• Die Vogelzug lockt jedes Jahr viele Naturbegeisterte auf das Hinterarni.

  • Im Beobachtungsbüro wird Kontrolle geführt. · Bilder: Barbara Pfister

06.10.2017
Emmental

Herbstlicher Vogelzug bei Sonne und Nebel

Anlässlich des «EuroBirdWatch» wurden am letzten Wochenende auf der Hinterarnialp und an 61 anderen Orten in der ganzen Schweiz die Vögel auf dem Zug in ihr Winterquartier beobachtet und gezählt. Zudem war in der Arnischeune eine orientierende Ausstellung zum Thema «Kleinstrukturen – Lebensnetze für die Natur» zu besichtigen.

Wasen · Im Spätsommer erfolgt bei den Zugvögeln der gezielte Vogelzug, um Nahrungsengpässe im Winter zu vermeiden. Zugvögel machen gut die Hälfte unserer Brutvogelarten aus und überwintern im Mittelmeerraum (Kurzstreckenzieher) oder in grossen Teilen Afrikas, südlich der Sahara (Langstreckenzieher). Bereits zum 23. Mal lud der Natur- und Vogelschutzverein Wasen als einer der Sektionen von «BirdLife»-Schweiz zum Beobachten und Erleben des herbstlichen Vogelzugs auf die Hinterarnialp ein. Über 250 Besucherinnen und Besucher lies­sen sich an zwei Tagen in die Welt dieses Naturphänomens entführen.

Kormorane im Formationsflug
Zur Eröffnung des «BirdWatch»-Wochenendes  zogen am Samstagmorgen kurz vor 9 Uhr 31 Kormorane im Formationsflug an der Hinterarnialp vorbei. Ein zügiger, kühler Wind blies, aber die Sichtweite war sehr gut. Der Morgen ist stets die beste Zeit, um die Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden zu beobachten. Zunehmend wurde es wärmer, und sofort war mehr Vogelzug auszumachen. Die Beobachtungen waren spannend und abwechslungsreich an vielen Kleinvogelarten.

Trans-Sahara-Zieher
Viele Interessierte, darunter auch die Präsidentin des Schweizer Vogelschutzes, SVS/«BirdLife»-Schweiz, Suzanne Oberer, besuchten den vom Natur- und Vogelschutzverein Wasen aufgestellten Beobachtungsstand, an welchem Biologe und Vereinsmitglied Christian Rösti ausführliche und hochinteressante Anmerkungen zu jeder der gesichteten Zugvogelart geben konnte. Als plötzlich auf einem Baumwipfel ein Steinschmätzer landete, erklärte Christian Rösti, dass dieser spatzengrosse, markant gefärbte Singvogel schon eine lange Reise hinter sich und noch eine lange Reise vor sich habe. Das Brutvorkommen dieses Vogels erstreckt sich von Kanada über Grönland, Island bis Ostasien und Alaska. Interessanterweise überwintern aber sämtliche Steinschmätzer aus allen Populationen in oder südlich der Sahelzone in Afrika. Die längste Reise bewerkstelligen die in Alaska brütenden Steinschmätzer, welche einen zirka 30 000 km langen Zugweg, rund drei Monate, benötigen und auf ihrem Flug ins Winterquartier den Nordatlantik in einem drei bis vier Tage langen Nonstop-Flug überqueren. Somit halten diese 25 Gramm schweren Lebewesen wohl den Streckenrekord unter den Singvögeln.
Kurz vor Mittag zog ein Steinadler über dem Mittelland seine Kreise und kam immer näher. Er umflog das Hinterarni Richtung Geissgratfluh, wo er dann plötzlich mit einem zweiten Steinadler zu sehen war. Kurze Zeit später landete einer von ihnen auf einer Tanne über der Geissgratfluh und konnte dort über längere Zeit durchs Fernrohr beobachtet werden. Um 14 Uhr begann es zu regnen, und die Beobachtung wurde eingestellt.
Den Abend verbrachten die Besucher in der Arnischeune, bei Musik und feinem Essen. Dort war auch die Ausstellung «Kleinstrukturen – Lebensnetze für die Natur» zu sehen. Diese Ausstellung zeigte den Besuchern, wo und wie Kleinstrukturen angelegt werden können. In privaten Gärten, in öffentlichen Grünflächen, im Naturschutzgebiet, in ökologischen Ausgleichsflächen, am Waldrand, im Wald, überall sind Kleinstrukturen möglich und machen den Lebensraum für unsere tierischen Mitbewohner wertvoller und sind für die Erhaltung der natürlichen Artenvielfalt wichtig.  Nach dem Regen lag die Hinterarnialp am Sonntag bis nach dem Mittag unter einer Nebeldecke. Die Sicht betrug lediglich 50 Meter.

«Sichtfenster» im Nebel
Trotz der grauen Hülle rund um den Beobachtungsstand erkannten die Ornithologen die unsichtbar vorbeiziehenden Vögel im Nebel an ihrem Flug­ruf. Ab und zu gab ein «Sichtfenster» im Nebel den Blick frei auf die nahegelegenen Weiden und Hügel. Zur Abwechslung konnten dort 17 Gämsen beim Äsen beobachtet werden. Erfreulicherweise besuchten viele Kinder den Beobachtungsstand und interessierten sich brennend für die Vogelwelt. Die aufgestellte Magnetwand mit Schildern vieler Vogelarten, welche dem entsprechenden Lebensraum zugeordnet werden mussten, inspirierte die Kinder sehr. Viele kleine, angehende Ornithologen bewiesen ihr Wissen und konnten von Martin Leuenberger (Präsident NV Wasen) viel Interessantes aus der Vogelwelt erfahren.
Am späteren Nachmittag lichtete sich der Nebel und gab die Sicht frei. Es war noch mässiger Vogelzug auszumachen. Die drei häufigsten Vogelarten, die an diesen zwei Tagen notiert wurden, waren Buchfink, Bergpieper und Tannenmeise. Insgesamt 1295 Vögel wurden gezählt von 46 verschiedenen Arten. Dazu kamen noch die Admiral-Schmetterlinge, welche ebenfalls in den Süden ziehen. Als Schlusshöhepunkt an diesem zweiten Zugvogeltag zeigte sich nochmals der Steinadler in luftiger Höhe, als wolle er sich von den Besuchern verabschieden.
Nebst dem Beobachtungsstand draus-sen erfreuten sich die vielen Besucher am Chilbi-Betrieb drinnen in der Arnischeune mit Musik, Zwirbelen, Essen und Trinken.

Gut zu wissen
Auflösung Schätzwettbewerb: Es waren Schalen von 76 Eiern im Glas. Gewonnen haben: Urs Aeschlimann (Wasen), Paul Schürch (Weier), Ruth Meister (Wasen).

Von Barbara Pfister