerung eine gewisse Unzufriedenheit mit dem amtierenden «Stapi» auszumachen ist.
Unzufriedenheit spürbar
Dieser hat in einem Interview mit dem Regionaljournal von Radio SRF zwar zu verstehen gegeben, dass er keine Politik betreibe, um allen zu gefallen, sondern zusammen mit den anderen Exekutiv-Mitgliedern eine mehrheitsfähige Politik anstrebe. In der Tat, ein Stadtpräsident wird es nie allen recht machen können und wird auch nie in der Gunst von allen stehen. Aber, und das muss Reto Müller zur Kenntnis nehmen, die wachsende Unzufriedenheit mit dem «Stapi» liegt auch daran, dass viele Leute in Langenthal das Gefühl haben, dass in der Stadt seit geraumer Zeit ein Entwicklungs-Stillstand herrscht, dass viele Projekte vor sich hin «dümpeln», dass es an Tatkraft, Entschlossenheit und Mut in der städtischen Politik fehlt und keine Aufbruchstimmung herrscht, was viele direkt mit Reto Müller und seinem Auftreten als Stadtpräsident in Verbindung bringen, weshalb sich viele Langenthalerinnen und Langenthaler diesbezüglich eine stärkere Führungsrolle des «Stapi» wünschen würden. Wie auch immer, festhalten muss man aber auch, dass Reto Müller nicht für alles verantwortlich gemacht werden kann, was in den letzten Jahren aus Sicht der Bevölkerung nicht wunschgemäss lief, da würde man ihm nicht gerecht werden, denn seine Arbeit als Stadtpräsident war die letzten acht Jahre durchaus solide, ansprechend und akzeptabel, wie man sich das von einem Langenthaler «Stapi» gewohnt ist. Damit setzt er die Tradition seiner Vorgänger fort, die ebenfalls nicht gerade als charismatische, prägende oder dominante Leaderfiguren in Erscheinung traten, aber ihre Aufgabe zweifellos souverän, ordentlich und zufriedenstellend erfüllten.
Spannender Kampf um Gemeinderatssitze
Viel spannender als das Duell um das Stadtpräsidium ist der Kampf um die sieben Gemeinderatssitze. Hier stellt sich vor allem die Frage, wer den Sitz des abtretenden Matthias Wüthrich (Grüne) «erbt». Durchaus denkbar ist hier, dass die SP künftig drei Sitze im Gemeinderat belegen wird, neben Stadtpräsident Reto Müller mit der bisherigen Martina Moser und neu mit Roland Loser, dem langjährigen, bewährten Stadtrat. Aber auch die aktuellen Stadtratsmitglieder Saima Sägesser und Sandro Baumgartner besitzen berechtigte Chancen für den Sprung in den Gemeinderat. Eher gering scheinen die Chancen der Grünen auf die erfolgreiche Verteidigung ihres bisherigen Gemeinderat-Sitzes, obwohl sich mit dem ehemaligen Stadtrat Serge Wüthrich eine bekannte Person um den Sitz bewirbt.
Kommt es zu einer Rochade bei der FDP ?
Die FDP wiederum muss einen ihrer beiden Sitze neu besetzen und den abtretenden Markus Gfeller ersetzen. Mit Stadtrat Diego Clavadetscher sowie den Stadträtinnen Franziska Zaugg und Stefanie Barben verfügt die Partei über politisch erfahrene Personen, die sich reelle Chancen auf einen FDP-Sitz im Gemeinderat machen dürfen. Nicht ganz ausgeschlossen scheint hier, dass der bisherige FDP-Gemeinderat Michael Schär die angestrebte Wiederwahl in den Gemeinderat nicht schafft und von einem anderen FDP-Mitglied verdrängt wird. Eher unwahrscheinlich scheint dagegen, dass die FDP einen dritten Sitz (jenen von Matthias Wüthrich) erringen wird.
Gering sind auch die Aussichten des Bündnisses glp/EVP/Mitte auf einen Sitz im Gemeinderat, obwohl mit Fabian Fankhauser (glp) und Michael Sigrist (EVP) zwei aktuelle Stadträte zur Wahl antreten. Bleibt noch die SVP, die gleich zwei abtretende Gemeinderäte (Helen Morgenthaler und Roberto Di Nino) ersetzen muss. Doch die SVP tritt mit einer starken Liste zu den Gemeinderatswahlen an. Denn mit dem langjährigen Stadtrat Patrick Freudiger hat die Partei einen Kronfavoriten für einen Sitz im Gemeinderat in ihren Reihen und mit den aktuellen Stadträten Martin Lerch und Patrick Fluri zwei bewährte und breit vernetzte Lokalpolitiker auf der Liste. Mit Stadträtin und Parteipräsidentin Corinna Grossenbacher sowie Stadtrat Janosch Fankhauser treten hier weitere politisch erfahrene Personen zur Wahl an. Trotz dieser personell stark besetzten Liste wäre es dennoch eine Überraschung, wenn die SVP mehr als die bisherigen zwei Sitze erobern würde.
Und welche Auswirkungen haben die Wahlen für den 40-köpfigen Stadtrat? Aufgrund der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der aktuellen Stadträtinnen und Stadträte erneut kandidiert, dürfte es, wenn überhaupt, nur zu geringen Verschiebungen bei den Parteisitzen kommen. Gespannt darf man diesbezüglich vor allem sein, wie sich das Kräfteverhältnis zwischen dem linken und rechten Lager nach den Wahlen präsentieren wird, ob weiterhin praktisch eine Patt-Situation bestehen wird wie bisher, oder eines der beiden Lager eine deutliche Mehrheit erzielen kann.
Von Walter Ryser