Grosses Werk und ein Freudentag
Es begann mit dem Legat von Marie Jost – vor Jahrzehnten schon. Sie hatte dieses für ein Altersheim in Rohrbach bestimmt. Nun ist das Dorf am Ziel und hat sein Altersheim; vielmehr noch, sein Seniorenzentrum. Am letzten Freitagabend ist der «Sunnehof» eröffnet worden. Ansturm, allgemeine Freude und auch die Erleichterung waren riesig – ein Zeichen auch dafür, wieviele Menschen über Jahre hinweg mitgewirkt, mitgekämpft und mitgefiebert haben.
Rohrbach · Ab jetzt können die Seniorinnen und Senioren von Rohrbach, Rohrbachgraben und Auswil in einem Alterszentrum im Gemeindegebiet wohnen und leben, sich hier geborgen und zu Hause fühlen.
«Danke, Marie Jost», sagte die Rohrbacher Gemeindepräsidentin Elisabeth Spichiger am Eröffnungsfest. Das Legat von Marie Jost stammt aus der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts und sollte für ein Altersheim in der Gemeinde eingesetzt werden. Immer wieder gab es in der Folge Menschen und Gruppierungen, welche das Projekt an die Hand nehmen wollten – viele von ihnen ehrenamtlich und unermüdlich. Aber immer wieder stellten sich ihnen schier unbezwingbare Hürden in den Weg. Nach wie vor mussten sich die Pflegebedürftigen der Gemeinden Rohrbach, Rohrbachgraben und Auswil für Altersinstitutionen in teilweise weit entfernten auswärtigen Gemeinden entscheiden.
Vor über einem Dutzend Jahren machte sich erneut eine Arbeitsgruppe daran, ein Alterszentrum für die drei Gemeinden zu realisieren (der «Unter-Emmentaler» berichtete). Aus diesem Vorhaben wurde einmal mehr ein beschwerlicher Hürdenlauf; dies, obwohl die damalige Arbeitsgruppe intensive Abklärungen vorgenommen und umfangreiche Vorarbeit geleistet hatte. Das Nein des Kantons bedeutete zurück auf Feld eins.
Langer «Schnauf»
«Aber für uns war klar, so schnell wollten wir nicht aufgeben», blickte Elisabeth Spichiger zurück. «Ich bin dankbar für meine Mitstreiter, die einen langen, langen ‹Schnauf› bewiesen haben.» An verschiedenen Stellen habe man gekämpft wie ein Löwe. Das war nötig. Die gesamte Altersversorgung befand sich im Umbruch. Dazu kamen ein Standortwechsel, der Rückzug der vorgesehenen Betreiberin Dahlia Oberaargau AG und schliesslich das veränderte Finanzierungsmodell des Kantons.
Obwohl das Stimmvolk von Rohrbach schon im Oktober 2010 den Segen zur Alterssiedlung auf der Allmend gegeben hatte, und obwohl der Architekturwettbewerb bereits im darauf folgenden Mai entschieden worden war, verzögerte sich das Projekt um weitere vier Jahre. Aufatmen, Erleichterung und die Freude waren gross, als im Frühsommer 2015 die Spaten auf der Allmend in die Erde fuhren. Obwohl dies eigentlich erst der Anfang war ...
«Tausend Dank denen, die sich sich dafür eingesetzt haben, dass die Idee von Marie Jost nicht gestorben ist», schloss die Gemeindepräsidentin gerührt ihre Rede.
«Im ‹Sunnehof› werden Menschen einziehen, die in ihrem Leben viel gearbeitet und geleistet haben», hielt die Institutions- und Pflegedienstleiterin Kathrin Lüthi fest. Sie hätten es verdient, in einem schönen neuen Zuhause zu leben und umsorgt zu werden. «Aber unsere Bewohnerinnen und Bewohner möchten ihre Eigenständigkeit solange als möglich behalten; dem versuchen wir gerecht zu werden.» Das gesamte Team freue sich sehr darauf, die Bewohnenden durch den Lebensabend zu begleiten, sich respektvoll um sie zu kümmern und den Alltag mit ihnen zu gestalten. Der «Sunnehof» verfügt über ein absolutes Frauen-Personalteam; kein einziger Mann wirkt mit.
Der «Sunnehof» kann seine Türen nach einer rund zweijährigen Bauzeit öffnen. Das gesamte Projekt besteht aus zwei Teilen: Zwei generationendurchmischte Häuser bieten insgesamt 28 attraktive Eigentums- und Mietwohnungen für Jung und Alt nach bonacasa-Konzept. Einige Wohnungen sind schon seit mehreren Monaten bezogen. Auf dem gleichen Areal steht das Alterszentrum mit 20 Pflegezimmern, modernster Infrastruktur und grosszügiger Cafeteria. Es wird von der Casalife Services AG betrieben. Die Umgebung ist parkähnlich gestaltet, vermittelt das Gefühl eines heimeligen Dorfzentrums.
«Es ist ein wunderbarer Bau und innen noch schöner», begeisterte sich Martin Lohr, Verantwortlicher der Trägerschaft. Architekt Martin Stierli beschrieb das «Geheimnis» des «Sunnehof», der auf der einstigen Eichmatt steht. Die Häuser sind in Holz gekleidet; auch die Umgebung soll wieder mit Eichen bepflanzt und damit zu ihren Anfängen zurückgeführt werden. «Mit den Materialien haben wir die Sprache dieses wunderbaren Baumes aufgenommen», stellte der Architekt fest. Auch er zeigte sich gerührt: Vor gut zwei Jahren stand er an der Stelle, als die Spaten in den Boden fuhren; am Freitagabend nun im vollendeten Werk. «Wenn ein Architekt einen Wettbewerb gewinnt, ist das eines der schönsten Gefühle. Aber noch schöner ist es, das Objekt zu bauen – und das wirklich Allerschönste, das Werk übergeben zu können.»
Das erste Konzept konnte trotz der Grösse des Projekts bis zuletzt durchgezogen werden – ein klarer Ausweis für die Kompetenz des Architekten. Bloss im Pflegebereich hätten im Laufe der Bauzeit einige Anpassungen vorgenommen werden müssen, «aber dadurch konnte die Qualität noch gesteigert werden.»
Der Rohrbacher Pfarrer Alex Kurz erinnerte daran, dass «wir zwar planen und realisieren können und sollen», dass aber das Gelingen erbetet werden müsse.
Nach seinem Segen für das Seniorenzentrum Sunnmatt schritten die Gemeindepräsidentin, die Pflegedienstleiterin und die erste «Sunnmatt»-Bewohnerin Vreni Leuenberger zur Tat: Vreni Leuenberger durchschnitt bewegt das Band und war so die erste Seniorin, welche durch die Eingangstüre trat. Anschliessend war das Haus zur Besichtigung offen, was mit einem riesigen Ansturm genutzt wurde. Am späteren Nachmittag schon hatte das Fest begonnen mit Apéro, Begrüssungen, Unterhaltung durch die Trachtengruppe Rohrbach, den Jodlerklub Rohrbach und die Blasmusikfreunde Rohrbach.
Erlös für das Seniorenzentrum
An den Ständen bot der Landfrauenverein Rohrbach leckere Produkte aus der Bauern- und Hausfrauenküche an, und mit viel Stolz verkauften die Kinder des «Ferienspass» Rohrbach die nützlichen und schönen Gegenstände, welche sie letzte Woche gebastelt und gewerkt haben. Der gesamte Erlös an beiden Ständen kommt dem Seniorenzentrum Sunnmatt zugute. Alle Gäste durften sich am Grill bedienen und so den Abend gemeinsam ausklingen lassen.
Von Liselotte Jost-Zürcher