Heim-Gold durch Nicole Egger und Sarah King
SM Aktive in Langenthal – An der Leichtathletik-SM der Aktiven in Langenthal, in der erstmals auch die Titelkämpfe im Mehrkampf integriert waren, gab es an den drei Wettkampftagen zahlreiche Spitzenleistungen zu sehen. Nicole Egger über 5000 m und die überraschende Doppelbürgerin Sarah King über 400 m beschenkten die organisierende und den 50. Geburtstag feiernde LV Langenthal mit zwei Meistertiteln.
Leichtathletik · Im Jahre 1971 – also genau vor einem halben Jahrhundert – wurde die jubilierende LV Langenthal gegründet, im gleichen Jahr wie der Nationale Leichtathletikverband (SLV), der seit 2005 Swiss Athletics heisst. Im Jahr 1990 fanden bereits einmal die Schweizermeisterschaften der Aktiven im Stadion Hard in Langenthal statt. Damals gewann die Einheimische Regula Anliker-Aebi die Goldmedaille über 200 m. Über 400 m triumphierte damals die Thurgauer Spitzenläuferin Regula Scalabrin in 53,95 Sekunden. Und über 800 m sorgte die Lausannerin Anita Protti bei ihrem Sieg über Sandra Gasser mit einer Zeit von 1:59,98 Minuten für Aufsehen. Die Weltklasseathletin Anita Protti wurde damals von Hansruedi Herren trainiert, dem Vater des jetzigen Speakers Michel Herren, der in Langenthal neben der einheimischen Speaker-Legende Marcel Hammel vor allem für die Interviews im Stadion verantwortlich zeichnete.
Ruckstuhl wirft Fragen auf
Im letzten Sommer hatte die LV Langenthal bereits die Mehrkampfmeisterschaften der Grossen mit Erfolg organisiert, die in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie erstmals in die Einzel-SM integriert wurden. Die Bielerin Caroline Agnou schaffte in Abwesenheit der verletzten Vorjahressiegerin Annik Kälin mit 6041 Punkten den SM-Titelgewinn. Diesen hätte sich eigentlich Géraldine Ruckstuhl vom STV Altbüron erhofft. Doch bei der in den Nachwuchsjahren so verblüffenden Athletin harzt es mächtig. Nach ihrem missglückten Hochsprung mit bloss gültigen 1,48 m gab sie den Wettkampf auf, nachdem sie am Vortag auf den Start im Speerwerfen, wo sie mit 58,31 m seit vier Jahren den Schweizerrekord hält, verzichtet hatte. Ruckstuhl wirft Fragezeichen auf. Die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio wird immer mehr zur Zitterpartie.
Hochsprung-Rekord durch Lang
Bereits am ersten Tag der SM sorgte die 29-jährige Bernerin Mujinga Kambundji im 100-m-Sprint für Aufsehen. Nach einem Stolperer beim Start lief sie trotzdem in 11,05 Sekunden zum Titel. Im 100-m-Hürdensprint siegte die jüngste Schwester von Mujinga, die 19-jährige Ditaji Kamboundji, wie schon letztes Jahr in Basel bei der Elite-SM, diesmal mit 13,03 Sekunden hauchdünn vor der Langnauerin Noemi Zbären. Der Höhepunkt der Veranstaltung war aber zweifellos der neue Schweizerrekord im Hochsprung der Frauen der Baslerin Salome Lang. Nach der Rekordverbesserung auf
1,97 m scheiterte Lang beim Versuch über 2,00 m.
Huttwiler mit erneuter Bestzeit
Über 110 m Hürden der Männer konnte der Baselbieter Jason Joseph mit der Saisonbestleistung von 13,37 Sekunden überzeugen. In diesem Rennen wurde der Huttwiler Micha Rutschmann (LV Langenthal) im dritten Halbfinal zweitbester Schweizer. Die Zeit von 14,43 Sekunden reichten zwar nicht zur Finalquali der sechs schnellsten Läufer, bedeuteten für Rutschmann aber ein Topergebnis. «Ich habe meine persönliche Bestzeit, die ich in Frauenfeld aufgestellt hatte, egalisiert, und so zum zweiten Mal in dieser Saison die U23-EM-Limite für Talinn unterboten. Im Vergleich mit Frauenfeld hatte ich einen schlechteren Start und konnte erst ab der dritten Hürde aufdrehen», lautete die Analyse des Gesamtsiebten Rutschmann.
LV Langenthal mit zwei Goldmedaillen
Im 5000-m-Lauf der Frauen holte sich die amtierende Schweizermeisterin im Halbmarathon ihren fünften SM-Titel ihrer Karriere. In einem spannenden Rennen verwies die 36-jährige Langenthalerin Nicole Egger Alina Sönning von der LV Albis und die in Rom lebende Waadtländerin Camille Chenaux in 16;23,56 Minuten auf die Ehrenplätze. «Ich freue mich natürlich, dass ich zu Hause vor dem eigenen Publikum meinen zweiten SM- Titel über 5000 m erringen konnte. Ich hatte am Schluss noch Kraft und konnte 500 m vor dem Ziel attackieren, nachdem ich nach 2,8 km kurz einmal die Führung an Camille Chenaux abgeben musste.» Die frischgebackene Goldgewinnerin wird im Juli wieder für einige Wochen ins Engadin ins Höhentrainingslager reisen. «Vorher will ich aber noch einen oder zwei OL-Wettkämpfe bestreiten», ergänzte die Lehrerin.
Der Schweizermeister-Titel von Nicole Egger ist nicht überraschend. Jener ihrer LVL-Vereinskollegin Sarah King umso mehr. Die 25-jährige US-Amerikanisch-Schweizerische Doppelbürgerin aus Portland (Oregon), die erst seit kurzem bei ihrer Tante in Madiswil lebt und für die LV Langenthal startet, lief bei ihrem Goldlauf über 400 m mit 52,99 eine neue persönliche Bestzeit. «Ich freue mich natürlich, dass ich auf den letzten 100 m noch aufdrehen konnte und die Titelverteidigerin Silke Lemmens und Rachel Pellaud noch überholen konnte.» Jetzt kann Sarah King, die als Computer-Ingenieurin in Madiswil für eine US-Firma aus Portland arbeitet, sogar von der Schweizer Staffel über 4×400 m träumen, denn im Moment hat die Schweizer Staffel dank dem Ranking wenige Tage vor dem Selektionstag noch Chancen für eine Olympiateilnahme. Und für 2022 ist die Schweiz bereits mit einer 4×400-m-Staffel für die Weltmeisterschaft qualifiziert. Diese findet in Eugene (Oregon) in den USA statt, also im gleichen US-Bundesstadt, wo Sarah King aufgewachsen ist.
David Anderegg mit Bestmarke
Im Dreisprung der Männer, der vom Schaffhauser Simon Sieber mit 15,24 m gewonnen wurde, belegte der Langenthaler Jan Obrist mit 13,36 m im fünften Versuch den siebten Platz. «Leider kam ich wegen dem Gegenwind nicht an meine Bestmarke von 13,96 m heran, die ich vor zwei Wochen aufgestellt hatte. Die Stimmung im Heimstadion war aber super», sagte der 1999 geborene Maschinenbau-Student an der ETH. Im Stabhochsprung belegte der Langenthaler Junior David Anderegg mit 4,50 m den 9. Rang. Auf der Höhe von 4,65 m scheiterte Anderegg dann dreimal. «Im Freien konnte ich meine Besthöhe um zehn Zentimeter verbessern. In der Halle bin ich aber auch schon 4,50 m hoch gesprungen», sagte Anderegg, der an allen drei Tagen im Hard – auch als Fotograf für seinen Verein – im Einsatz stand. Im 5000-m-Lauf der Männer, der vom Favoriten Jonas Räss vom LC Dübendorf gewonnen wurde, fehlte der amtierende Marathon-Schweizermeister Adrian Lehmann wegen einer leichten Verletzung. Sein LV Langenthal-Vereinskollege Max Studer verzichtete wegen seiner Triathlontätigkeit (er hat sich für die Olympischen Spiele qualifiziert) auf einen Start. Der Grossdietwiler Fabian Steffen gab die Zehnkampf-SM nach der dritten Disziplin, dem Kugelstossen, auf. Im 5000-m-Lauf der Frauen startete neben der neuen Meisterin Nicole Egger mit der ursprünglich aus Wynigen kommenden Céline Aebi noch eine zweite Läuferin der LV Langenthal, die als starke Sechste mit 17:02,25 Minuten erneut eine persönliche Bestzeit aufstellte. Im Speerwerfen, das in Abwesenheit von Ruckstuhl von der Wiedlisbacherin Lena Meyer dominiert wurde, belegte die Leimiswilerin Silvana Käser (LV Langenthal) mit 38,88 m den 10. Platz. Ebenfalls Zehnte wurde LVL-Athletin Elena Eichenberger im zweiten Halbfinal über 1500 m. Mit einer Zeit von 4:42,30 Minuten belegte die Nachwuchsathletin den 20. Schlussrang von 24 Teilnehmerinnen. Auf den zwei Bahnrunden (800 m) der Frauen holte sich die Westschweizerin Lore Hofmann in 2:01,65 Minuten überlegen den Titel. Als Fünfte im dritten Vorlauf schaffte Lisa Stöckli von der Läuferriege Gettnau eine Zeit von 2:13,16 Minuten (12. Rang von 24 Läuferinnen). In Langenthal wegen Verletzungen nicht am Start waren die heimischen Athletinnen Vanessa Fust (Kugel) und Nadja Zurlinden (200 m).
Resultate: www.swiss-athletics.ch
Von Manfred Dysli