Genügt eine Gemeindeversammlung pro Jahr?
Kürzere Entscheidungswege, moderne und effiziente Strukturen: Diese Anforderungen stellte der Gemeinderat Affoltern an das neue überarbeitete Organisationsreglement. Dabei soll der Rat künftig mehr Kompetenzen bei Gemeindeerlassen und höhere finanzielle Kompetenzen erhalten. Zudem möchte er ab kommendem Jahr nur noch eine statt wie bisher zwei ordentliche Gemeindeversammlungen durchführen.
Affoltern · «Bei der Erarbeitung des neuen Organisationsreglements wurde besonders darauf geachtet, dass die Gemeinde künftig über moderne und effiziente Strukturen verfügt und die Entscheidungswege kurz gehalten werden», erklärte Gemeindepräsident Roland Ryser an der Informationsveranstaltung vom vergangenen Freitag. Die Totalrevision des Organisationsreglements der Einwohnergemeinde Affoltern, welche den Stimmberechtigten an der kommenden Gemeindeversammlung vom 21. Juni zur Abstimmung vorgelegt wird, beinhaltet nichts Weltbewegendes. Zwei Punkte jedoch lassen aufhorchen. Zum einen soll künftig nur noch eine anstelle der bisher jährlich zwei ordentlichen Gemeindeversammlungen durchgeführt werden, die Versammlung im Frühling, an der jeweils die Jahresrechnung genehmigt wird, soll entfallen. Die Rechnung, grundsätzlich eine Formsache, soll künftig – unter Berücksichtigung des fakultativen Referendums – durch den Gemeinderat genehmigt werden. Zum anderen soll der Gemeinderat mehr Kompetenzen erhalten und – neben dem Organisationsreglement, dem Reglement über Urnenwahlen und -abstimmungen sowie die baurechtliche Grundordnung – alle anderen Gemeindeerlasse selbst genehmigen können, ebenfalls mit der Möglichkeit des fakultativen Referendums. Mehr Kompetenz soll der Gemeinderat laut neuem Organisationsreglement auch in finanziellen Belangen erhalten. Sie würde den heutigen Gegebenheiten angepasst und von aktuell 100 000 Franken auf neu 250 000 Franken erhöht. Eingeschränkt würde der Gemeinderat dabei auch hier durch die Möglichkeit eines fakultativen Referendums bei Ausgaben zwischen 100 000 Franken und 250 000 Franken. «Die Kosten haben sich gegenüber früher deutlich erhöht. Durch die angepasste finanzielle Kompetenz erhält der Gemeinderat bei dringenden Geschäften eine grössere Flexibilität», erläutert Gemeindepräsident Roland Ryser. Um ein fakultatives Referendum ergreifen zu können, müssen mindestens Unterschriften von fünf Prozent der Stimmberechtigten gesammelt werden. Im Falle von Affoltern wären das rund 45 Unterschriften. Die Referendumsfrist beträgt bei der Jahresrechnung und Kreditgeschäften 30 Tage, bei Erlassen von Gemeindereglementen 60 Tage.
Wahlen an der Urne
Der Gemeinderat Affoltern hat nicht nur das Organisationsreglement einer Totalrevision unterzogen, sondern er hat auch das Reglement über Urnenwahlen und Urnenabstimmungen neu verfasst. Hierbei soll neu die Wahl der Gemeinderatsmitglieder nicht mehr an der Gemeindeversammlung sondern an der Urne erfolgen. «Wir erhoffen uns damit eine höhere Beteiligung als an der Gemeindeversammlung», erklärte Roland Ryser. Zudem soll vom bisherigen Proporzwahlverfahren (Verhältniswahlen/Parteistimmen) auf das Majorzwahlverfahren (Mehrheitswahlen) gewechselt werden. Die Wahl des Gemeindepräsidiums, aus der Mitte des Gemeinderats, wird weiterhin an der (Budget-) Gemeindeversammlung erfolgen. In Hinblick auf die anstehenden Gemeinderatswahlen 2024 soll eine Übergangsbestimmung bereits dieses Jahr die Wahl nach neuem Reglement ermöglichen. Offiziell in Kraft treten wird das Reglement jedoch erst ab dem 1. Januar 2025. Dass insbesondere die erhöhte Kompetenz des Gemeinderates nicht allen Bürgern passt, wurde an der Informationsveranstaltung deutlich, als ein Anwesender sagte, er fühle sich dadurch in seinem Recht beschnitten. Zudem fände er es schade, dass in einer solch kleinen Gemeinde nur noch eine Gemeindeversammlung stattfinden solle. Ein Anderer mahnte den Gemeinderat betreffend dem fakultativen Referendum. Falls in der Zukunft die erforderlichen Unterschriften nicht mehr nur physisch sondern auch online erbracht werden könnten, sei die Hürde von fünf Prozent allenfalls zu tief. Ob die Stimmberechtigten von Affoltern den beiden neuen Reglementen ihre Stimme geben können, wird sich an der kommenden Gemeindeversammlung vom 21. Mai zeigen.
Von Marion Heiniger