• Mit Freude bei der Arbeit: Helen Egli ist erfahren in Sachen Filetknüpfarbeiten und stellt gerade einen Kundenauftrag nach Mass her. · Bilder: Chantal Bigler

  • Mit Seidenfaden, Nadel, einem Filetstab und einem Kissen beginnt die begeisterte Handarbeiterin mit dem Filetknoten, der immer gleich bleibt.

  • Handschuhe und Fischu.

10.06.2021
Emmental

Handarbeit, die vom Fischfang stammt

Die Schangnauerin Helen Egli führt in ihrem Zuhause in Schüpbach ein traditionelles Handwerk aus: Das Filetknüpfen. Die ursprüngliche Technik des Knüpfens hat eine lange Geschichte und das Netz wurde ursprünglich für den Fischfang, die Jagd und den Transport von Gütern verwendet. Nach und nach verfeinerte sich die Technik und sie wurde zu einem Handwerk. So auch für Helen Egli, die sich das Filochieren in den 80er-Jahren selbst beigebracht hatte. Mit viel Geduld und Leidenschaft ­entsteht in ihrer Wohnstube seither filoschiertes Trachtenzubehör wie etwa Handschuhe, Trachten Fichu, Trachten Gärnli, aber auch andere wertvolle Handarbeit.

Altes Handwerk · Helen Egli legt stolz ihre Filetknüpfarbeiten auf dem Tisch aus: Von Fichus, über Handschuhe, aber auch kleine runde, grosse eckige Deckchen, die mit verschiedenen Mustern und die sie teils mit einer Stricktechnik kombiniert hat, sind dabei zu sehen. «Da steckt viel Arbeit dahinter», so die erfahrene Knüpferin. So braucht sie für ein paar filochierte Handschuhe etwa 12 Stunden. Doch die Zeit dafür, die nimmt sie sich gerne und so arbeitet sie nach «Lust und Laune», wie sie selbst sagt an ihren privaten oder auch kundenspezifischen Arbeiten. «Immer wenn ich etwas anpacke, bin ich voll dabei», sagt Egli begeistert, die auch betont, dass sie vielseitig sei und sich gerne auch mit anderen Dingen wie der Gartenarbeit oder mit dem Backen beschäftige. Seit 1973 gehört sie auch der Trachtengruppe Affoltern an.
In den 80er-Jahren hat Helen Egli die Leidenschaft zum Filieren/Netzknüpfen entdeckt. Heute ist die 76-Jährige nicht nur mit Filochieren aktiv, sondern verkauft auch ihre hausgemachten Schlüferli oder ihre gestrickten Sachen wie Stirnbänder, Mützen oder Babyschuhe.

Exaktes Arbeiten als Voraussetzung
Filetknüpfen oder auch Filochieren genannt, ist eine der ältesten Handarbeitstechniken. Mit dieser Technik wurden schon im frühen Mittelalter ­Fischernetze gefertigt. Wer den Filetknoten aus der Grundtechnik beherrscht und das benötigte Material aus Seide (Cordonnet/Schappe), N­adel, Filetstab und Kissen hat, kann grundsätzlich beginnen. «Dieses Handwerk erfordert viel Fingerfertigkeit», weiss Egli. Auch das exakte ­Arbeiten sei Teil dieses traditionellen Handwerks. «Mir macht es Freude, etwas zu erschaffen, was individuell ist und man so nirgends kaufen kann», strahlt Egli. «Die Grundtechnik zu beherrschen, ist dabei das A und O», sagt Egli. Dabei weisst sie auf den einzigen Knopf hin, den es beim Filochieren gibt. Das Garn wird auf die Nadel aufgezogen und eine Hilfsschlinge wird benötigt, um den Arbeitsfaden daran zu knoten. Der Filetstab liegt parallel zum Zeigefinger in der linken Hand und wird mit dem Daumen gehalten. Damit ein Knoten entsteht, muss der Filetfaden für die ersten Schlingen (als grosse Schlinge) nach oben über die Hilfsschlinge unter dem Stab nach unten geführt werden.
Die Filetnadel muss mit dem Daumen und dem Zeigefinger gehalten werden und die Nadel muss von links durch die Schlinge von Ring- und Mittelfinger unter dem Stab nach oben und von unten in die Hilfsschlinge geführt werden.

Das richtige Material spielt eine Rolle
«Ohne richtige Seide kann man nicht knüpfen», stellt Egli gleich zu Beginn klar und bedauert, dass sie nicht mehr die reine Seide haben: «Die gute Seide hält sich an Ort und Stelle, da bei den meisten aber nun Kunstsachen drin sind, hat das zur Folge, dass die Knöpfe nicht mehr richtig angezogen werden können.» Das mache die Seide zwar in der Produktion billiger, aber auf keinen Fall besser, bedauert die 76-Jährige diese Veränderung. «Ich vermute, dass dieses alte Handwerk irgendwann mal ausstirbt.» Sie selbst wusste, dass sie auch nie davon leben könnte, denn ein solches Handwerk als Beruf auszuführen, «rentiere schlicht und weg einfach nicht». Gründe für das Aussterben dieses uralten Handwerk, sieht Egli an dem mangelnden Interesse an dieser Tradition, aber auch das Material werde immer schlechter und wie Egli befürchtet, «kommt dann vielleicht einmal sogar die Baumwolle ins Spiel und damit würden dann die Handwerksarbeiten viel gröber werden.»

Tradition in die Wiege gelegt
Helen Egli verlor ihren Vater im Alter von nur fünf Jahren. «Ich war überall im Einsatz, wo es mich eben brauchte», erinnert sich Egli. Dadurch, dass sie immer mit anpacken musste, habe sie aber auch vieles gelernt und sie verweist dabei auf das englische Sprichwort «Learning by doing», was so viel heisst wie: «Lernen durch Tun». Und genau das hat Helen Egli auch beim Filochieren gemacht. Die Tradition wurde ihr durch ihre Mutter weitergereicht: «Das hier auf dem Bild sind meine Eltern, meine Mutter trägt hier ein Fichu, welches mir aber zu dünn geknüpft war», erklärt Egli und fährt fort: «Im Alter von 25 Jahren investierte ich das Geld, welches mir mein Vater in Voraussicht gab in Autofahrstunden, damit ich zur Trachtengruppe fahren konnte.» Dort wollte Egli dann ein schöneres und grösseres Fichu machen, und so habe sie damit angefangen, sich das Filochieren selbst beizubringen. Sie habe zwar mal einen Kurs besucht, aber von dem sei sie enttäuscht gewesen, und so setzte sie sich wieder vermehrt selber mit dem uralten Handwerk auseinander. Und zwar mit Erfolg: Helen Egli stellt regelmässig an Märkten aus, so etwa seit 2003 an der Brächete wie zu Gotthelfs Zeiten und demnächst an der Ausstellung «Kreative stellen aus» in der Markthalle in Schüpbach. «Ich wohne seit acht Jahren in Schüpbach, davor war ich in Walterswil, wo ich auch geheiratet und mit meinem Mann und meinen zwei Kindern gelebt habe.»

Anderer Kanton, andere Tracht
Aus dem Buch «Trachten der Schweiz» vom Verlag Birkhäuser geht hervor, dass sich die Berner Tracht um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus der damaligen Mode entwickelte. Die Mode, die um 1720 von Bürgerfrauen getragen wurde, wurde erst rund 40 Jahre später von den Bäuerinnen angenommen. Aus dieser Kleidung entstand eine Tracht, die der Weltmode folgend im Verlaufe des 19. Jahrhunderts ihre wesentlichen Grundzüge bis heute bewahrte. Die Berner Tracht blieb bis um die Mitte des 19. Jahrhunderts farbig. Grösstenteils im Emmental heimisch ist übrigens die farbenfrohe Freudenberger-Tracht. Schlicht und ohne Kettengehänge und Göller (samtenes Achselstück an einer Schweizer Frauentracht) kommt die Gotthelf-Tracht daher. Bei der Berner-Tracht wird hingegen über dem Hemd ein schwarzes Göller getragen.

Gut zu wissen
Ausstellung: Bei «Kreative stellen aus» wird auch Helen Egli mit ihren Filetknüpfarbeiten vom 11. bis 13. Juni in der Markthalle Schüpbach ihr Handwerk ausstellen. Heute Freitag, 11. Juni, um 18 Uhr findet die Vernissage statt und die Tore der Markthalle sind bis 21 Uhr geöffnet. Morgen Samstag, 12. Juni, und Sonntag, 13. Juni, sind die verschiedenen Handwerkskünste jeweils von 10 bis 19 Uhr zu bestaunen.

Von Chantal Bigler