Heinz Frei ist ein Millionär an Erfahrungen
Der ganzen Schule Wyssachen erläuterte der bekannte Rollstuhlsportler Heinz Frei, wie er sein Leben im Rollstuhl meistert. Mit vielen persönlichen Erlebnissen zeigte er auf, wie er Lebensqualität findet. Die Schülerinnen und Schüler waren beeindruckt von der grossen sportlichen Leistung von Heinz Frei.
Wyssachen · Im Saal des Kirchgemeindehauses Wyssachen warteten alle gespannt, bis Heinz Frei über die provisorische Rampe mit dem Rollstuhl auf der Bühne gefahren war. Die Unterstufe (1. bis 3. Klasse) von Bettina Bohner thematisierte im Unterricht im Fach NMG (Natur - Mensch - Gesellschaft) die Olympischen Spiele und danach ebenfalls die Paralympics. Die XIII. Winter-Paralympics fanden 2022 in der chinesischen Hauptstadt Peking statt. Passend dazu kam der bekannte und sehr erfolgreiche Rollstuhlsportler als Gast nach Wyssachen und erzählte von seinen Lebenserfahrungen.
Ein Leben im Rollstuhl
Nach der obligatorischen Schulzeit gefiel Heinz Frei seine Lehre als Vermessungszeichner und er fand den Ausgleich immer wieder im Sport. «Um an einer Berglauf-Stafette teilzunehmen, machte ich als Läufer eine Streckenbesichtigung und rutschte da an einem kleinen Abhang aus. Ich landete auf dem Rücken und konnte nicht mehr aufstehen. Ich spürte meine Beine nicht, bekam Atemnot und erlebte bange Momente der Angst, ob mich überhaupt jemand findet», sagte Heinz Frei rückblickend. «Herr Frei, wir werden sie hier auf ein Leben im Rollstuhl vorbereiten», war die erste Aussage nach der Diagnose. Der Schock sass tief und der 20-jährige Sportler spürte, dass nun wohl eine andere Rekrutenschule auf ihn warten würde. Eine besondere «RS», wo sich Trauer, Wut und Hoffnungslosigkeit, dies verbunden mit einer totalen Abhängigkeit, breitmachten. «Ich lag zwölf Wochen flach, hatte aber in meinem Innersten wohl doch Überlebenswillen», wusste Heinz Frei zu berichten. Wie das mittlere von fünf Kinder in der Reha die grösstmögliche Selbstständigkeit erlangte, welche Perspektiven sich in der Familie, bei der Wohnsituation und Beruf ergaben, erzählte der Referent ebenso.
Viel Lebensfreude
Über sein wunderbares soziales Umfeld, wo er Lebensfreude und Selbstständigkeit aufbauen konnte, berichtete Heinz Frei dem gespannt lauschenden Publikum. Auch die Aussage eines Therapeuten, der ihm und weiteren Querschnittgelähmten riet, «dir müesst haut probiere», gab er preis und erinnerte dabei daran, wie viel Geduld und Umwege es in diesem Lernprozess brauchte.
«Der erste Tag im Rollstuhl war gut, wieder zu sitzen und nicht nur zu liegen ein spezielles Gefühl», berichtete der Referent. Acht Monate nach seinem Unfall arbeitete er wieder in seinem Beruf. Heute ist Heinz Frei unter vielem anderen für den Nachwuchssport im Paraplegikerzentrum in Nottwil tätig. Seine sportlichen Erfolge sind kaum aufzuzählen und füllen viele Seiten. «Es ist unglaublich, was Sport für Emotionen und Kräfte auslösen kann. Dazu gab es an vielen Wettkämpfen auch immer wieder Gänsehaut-Atmosphäre», sagte Heinz Frei. Als einer der erfolgreichsten Sportler aller Zeiten hat er viel Lebenserfahrungen und etliche Erkenntnisse gewonnen. Die Erfolge des dreifachen Weltrekordhalters sind gigantisch, mit 15 Goldmedaillen an Paralympics in drei Sportarten (Leichtathletik, Handbike, Langlauf), 11 paralympische Bronzemedaillen und 8 paralympische Silbermedaillen. Dazu kommen 14 Weltmeistertitel und 112 Marathonsiege. Die Auszeichnungen zum Para-Sportler des Jahres hat er zehn Mal erhalten und diese zeigen seinen riesigen Rückhalt in der Schweizer Bevölkerung. Als Pionier des Rollstuhlsportes geniesst er Legenden-Status. Sein Motto war über all die Jahre, auf eigenen Beinen wird er nicht mehr stehen, aber selbstständig sein und «das Leben in die Hände nehmen».
Eine Silbermedaille zum Anfassen
Speziell war für die Schülerinnen und Schüler, dass sie eine Silbermedaille von Heinz Frei anfassen durften. Er hatte die letzte gewonnene von Peking mitgebracht und löste so ein Staunen aus. «Gelöchert» wurde Heinz Frei mit vielen Fragen der Schuljugend. Dabei sagte er zum Beispiel, dass er kochen könne oder seit 44 Jahren unfallfrei im Rollstuhl sitze. Ebenso könne er im Traum springen, beim Erwachen werde er jeweils von der Realität eingeholt.
Geduldig erfüllte Heinz Frei im Anschluss an seine Ausführungen die vielen Autogramm-Wünsche und zeigte zum Abschluss, wie er geschickt in sein Auto einsteigen kann.
In der Schule Wyssachen war der Besuch von Heinz Frei für alle Anwesenden äusserst prägend. So gaben die Schülerinnen und Schüler einige Rückmeldungen, nachfolgend eine kleine Auswahl davon.«Mir bleibt in Erinnerung, dass er immer nach vorne sieht und daran denkt, was er hat und nicht, was er hatte oder könnte.» «Ich bin beeindruckt von den vielen Medaillen, die Heinz Frei gewonnen hat. Die Medaille von den paralympischen Spielen in Tokio ist dabei viel schwerer als ich gedacht habe, fast ein halbes Kilogramm.» «Mir bleibt in Erinnerung, dass er nicht aufgibt.» «Ich war beeindruckt, wie er von seinem Unfall erzählte und wie er jedes Detail beschrieben hat.» «Mit dem Handbike kann Heinz Frei bis 90 km/h fahren, das beeindruckte mich.» «Erstaunt hat mich, wie er duschen und baden geht.» «In Erinnerung bleibt mir, wie viel Kraft man im Oberkörper braucht.» «Mir ist klargeworden, dass man im Rollstuhl auch glücklich leben kann.»
Von Barbara Heiniger