Gemeinsamer Erfolg dank Zusammenarbeit
Eine gute Zusammenarbeit zwischen Institutionen für Menschen mit Beeinträchtigung und der Wirtschaft nützt allen. Die Koordination im Raum Emmental könnte jedoch analog dem Raum Zürich vielleicht noch etwas verbessert werden. So das Fazit aus dem jüngsten und hochinteressanten Emmentaler Wirtschaftszmorge in der Bärauer Stiftung «LebensART».
Bärau · Das von der Regionalkonferenz Emmental organisierte diesjährige Emmentaler Wirtschaftszmorge war erneut ein voller Erfolg, nahmen doch gut 100 Gäste aus Wirtschaft und Politik daran teil. Und der Veranstaltungsort Stiftung «LebensART» passte ausgezeichnet zum gewählten Thema «Werkstätten und Unternehmen kooperieren – beide profitieren». Die verschiedenen Referate zeigten eindrücklich wie Werkstätten für Menschen mit Beeinträchtigung als Dienstleister für die Wirtschaft wertvolle Arbeit leisten können. Dass der kürzlich erfolgte Systemwechsel in der Berner Politik gerade diese Institutionen unter Druck setzt war nicht zu überhören.
440 Pflege- und Betreuungsplätze sowie 60 Tagesplätze
Gastgeber Markus Hobi, Geschäftsführer der Stiftung «LebensART», Bärau, gab einleitend einen Überblick über «seinen» ständig wachsenden Betrieb. Nebst den 227 Pflegeplätzen für das Alter gibt es dort 206 Betreuungsplätze für Menschen mit Beeinträchtigung (IV) und ca. 60 Beschäftigungsplätze für Tagesaufenthalter. Das Angebot, das an den verschiedenen Arbeitsplätzen produziert wird ist riesig und umfasst von Gärtnerei über Handwerk, kreatives Arbeiten, Textilservice bis Landwirtschaft eine Vielzahl weiterer Bereiche. So sind zum Beispiel kreative Dekorationen und Geschenke aus den Werkstätten, Backwaren und anderes aus der Gastro-nomie, Schnittblumen, Dekorationen und Setzlinge aus der Gärtnerei erhältlich.
«Bei uns können sie die Setzlinge noch einzeln kaufen und müssen nicht einen ganzen Karton voll nehmen wie beim Grossverteiler» betont Markus Hobi. Daneben werden Lohnarbeiten für verschiedene KMU der Region erledigt. «Wir sind ebenfalls Ausbildungsbetrieb» betont der Geschäftsführer «bilden wir doch 50 Lehrlinge in 14 verschiedenen Berufen aus.»
Anhand des Beispiels aus der Region Zürich zeigte Jürg Amrein, Präsident Verein «AuftragArbeit.ch» auf, wie die Zusammenarbeit von Behindertenwerkstätten mit der Wirtschaft optimiert werden kann. Dort sind 50 Produktionsbetriebe mit 4877 Arbeitsplätzen für Menschen mit mittleren bis leichten geistigen, körperlichen, psychischen und/oder Sinnesbeeinträchtigungen vorhanden. In den
verschiedenen Produktionsbetrieben werden hochstehende Dienstleistungen in bester Qualität und Termintreue für über 60 Bereiche angeboten. Nach anderthalb Jahren Vorarbeit war es soweit, dass mit dem «Verein Auf-tragArbeit.ch» eine Anlaufstelle da war, bei der auf einfache Art für die Dienstleistungen eine Auswahl von geeigneten Auftragnehmern gefunden werden konnte. Wichtig war beim ganzen Prozess, dass die einzelnen Institutionen, die ja auch Mitbewerber sind, sich kooperativ verhalten.
Vier regionale Werkstätten stellen ihre Dienstleistungen vor
Anette Keller ist Direktorin der Justizvollzugsanstalt für Frauen aus der deutschen Schweiz in Hindelbank, in der die eingewiesenen Frauen aus allen Kantonen stammen. Bei den 107 Plätzen gibt es von der Hochsicherheit bis zum Arbeitsexternat alle Stufen des Vollzugs. Unter dem Slogan «Frauenpower für ihre KMU» erbringt die Justizvollzugsanstalt in den Bereichen Waschwerk, Stoffwerk und Packwerk eine Vielzahl von externen Dienstleistungen. So werden bis zu 800 Kilo Wäsche pro Tag für externe Betriebe gewaschen. «Arbeit ist das beste Mittel damit niemand rückfällig wird» erklärte Direktorin Anette Keller.
«Das Karolinenheim in Rumendingen – das ist eine kleine Gemeinde im unteren Emmental in der fast mehr Pferde als Leute leben – besteht seit 100 Jahren», sagt Geschäftsleiter Markus Bärtschi. Unter dem Motto «fertig gebastelt, jetzt wird fabriziert»; wird an rund 58 geschützten Arbeitsplätzen gearbeitet. Kundenaufträge bestimmen neben Eigenkreationen die Produktepalette, welche zu einem Drittel über Fachgeschäfte umgesetzt werden. Die Spezialität sind Holzwaren, doch gibt es beispielsweise auch einen Verpackungsservice nach Kundenwunsch. «Qualität und Vielseitigkeit sind unsere Stärken», stellt der Geschäftsleiter fest.
Die Burgdorfer Stiftung Intact erbringt gemäss Roland Hauri, Leiter der Abteilung Triage, zahlreiche sozial und ökologisch sinnvolle Leistungen. Das Beschäftigungs- und Integrationsangebot ist über die Jahre stark gewachsen und umfasst heute ein breites Angebot von Dienstleistungen zugunsten Dritter. Das Ziel ist eine Integration der Leute im Arbeitsmarkt, was laut Roland Hauri im allgemeinen recht gut gelingt. Der Name BEWO «Berufliche Eingliederung und Werkstätte Oberburg» sagt eigentlich alles über den Zweck dieser Institution. 230 Menschen mit Beeinträchtigung zeigen dort in einem angepassten Umfeld eine gute Leistung. Hakan Kurtogullari, Geschäftsführer der BEWO ist derzeit stark gefordert. Weil am heutigen Standort der Platz zu knapp wurde, wird in Oberburg im Bereich der ehemaligen Maschinenfabrik Stalder in Umbauten und einem Neubau derzeit intensiv gebaut. Im Jahr 2019 sollen diese Bauten bezugsbereit sein.
Positive Erfahrungen
Beim anschliessenden, von Geschäftsführerin Karen Wiedmer moderierten Gespräch, diskutierten Ernst Kühni von der Kühni Holzbau AG, Ramsei und Marcel Meister von der Firma Meister & Cie. AG, Hasle-Rüegsau über die Möglichkeiten für ihre Betriebe Aufträge zu erteilen an Werkstätten welche Menschen mit Beeinträchtigungen beschäftigen. Weil im Holzbau vor allem auf Baustellen gearbeitet wird, sind dem Einsatz von Menschen mit Beeinträchtigung Grenzen gesetzt. Die Kühni Holzbau AG vergibt jedoch, wenn immer möglich Aufträge für geeignete Dienstleistungen – z.B. Verpacken von Weihnachtsgeschenken - an derartige regionale Institutionen. Bei der Firma Meister & Cie. AG ist die Situation etwas anders, gibt es doch dort viele Produkte, die in solchen Institutionen fertig konfektioniert werden können. «Bärau fahren wir praktisch jeden Tag an» erklärt Marcel Meister. Bei kurzfristigen Grossaufträgen könnte es aber interessant sein, wenn es auch hier eine solche Stelle gäbe wie in der Region Zürich.
Von Ernst Marti