Grosses musikalisches Kino
An zwei Konzerten in Sumiswald und Huttwil bot das Akkordeon-Orchester Huttwil unter dem Motto «music of emotions» ganz grosses musikalisches Kino.
«Du hast uns einfach voll im Griff», meinte Ueli Strahm, Präsident des Akkordeon-Orchesters Huttwil, nach den beiden Wochenend-Konzerten in der Aula Sumiswald und in der reformierten Kirche Huttwil in Richtung der Dirigentin Silvia Tanner-Rupp. Treffender hätte Strahms Wortwahl nicht sein können, denn was die beiden Orchester während des 90-minütigen Programms «music of emotions» boten, war grosses Kino. Und dieser – notabene seit Jahren anhaltende – hohe Standard ist auf die unermüdliche Arbeit von Silvia Tanner zurückzuführen. Die Dirigentin lebt die Akkordeonmusik und vermag ihr unerschöpfliches Herzblut ihren Schützlingen zu vermitteln. Folglich springt der Funke immer wieder auf das Publikum über – so wie bei «music of emotions», dem gelungenen Konzertprogramm in Spielfilmlänge.
Lustige Ansagerin
«Wir unternehmen eine Reise durch die Filmwelt», kündigte Moderatorin Silvia Gränicher Ryser an. Mit geschickter Wortwahl, viel Witz und Charme führte die erfahrene Sprecherin durch den Abend. Als eine Art Regieassistentin mit Klappe bot sie dem Publikum zu jedem Stück Informatives.
Überhaupt nicht verstaubt
Das Konzert wurde durch das 16-köpfige Nachwuchsorchester eröffnet. Es war erstaunlich und beeindruckend zugleich, wie virtuos und als funktionierende Einheit die jungen Musikantinnen und Musikanten bereits wirkten. Und vom ersten Ton an zeigten die «Newcomers», dass Akkordeonspielen kein verstauber und altbackener Zopf ist. Mit «Ma Cherie» von DJ Antoine wurde gleich zum Einstieg ein Hitparaden-Knaller serviert. Das Highlight vom Nachwuchs, der von Maskottchen «Disu» unterstützt wurde, war aber die Ballade «Without You» der Gruppe Badfinger. Der 1970 geschriebene Song, der durch Nilsson und Mariah Carey weltweit zum Nummer-eins-Hit wurde, packte das Publikum. Nach vier Darbietungen und viel Applaus löste das Hauptorchester den Nachwuchs ab.
Oboen-Stück als Höhepunkt
«Mit 31 Musizierenden ist es das grösste Akkordeonorchester der Schweiz. Es holte sich am Eidgenössischen Akkordeonfest in Disentis im letzten Jahr die Bewertung «vorzüglich», informierte Gränicher die Anwesenden. Das Orchester wurde den Vorschusslorbeeren aber vollends gerecht. «Exodus», «Arthurs Theme» und «Der dritte Mann» hiessen die ersten Darbietungen. Und mit den eingängigen Melodien bestätigte das Orchester den treffenden Satz auf dem Konzertflyer: «Musik ist die Beschreibung der Welt ohne Worte.» Schon als viertes Stück folgte das Konzerthighlight. «Gabriels Oboe» aus dem Film «Die Mission» war schlichtweg ein Gedicht. Die Filmmusik von Ennio Morricone gilt als eine seiner Besten. Und im Gewand des Blumenstädter Akkordeon-Orchesters, welches einen wunderbaren Teppich für die gänsehauterzeugenden Oboenklänge des Gastmusikers Stephan Reber legte, war dieser Song schlicht das Trumpf-As des Abends. Einfach traumhaft bezaubernd.
Virtuos – aber auch zauberhaft
Sowieso gehörten die Darbietungen mit Einbezug von anderen Instrumenten durch Gastmusiker zu den Glanzpunkten. Sie verliehen Abwechslung und zeigten vor allem auf, dass der liebliche Akkordeonklang hervorragend mit anderen Instrumenten verschmelzt. So geschehen beim «Theme from Schindler’s List», bei welchem Johanna Kulke ihrer Violine zauberhafte Klänge entlockte. Wieder hatten es die Akteure geschafft: Das Publikum versank komplett in der Melodie, liess – wie auf Kommando – für ein paar mit wunderbaren Klängen bestückte Momente den Alltag hinter sich. Bei der Schnellpolka «Potz Blitz» zeigten die Solisten Evi Widmer und Gastvirtuose Antonio Maiorano, Besitzer des Musik Centers Sursee, wie flink das Handzuginstrument bedient werden kann. Staunen war angesagt. Gute Stimmung verbreiteten die Klänge aus dem Musical-Fantasiefilm «Mary Poppins». Bei diesem Stück legte das Akkordeonorchester einen powervollen Finish hin, der das mitklatschende Publikum einfach mitriss. Ausserdem weihte Moderatorin Gränicher das schmunzelnde Publikum in den zum Film gehörenden Kult-Zungenbrecher «Supercalifragilisticexpialigetisch» ein. Dieses Wort wurde im Film angewandt, wenn man sonst nicht wusste, was sagen … Viel zu sagen hatte dafür das Akkordeon-Orchester Huttwil. Es bot grosses Kino. In Form von Musik der Gefühle.
Von Stefan Leuenberger