Grosses «Huttu-Fest» für Bühneneinrichtung
Der Städtlisaal im Hotel Kleiner Prinz und dessen Wichtigkeit für die Gemeinde Huttwil machte nicht nur dieses Jahr Schlagzeilen, als die Wirtefamilie Graber den Nutzungsvertrag mit der Einwohnergemeinde kündigte. Bereits 1959 leistete die Gemeinde finanzielle Beihilfe, damit der «Mohrensaal» nach einem Brand wieder aufgebaut werden konnte. Eine neue Bühneneinrichtung musste hingegen von den Vereinen selbst finanziert werden. Deshalb organisierte ein Komitee vor genau 60 Jahren ein grosses «Huttu-Fest», mit dessen Erlös die Saalbühne wieder neu eingerichtet werden konnte.
Auf einmal schlug eine mächtige Stichflamme zum Himmel empor und eine rötliche Silhouette beleuchtete den Huttwilberg beinahe taghell. Mit diesen Worten wurde der Saalbrand vom Hotel Mohren, (heute: Hotel Kleiner Prinz) 1959 im «Unter-Emmentaler» beschrieben. Einige Minuten nach zwei Uhr nachts am 27. Februar wurde die schlafende Bevölkerung mit Sirenengeheul aus ihrer Nachtruhe gerissen. Über dem nächtlichen Dunkel lag ein Rauchnebeldunst und starker Brandgeruch machte sich bemerkbar. Die Feuerwehr war rasch in Aktion und versuchte den Brandherd, der sich im «Mohrensaal» befand, zu löschen und die umliegenden Häuser vor einem Übergriff des Feuers zu schützen. Ein grosses Glück, dass es in dieser Nacht windstill war, ansonsten hätte leicht ein Städtlibrand entstehen können. Den Feuerwehrmännern gelang es, drei Angestellte des Hotels durch die Fenster zu retten.
Wie kurz darauf durch amtliche Untersuchungen einwandfrei festgestellt werden konnte, war der Brand im Saale zum Hotel Mohren durch Kurzschluss entstanden. Die Hoteliersfamilie Graber erlitt durch den Brandfall bedeutenden Schaden, da nebst dem gänzlich vernichteten Saalanbau das Hotel selbst durch Rauch und Wasser schwer gelitten hatte.
Nach längerer Bauzeit lud Mitte April 1961 die Hotelbesitzer-Familie zu einem opulenten Aufrichtessen. Rund 100 Personen waren eingeladen. Der damals bauleitende Architekt Artur Bieri hob das flotte Bautempo und ein unfallfreies Arbeiten hervor. Paul Steiner, damaliger Konsumverwalter, gedachte in seiner Rede anerkennend des Huttwiler Souveräns, welcher in aufopfernder und grosszügiger Weise die finanzielle Beihilfe der Gemeinde am Wiederaufbau des «Mohrensaales» beschlossen hatte. Er erwähnte auch, wie wichtig der Saal für die Gemeinde Huttwil sei und das nicht nur, weil ein Lagerraum im Untergeschoss an die Landesbehörde habe vermietet werden können. Die Redner wünschten der Hoteliersfamilie Graber, dass nun der weitere Ausbau des Saales mit all seinen Wünschen in Erfüllung gehen sollte, zum Gedeihen des Ganzen, zum Wohle des Altbekannten und zu «Nutz und Frommen» von Huttwil.
Festumzug als Höhepunkt
Obwohl der Saal nach dem Wiederaufbau nun von der Bevölkerung wieder genutzt werden konnte, fehlte den Vereinen nach wie vor die komplette Bühneneinrichtung, welche ebenfalls den Flammen zum Opfer fiel. «Mit verschiedenen Vereinsmitgliedern wurde eine Kommission gegründet, die berieten, wie die Einrichtungen wie Kulissen oder Inventar finanziert werden konnten», erinnert sich der 83-jährige Ulrich Müller, damals Präsident des Arbeitersängerbundes. Die Kommission wurde sich einig: Es sollte ein unvergessliches Fest stattfinden, um mit dessen Erlös die Bühneneinrichtung zu finanzieren.
84 Huttwiler Vereine halfen aktiv mit, das geplante grosse «Huttu-Fest» zu gestalten, welches am 3. und 4. sowie am 10. und 11. Juni 1961 über zwei Wochenende dauern sollte.
Der Höhepunkt dabei sollte der Festumzug werden, der jeweils am Sonntag auf der Ribimatte starten und bis zum Städtlischulhaus führen sollte. Wochen und Monate im Voraus stellten Frauen eine erstaunliche Menge praktischer und schöner Dinge für das Fest her. Es wurde genäht, gestrickt, gehäkelt sowie Tage und Nächte lang in einträglicher Zusammenarbeit Berge «glustiger» Sachen gebacken. Die dadurch entstandenen Güezi, Tirggeli oder Fasnachtschüechli waren während den Festtagen sehr beliebt. Scherzhaft sagten die fleissigen Frauen dazu: «Haben wir nicht richtig vorausgesagt, dass, wenn die Männer zum Zuge kommen, bald einmal alles dahin ist?»
30 000 Besucher
Es war verwegen, in diesem trüben Juni sonnige Tage zu erwarten, schrieb der «Unter-Emmentaler» in seiner Ausgabe vom 12. Juni. Doch das Wetter war dem Huttu-Fest wohlgesinnt und bescherte den Organisatoren 30 000 Besucher. Während des Festumzuges zogen eine Dreiviertelstunde lang 54 Gruppen durch die Strassen, jede für sich ein sinniges Bild, in grösster Einordnung vier Ideen darstellend: Huttwil in Blumen, arbeitendes Huttwil, geselliges Huttwil und wehrhaftes Huttwil. Vom Alpaufzugverein über Jodler und Platzger, bis hin zu den Kruglern, Turnern oder dem Männerchor. Sie alle stellten sich während des Festumzugs den zahlreichen Festbesuchern vor, welche dicht gedrängt die Strassen säumten. Während des Umzuges sprachen die Organisatoren gar von einem Massenandrang. Einem solch grossen Werk der Solidarität wollte niemand fernbleiben.
So vielseitig und bunt wie der Umzug, gestaltete sich im Juni 1961 auch das übrige Festprogramm. Das Herz des «Huttu-Festes» war auf dem Brunnenplatz zu finden und wurde als «Volkstümlicher Rummelplatz» bezeichnet. Eine Ländlerkapelle lud zum Tanz, auch Stadtmusik, Jodler und die Trachtengruppe unterhielten die Zuschauer bestens. Für die ausgelassene Stimmung unter dem Publikum sorgte ein Conférencier, wie damals noch ein witzig unterhaltender Ansager genannt wurde. Freunde des Jazz kamen dagegen im Untergeschoss des «Mohrensaals» auf ihre Rechnung. Für die Kleinsten wurde ein Kasperlitheater vorgeführt und für Spass sorgte eine Reitschule in der alten Turnhalle mit sechs Pferden und zwei Ponys. «Wie im hölzigen Himmel ging es bei der Rutschbahn zu, die vom obersten Stockwerk des Hotels Mohren bis hinunter zu den Bahnschienen reichte», erinnert sich Ulrich Müller lachend. Ein Kutschen- und Taxi-Betrieb brachte die zahlreichen Besucher von den Autoparkplätzen ins Zentrum von Huttwil. Der grosse Aufwand hatte sich für die vielen Helfer der Huttwiler Vereine gelohnt. Eine stolze Summe von 63 000 Franken konnte nach Abrechnung vollumfänglich in die neue Bühneneinrichtung investiert werden.
Von Marion Heiniger