• Letzter prüfender Blick: Die Anspannung hinter der Marionettenbühne ist vor Spielbeginn jeweils gross. · Bild: Elsbeth Schär

02.05.2017
Oberaargau

Herzoperation auf der Marionettenbühne

Mit der Premiere von «Das kalte Herz» sind die Gondiswiler Marionetten erfolgreich in die Saison 2017 gestartet. Das Stück schrieb Wilhelm Hauff 1828, und eine Sage aus dem Schwarzwald bildet den Hintergrund. «Das kalte Herz» kam 1988 zum ersten Mal auf die Gondiswiler Marionettenbühne. Als Reprise, unter Regie von Ruth Güdel und Monika Lüthi, finden im Mai weitere Aufführungen statt.

Gondiswil · Wie vor jeder Premiere herrschte auch am letzten Samstagabend Hochspannung hinter der Marionettenbühne. Noch einmal kontrollierten die Spielerinnen Eveline Häberli, Jasmin Hess, Diana Meyer und Rösli Merz jeden Faden, an denen die Figuren hängen, die Bühnenassistentin Karin Denzler zog noch einmal die Kostüme zurecht und prüfte, ob jede Kulisse am rechten Ort stand. Am Technikerpult checkten René Merz und Doreth Zemp, ob Ton und Beleuchtung startklar sind. Auch die beiden Regisseurinnen Ruth Güdel und Monika Lüthi vergewisserten sich, dass alles bereit war. Während Monika Lüthi nebst der Regie sich auch noch als Fadenzieherin engagierte, nahm sie ihren Platz auf dem Spielerpodest ein – es konnte losgehen. Der Vorhang öffnete sich, und die Theaterdirektorin begrüsste die Besucherinnen und Besucher aus nah und fern.

Deal mit dem Holländermichel
Und schon war das Publikum auf dem Tannenbühl, wo Peter Munk, genannt Kohlenmunkpeter, die Köhlerei seines verstorbenen Vaters weiter führen muss. Der junge Köhler ist aber mit der schmutzigen, anstrengenden, schlecht bezahlten und wenig respektierten Arbeit unzufrieden. Er träumt davon, viel Geld zu haben und angesehen zu sein. Da erinnerte er sich an die Erzählung seiner Mutter von einem Glasmännlein. Wenn man diesem Waldgeist mit einem bestimmten Vers ruft, erfüllt er allen Sonntagskindern drei Wünsche. Und Peter ist ein Sonntagskind. Das Glasmännlein erscheint, ist aber nicht gerade erbaut über Peters Wünsche: Er will reich sein, der beste Tänzer weit und breit und die schöne Lisbeth zur Frau haben. Immerhin erfüllt sich Peters Wunsch, dass er die Köhlerei mit einem Glashaus tauschen kann, reich wird und Lisbeth heiraten kann. Aber der gute «Kohlenmunkpeter» kommt mit seinem Reichtum nicht zurecht. Er wird faul und verfällt der Spielsucht, sodass bald nichts vom grossen Geld übrig bleibt.
In seiner Not wendet er sich an den unheimlichen und mysteriösen Holländermichel. Der Waldriese erweist sich als grosszügig, fordert aber als Preis für seine Hilfe Peters Herz. In seiner Verzweiflung ist Peter bereit, diesen Deal einzugehen. Er lässt sich sein warmes Herz aus der Brust nehmen und einen kalten Stein einpflanzen. Nun ist er der reichste Mann ... Peter ist nicht wieder zu erkennen, wird böse, geizig und unberechenbar. Es kommt so weit, dass er seine Lisbeth zu Tode prügelt. Endlich kommt er zur Besinnung, und mit einer List kann er den Holländermichel überzeugen, dass er ihm das kalte Herz heraus operiert und ihm sein warmes Herz zurückgibt.

Keine Mimik, aber Emotionen
Im Publikum war auch eine Theaterbesucherin aus dem zürcherischen Säuliamt, die zum ersten Mal in einem Marionettentheater war. Sie war fasziniert, wie lebendig die Figuren wirken, obwohl sie ja keine Mimik haben: «Es beeindruckte mich, dass die Figuren ihre Emotionen mit den Bewegungen ausdrücken», und fügte an: «Bewundern muss man auch die Technik der Spielerinnen, wie sie in der Lage sind, die vielen Fäden richtig zu ziehen und den Marionetten Leben einzuhauchen!» Überrascht war diese Besucherin auch, dass Marionetten eine Geschichte mit anspruchsvollem Inhalt hautnah auf die Bühne bringen. «Das Stück ist tiefgründig und zeitlos, obwohl es vor fast 200 Jahren entstand», gab sie zu bedenken. Völlig verblüfft war die Dame aus dem Züribiet, als sie nach der Aufführung hinter die Bühne konnte. «Nie hätte ich gedacht, dass die Marionettenbühne dermassen eine optische Täuschung ist. Aus der Sicht des Publikums wirkten die Figuren ja viel grösser, als sie in Wirklichkeit sind!».      
Der Schriftsteller Wilhelm Hauff schrieb dieses Märchen 1828, wobei eine Sage aus dem Schwarzwald den Hintergrund bildete. Auf der Gondiswiler Marionettenbühne bilden einmal mehr sorgfältig bemalte Kulissen den Hintergrund des Geschehens. Vor vier wunderschönen und kunstvollen Bühnenbildern wird während dem Monat Mai ein spannendes und nachdenkliches Stück gespielt, das zeigt, dass nicht Reichtum und viel Geld der Weg zum Glück sind.

Gut zu wissen
Weitere Aufführungen im Rössli-Saal, Gondiswil: Mittwoch, 3. Mai, 18.00 Uhr; Samstag, 6. Mai, 14.00 Uhr; Sonntag, 7. Mai, 10.00 Uhr (Matinee); Mittwoch, 10. Mai, 20.00 Uhr; Dienstag, 16. Mai, 20.00 Uhr; Mittwoch, 17. Mai, 14.00 Uhr; Samstag, 20. Mai, 18.00 Uhr; Sonntag, 21. Mai, 17.00 Uhr, Mittwoch, 24. Mai, 20.00 Uhr, Samstag, 27. Mai, 20.00 Uhr (Derniere).Reservationen werden dringend empfohlen: Telefon 062 965 04 51, Rösli und René Merz. Infos: www.gondiswiler-marionetten.ch