• Vor einem Jahr absolvierte die Huttwilerin Giulia Wegmüller die Zulassungsprüfung (Audition) an der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) für die Aufnahme zum Musical Studium. Nur um sich «vorzutasten», denn für die Aufnahme war sie zu jung. Letzte Woche trat sie erneut zur Audition an, immer noch als weitaus Jüngste und Nummer 150 unter allen Prüflingen. Doch diesmal liess die Uni sie trotz dem sehr jugendlichen Alter nicht mehr ziehen – im September darf die 17-Jährige ihr Studium in Wien aufnehmen. · Bild: fotografica

  • Auf der grossen Bühne fühlt sich Giulia Wegmüller wohl. · Bild: zvg

05.02.2020
Huttwil

Giulia Wegmüller: Ein grosser Schritt weiter auf der Karriereleiter

Vor einem Jahr absolvierte die Huttwilerin Giulia Wegmüller die Zulassungsprüfung (Audition) an der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) für die Aufnahme zum Musical Studium. Nur um sich «vorzutasten», denn für die Aufnahme war sie zu jung. Letzte Woche trat sie erneut zur Audition an, immer noch als weitaus Jüngste und Nummer 150 unter allen Prüflingen. Doch diesmal liess die Uni sie trotz dem sehr jugendlichen Alter nicht mehr ziehen – im September darf die 17-Jährige ihr Studium in Wien aufnehmen.

«Ich bin überglücklich!» – Giulia strahlt, kann ihr Glück kaum fassen. Noch sind die Eindrücke von der anstrengenden Audition an der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien gross. Noch klingen die Worte in ihren Ohren, als ihre Nummer, die 150, unter insgesamt nur acht Aufgenommenen für das Musical-Studium ausgerufen wurde.
Zuletzt natürlich, denn W, Wegmüller, steht weit hinten im Alphabet und die damit verbundene Nummer denn auch fast am Schluss der Prüflinge. Zu allem hin hatte sich Giulia bei der Bekanntgabe der Studienplätze verzählt. Als sieben Nummern aufgerufen waren, dachte sie: «Ach schade!». Wie aus dem Nebel erklang: «Und noch die Nummer 150.» Fast im Unterbewusstsein erlebte sie die Gratulationen, die ersten Mitteilungen der Lehrer in einem Nebenraum. «Ich würde den Raum nicht mehr finden.»
Aber eins wird sie nie vergessen: An einer Wand hingen acht schwarze Stofftaschen; völlig unspektakulär. Zu jeder dieser Taschen gehörte eine Figur. Die jungen, eben erkorenen Studentinnen und Studenten mussten sich zu derjenigen Figur stellen, die ihnen am meisten bedeutete und auch erklären, weshalb sie die Figur ausgewählt hatten. Ein merkwürdiges Spiel … Giulia wählte ohne viel zu überlegen «Frozen», die Eiskönigin, denn dieses Musical verbindet sie mit Fabian, ihrem Freund, der an derselben Uni studiert und sein Studium bereits vor einem Jahr begonnen hat. Mit diesem Spiel wurden die Paten für die Neulinge zugeteilt. Hinter «Frozen» steckte Fabian … Giulia erhält damit einen Paten, der ihr kaum weniger vertraut sein könnte.
Die 17-jährige Huttwilerin ist am ersten grossen Ziel angelangt. Gleichzeitig aber auch am Anfang: Sie wird ihr ungewöhnliches Talent, ihren starken Willen, ihr zielorientiertes, diszipliniertes Arbeiten in den nächsten vier Jahren in Wien weiter brauchen können, um sich die Grundlagen für die grosse Musical-Bühne zu erschaffen. Den Spitznamen hat sie bereits: «MUK-Baby», denn mit 17 Jahren ist sie gerademal fünf Jahre jünger als eine ihrer Mitstudentinnen.

Wie Prinzessin Lillifee
Nicht die Musicals hatte die damals vierjährige Giulia Wegmüller allerdings im Kopf, als sie fasziniert vor dem Fernseher sass und sehnsüchtig sagte: «Ich will einmal tanzen können wie die Prinzessin Lillifee.»
In der Huttwiler Tanzschule Tanzpasion bei Nicole Rodriguez zeigte sich schnell, dass das Mädchen das Talent zur «Prinzessin Lillifee» durchaus besass. Die kinderliebende und fröhliche Tanzlehrerin förderte das Kind so lange als möglich und stellte nach zehn Jahren fest: «Du solltest dein Ballett noch ausfeilen!» Das tat Giulia an der Musical Factory in Luzern. Vormittags wurde zuhause im Rahmen eines Homeschoolings intensiv gelernt, am Nachmittag fuhr sie nach Luzern in die Musical Factory.

Multitalent
Dass sie so schön singen kann, dass sie eine gute Schauspielerin ist, das wissen sie und ihre Familie seit wenigen Jahren, nämlich seit sie im Rahmen ihrer tänzerischen Ausbildung an der Musical Factory Luzern einen Schauspielkurs belegte und feststellte, dass ihr dies ebenfalls sehr viel Freude bereitet. Damals, das heisst vor etwa dreieinhalb Jahren, begann der Entschluss zu reifen, ein Vorstudium und später ein Studium in Musical zu absolvieren. Die Kursbelegungen in der Musical Factory begannen sich für das talentierte Mädchen zu ändern: Zu den verschiedensten Tanzrichtungen kamen mit genau derselben Begeisterung Sologesang und Schauspiel dazu.

Workshops nebst dem Studium
Dazwischen folgten verschiedene zusätzliche Kurse in Sologesang, in Musical und Klassik, Musicalrepertoire, Musiktheorie, Jazz, Steppen, Ballett, Hip-Hop, Schauspieltechnik, Sprechtechnik, Impro … Viel Freude bereiteten ihr auch die Workshops an der Universität der Künste in Essen, in der ArtsED (Arts Education) in London und während den Sommerferien an der Musical Factory Luzern.
Ihr zielbewusstes und leidenschaftliches Arbeiten hat sich gelohnt. Durch die Aufnahme für das Vorstudium Musical an der Musical Factory Luzern – natürlich als Jüngste – konnte sie sich mit gehissten Segeln auf ihr Studium in Wien vorbereiten. Wegen ihres jugendlichen Alters hängte sie sogar noch ein Jahr Vorstudium an.
Im Februar 2019, zum «Vortasten», versuchte sie sich erstmals an der Zulassungsprüfung (Audition) an der Musik- und Kunst-Privatuniversität der Stadt Wien für die Aufnahme zum Musical Studium. Nur zum «Schnuppern», denn die Zulassung war unmöglich. Sie schaffte es als jüngste Teilnehmende bis ins Finale und man hätte sie bereits zugelassen, war der Bescheid. Doch noch sei sie – wie erwartet – zu jung. Die MUK würde sich aber freuen, sie im Januar 2020 wiederzusehen. Es ist offensichtlich, die Freude ist allseits SEHR gross …
Das «Zuhauselernen» mit ihrer Mutter hat sie einstweilen beibehalten, wenn auch nur noch beschränkt. Auch ihr Bruder Gian unterstützt die «kleine» Schwester, wo immer er kann, erteilte ihr unter anderem Englisch-Unterricht. Englisch ist im Musical-Bereich unabdingbar.

Einmal mehr «zu jung»
Die Musical Factory hat Giulia Wegmüller die Türen für die ersten grösseren Bühnenauftritte geöffnet. Wie einst an Anlässen in der Volksschule oder bei «Tanzpasion on stage» fühlt sich Giulia auch auf den anspruchsvolleren Bühnen zuhause – an den Christmas Showcases der Musical Factory Luzern, am Neujahrskonzert- Medley aus «Les Misérables» und vielen weiteren. Für die Thuner Seespiele 2020, «Io senza te», nahm sie an den Castings teil.
Man konnte ihr keine Rolle zuteilen, denn für dieses Musical war sie einmal mehr – zu jung. Was aber nicht hiess, dass die Verantwortlichen nicht begeistert von ihr waren: Die Audition für die Thuner Seespiele verschaffte ihr eine Rolle im Theater 11 in Zürich für die Jubiläumsshow für 50 Jahre Freddy Burger Management, wo sie am 5. Dezember 2019 in «Mamma Mia» ein Solo singen durfte. «Nur eine kleine Rolle», meint sie strahlend, «aber es war genial.»

Loslassen
Wenn Giulia Wegmüller im September zu neuen Ufern aufbricht, wird sie zuhause loslassen müssen. «Das wird hart sein», sagt sie und streichelt liebevoll den kleinen Zwergpudel.
«Aber ich freue mich sehr darauf, in der Nähe von Fabian leben und studieren zu dürfen. Ich freue mich auf das Studium, auf Wien. Hier in der Schweiz würde ich nicht weiterkommen – und unglücklich werden. Denn Musical-Darstellerin ist mein Traumberuf.» In der MUK in Wien wisse sie sich
bestens aufgehoben: «Etwas vom Ersten, das uns die Lehrer sagten, war, dass es in der Schule nicht um Einzelkämpfe gehe. Alle würden zusammenarbeiten, würden ein einziges grosses Team bilden.» Ein bedeutender Aspekt für Giulia Wegmüller, die in ihrem schulischen Umfeld immer wieder Neid erlebte. «Heute ist mir bewusst, dass ich auf Neid stossen werde, trotzdem finde ich es schade, dass Menschen so reagieren.» Doch sie lacht schon wieder: «Ich werde lernen, damit umzugehen.»

Von Liselotte Jost-Zürcher