«Ghüder» anderer Leute war sein täglich Brot
Er hat sich 32 Jahre mit dem «Ghüder» von anderen Leuten beschäftigt. Doch Ende Oktober ist Schluss damit, wird Hanspeter Zingg als Werkmeister der Stadt Langenthal pensioniert. Obwohl Littering und Abfallberge deutlich zugenommen haben, verlässt Hanspeter Zingg seine Arbeitsstelle mit einer grossen Genugtuung, im Wissen, «dass ich über viele Jahre hinweg einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten durfte.»
Früher, da war alles besser, hört man hin und wieder ältere Leute sagen. Hanspeter Zingg würde dieser Aussage nicht vorbehaltlos zustimmen, aber der Werkmeister der Stadt Langenthal, der Ende Oktober nach 32 Jahren Tätigkeit beim Werkhof in Pension geht, sagt zumindest, dass früher einiges anders, einfacher war. Hanspeter Zingg erinnert sich an seine Anfänge im Langenthaler Werkhof. Als er 1989 hier begann, da habe man vieles noch per Handschlag geregelt, erwähnt er. «Heute ist die Abwicklung gewisser Arbeiten und Tätigkeiten viel komplexer, verbunden mit einem enormen administrativen Aufwand», sagt der 64-jährige Werkmeister, der sieben Jahre nach seinem Eintritt, im Jahre 1996, die Leitung des Langenthaler Werkhofes übernahm.
Damals sei die Arbeit für ihn auch besser gewesen, menschlicher, mit vielen guten Beziehungen. Er habe mit den Leuten der Stadtverwaltung zwar immer ein gutes Verhältnis gehabt, aber früher habe man sich noch persönlich gekannt, weil der Personalbestand auf der Verwaltung stabil gewesen sei. Seither habe bei der Verwaltung jedoch eine stattliche Personalentwicklung stattgefunden, verbunden mit ständigen Wechseln, so dass man heute die zuständigen Personen oft gar nicht mehr kenne, bemerkt der Werkmeister.
Vor 30 Jahren wurde nicht auf der Strasse gegessen
Gleichzeitig mit der Entwicklung in der Verwaltung habe aber auch das Arbeitsvolumen sowie das Tätigkeitsgebiet im Werkhof massiv zugenommen. Bei dieser Feststellung kann sich Zingg ein Schmunzeln nicht verkneifen und er fügt hinzu: «Gleichzeitig stehen uns weniger Mitarbeitende zur Verfügung als damals.» Dafür seien diese qualitativ besser ausgebildet. Als er im Werkhof begonnen habe, seien nicht selten Ungelernte und Arbeitslose angestellt worden, heute seien auch im Werkhof Fachleute unerlässlich, weist er darauf hin, dass man seit zehn Jahren Lernende «Fachmann Betriebsunterhalt» ausbilde. Habe sich früher die Strassen- und Abfallreinigung auf die Werktage konzentriert, sei dies mittlerweile eine ständige Aufgabe, 365 Tage im Jahr. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, benötige man ein qualitativ gutes Team.
Besser war es früher nicht unbedingt, aber anders, was Hanspeter Zingg an einem Beispiel erklärt: «Vor 30 Jahren hat man in der Stadt niemanden angetroffen, der sich fliegend verpflegt hat. Gegessen wurde zu Hause oder im Restaurant. Einen McDonald’s gab es noch nicht und dadurch gab es im öffentlichen Raum auch kaum Abfallprobleme.» Durch den gesellschaftlichen Wandel habe Abfall und Littering stark zugenommen. «Ich stelle fest, dass wir auf einem sehr hohen Niveau leben, wo vieles einfach weggeworfen wird, darunter Waren und Produkte, die man durchaus noch gebrauchen könnte», bemerkt der Vater zweier erwachsener Töchter.
Trotzdem betrachtet er im Rückblick seine Arbeit nicht als Last oder gar mit einer gewissen Verbitterung, ganz im Gegenteil. «Ich hatte mit unglaublich vielen Leuten Kontakt und dadurch sind auch viele schöne Beziehungen entstanden. Zudem habe er in seiner Tätigkeit weitgehend freie Hand gehabt, was er sehr geschätzt habe», sagt der Werkmeister, der 30 Leuten vorsteht und deren tägliche Einsätze koordiniert (inklusive der Gemeindegärtnerei, die dem Werkhof angegliedert ist). Der gelernte Maurer und Baupolier spricht auch davon, dass ihn seine Arbeit oft mit Genugtuung erfüllt habe, wenn er an freien Tagen mit seiner Frau durch eine saubere Stadt spaziert sei. «Über viele Jahre durfte ich einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten», sagt er.
Es fehlt an Disziplin und Respekt
Für eine Gesellschaft allerdings, deren Verhalten ihn nachdenklich stimmt. Es mangle ihr an Disziplin und Respekt gegenüber der Umwelt, stellt Hanspeter Zingg fest. Obwohl jeder wisse, dass man den eigenen Abfall entsorgen sollte, würden sich zu viele Leute nicht an die allgemein bekannten Regeln halten und deshalb nehme das Litteringproblem teilweise beängstigende Ausmasse an. «Das kann man beispielsweise nach dem Mittag beim Coop Bäregg eindrücklich feststellen, muss man doch hier lediglich dem Abfall folgen, um zu den Schulzentren zu gelangen», erwähnt Zingg als Beispiel. Man dürfe aber deswegen die Hoffnung nicht aufgeben, sondern müsse weiter putzen, Aufklärungsarbeit verrichten und immer wieder darauf hinweisen, den Abfall nicht liegen zu lassen. Vorerst etwas liegen lassen will Hanspeter Zingg ab November die Arbeit. Er habe keine grossen Pläne für die Zeit nach der Pensionierung, blickt er auf die kommenden Monate. Es gebe diverse Anfragen von Vereinen und Institutionen, sagt er. Er lasse jedoch alles ruhig auf sich zukommen. Nicht ganz so ruhig dürfte es ab November sein Nachfolger Peter Fiechter haben, ein gelernter Elektromonteur/Netzelektriker und langjähriger Bau- und Stützpunktleiter bei der onyx. Auf den Nachfolger von Zingg warten nämlich neue Projekte wie die Modernisierung der Wertstoffsammelstelle oder die Reorganisation des Winterdienstes.
Von Walter Ryser