• Der sensationelle Fabio Hiltbrunner vom Schwingklub Sumiswald (links) teilt sich den Festsieg am Jubiläums-Schwingfest in Appenzell mit dem Saison-Dominatoren Fabian Staudenmann aus Guggisberg (rechts). Der totale Berner Triumph. · Bilder: Barbara Loosli

  • Fabio Hiltbrunner aus Schmidigen-Mühleweg bei seinen Siegen über Schwingerkönig Joel Wicki aus Sörenberg (links) und Lukas Heinzer aus Goldau.

10.09.2024
Sport

Hiltbrunner stiehlt den «Bösen» die Show

Der Sumiswalder Athlet Fabio Hiltbrunner (Schmidigen-Mühlweg) sorgte am Eidgenössischen Jubiläums-Schwingfest in Appenzell für eine Sensation und stahl allen «Eidgenossen» die Show. Der junge Stern am Berner Schwingerhimmel bodigte im letzten Duell den Schwingerkönig Joel Wicki mit der Höchstnote von 10,00 Punkten und katapultierte sich damit kurzerhand an die Ranglistenspitze. Den prestigeträchtigen Festsieg teilte sich der Nicht-«Eidgenosse» schliesslich mit dem Saison-Dominatoren Fabian Staudenmann (Guggisberg).

 

Schwingen · Paukenschlag im Schwingsport durch den Nicht-«Eidgenossen» Fabio Hiltbrunner: Der erst vor wenigen Tagen 19 Jahre alt gewordene Athlet aus Schmidigen-Mühleweg gewann das prestigeträchtige Jubiläums-Schwingfest in Appenzell zusammen mit dem Schlussgangsieger und Berner Verbandskollegen Fabian Staudenmann (Guggisberg). Damit sorgte das grosse Talent am wichtigsten Schwingfest des Jahres – eines mit Eidgenössischen Charakter – für eine der grössten Sensationen seit es den Sägemehlsport gibt. 

Den König gebodigt
Die 120 besten Schwinger des Landes standen am Sonntag in der grossen Arena in den Zwilchhosen. Die Favoritenliste bestand aus vielen namhaften Athleten mit drei Sternchen hinter dem Namen, den sogenannten «Eidgenossen». Dass dann ein Athlet mit zwei Sternchen hinter dem Namen gross triumphieren wird, ahnte vor dem verregneten Schwingsport-Highlight des Jahres niemand. Es ist der bislang emotionalste und gewaltigste Moment für den jungen Athleten vom Schwingklub Sumiswald. Fabio Hiltbrunner aus dem Weiler Schmidigen-Mühleweg konnte bislang noch keinen Kranzfestsieg verbuchen. Er realisierte mit dem Triumph in Appenzell den gewaltigsten Erfolg in seiner noch jungen Karriere. Das Meisterstück gelang Hiltbrunner im sechsten Gang, als er Schwingerkönig Joel Wicki (Sörenberg) platt ins Sägemehl bettete. Der 19-Jährige stand nach dem aufsehenerregenden Plattwurf gegen den Schwingerkönig bereits mindestens als Co-Festsieger fest. Er legte den Entlebucher nach weniger als einer Minute beinahe mühelos aufs Kreuz.  Seine Teamkollegen, angeführt vom Spitzenschwinger Matthias «Disu» Aeschbacher – Hiltbrunners Vorbild –, eilten nach diesem Riesen-Triumph zu ihrem Klubkollegen, während dieser dem Schwingerkönig noch das Sägemehl vom Rücken putzte. Der Schwinger aus dem Emmental konnte es kaum fassen, vergoss Freuden-Tränen und liess sich von seinen Sumiswalder Kollegen feiern. «Ich kann es nicht in Worte fassen. Es ist einfach schön mit den Bernern. Wir sind wie eine Familie, jeder geht für den anderen, wir unterstützen uns», sagte er kurz nach seinem Coup ganz überwältigt. «Das Berner Team ist ganz klar der Schlüssel zum Erfolg», sagte Hiltbrunner. 

Bis zum Ende des Schlussganges alleiniger Festsieger
Mit einem Stern hinter dem Namen ist der Jungspund in die Schwingsaison 2024 gestartet. Im März gelang ihm der Sieg an der Erstaustragung des Abendschwingets in Langenthal. Kurze Zeit später kam dann der zweite Stern hinter seinen Namen. Dank Kränzen auf der Rigi und am Berner Kantonalen Schwingfest konnte er zum Teilverbandskranzer aufsteigen. Der aufstrebende und junge Stern am Berner Schwingerhimmel ist erst in der zweiten Saison als Aktivschwinger tätig und hält schon mit den besten Athleten des Landes mit. Das gelingt nur den talentiertesten Schwingern. Beim Jubiläumsschwingfest vor 20 000 Zuschauenden konnte Hiltbrunner einige Momente auf den alleinigen Triumph hoffen. Dann folgte der finale Gang des Tages, für den Hiltbrunner vom Einteilungsgericht trotz Punktgleichheit mit den Finalisten Fabian Staudenmann (Guggisberg) und Armon Orlik (Maienfeld) nicht berücksichtigt wurde, weil er das etwas schlechtere Notenblatt aufwies. Es kam nicht zum «Gestellten». Im Schlussgang bodigte der Topfavorit Staudenmann nach langen 9:45 Minuten mit Übersprung den Bündner  Orlik und verdiente sich somit den Co-Festsieg. Die beiden jungen Berner Fabio Hiltbrunner und Fabian Staudenmann liessen sich auf den Schultern von ihren Klubkollegen in der imposanten Arena in Appenzell feiern. Hühnerhaut-Feeling beim gigantischen Berner Triumph (sieben Berner unter den acht besten Schwinger). Und mitten drin der um Worte ringende Überraschungssieger Hiltbrunner, der auch mit seiner Schuhgrösse 51 Dimensionen sprengt. Nun ist er selbst einer der ganz «Bösen». 

Fünf phänomenale Siege
Der achtfache Kranzgewinner legte sich bereits im Anschwingen mächtig ins Zeug und siegte am frühen Sonntagmorgen gegen Lukas Heinzer (Goldau) und den «Eidgenossen» Mike Müllestein (Steinerberg), dies jeweils mit der Höchstnote von 10,00 Punkten. Der ebenfalls starke Hornusser schien parat. Noch eine Woche zuvor hatte er das Kemmeriboden-Schwinget nach zwei Gängen vorzeitig beendet. Die muskulären Problem konnten aber in kurzer Zeit behoben werden. Nach zwei Gängen führte der Landwirt die Rangliste mit dem Punktemaximum an. Vor dem Mittagessen stand Fabio Hiltbrunner dann dem Thurgauer Kraftpaket Samuel Giger (Märstetten) gegenüber. Gegen diesen Brocken und Mit-Kronfavoriten fand Hiltbrunner kein Siegesrezept und landete schliesslich selbst auf dem Rücken. Es war die einzige Niederlage für den Emmentaler an diesem Tag. Im vierten Gang bodigte der 19-Jährige dann Oliver Hermann (Erlinsbach) – wiederum mit der Höchstnote. Im fünften Gang erhielt er den St. Galler Werner Schlegel (Hemberg) und damit bereits den dritten «Eidgenossen» vorgesetzt. Doch der hungrige Hiltbrunner zeigte sich zu Beginn bereits angriffig und brachte den Ostschweizer zweimal zu Boden. Dann versuchte es Schlegel selbst mit einem Kurz-Angriff, welchen Hiltbrunner gekonnt abwehrte und schliesslich direkt mit einem Gammen nach rechts konterte und den nächsten Coup landete. Als wäre das nicht alles schon der Sensation genug, haute Fabio Hiltbrunner am Schluss noch den absoluten Kracher mit dem Sieg gegen den amtierenden Schwingerkönig raus. Der Emmentaler wurde mit dem beliebten Schönschwingerpreis ausgezeichnet. Als Belohnung durfte er den eindrücklichen Brunnen mit nach Hause ins Emmental nehmen. Er wurde aus einem rund 170-jährigen Fichtenstamm mit einer speziellen Astgabelung gefertigt. Da keine Kränze verteilt wurden, erhielt Hiltbrunner – wie jeder andere Schwinger – einen handgefertigten Appenzeller Gurt. Und natürlich den Lebendpreis, Rind Zenita. «Ich habe aber das Geld genommen», informierte der Mann des Tages. Nach seinem Husarenstreich begann ein Marathon, den Hiltbrunner in diesem Ausmass zuvor noch nie erlebt hatte. «Es wurde mir rasch einmal zu viel. Ich hatte das Geschehene noch überhaupt nicht realisiert, als ich zig - Interviewfragen beantworten musste. Ich versuchte, mich so kurz wie möglich zu fassen, damit ich endlich etwas Zeit für mich hatte.» Es dauerte aber Stunden, ehe Hiltbrunner endlich mit seinen Berner Kollegen auf den sensationellen Triumph anstossen konnte. Dafür wurde kräftig gefeiert. «Nach dem Festen ging es am frühen Montagmorgen direkt auf den Heimweg. Geschlafen habe ich keine Minute», so Hiltbrunner. «Ich bin froh, dass ich einen freien Tag habe.» 

Aeschbacher kämpft für das Team
Für einmal stand Matthias Aeschbacher, das Aushängeschild vom Schwingklub Sumiswald, im Schatten seines sensationellen Vereinskollegen.   Der 32-jährige «Eidgenosse» legte Christian Bucher (Unterägeri), Michael Gwerder (Brunnen), Marco Fankhauser (Schüpfheim) und im letzten Gang den Basler «Eidgenossen» Adrian Odermatt (Liesberg) auf das Kreuz. Die Duelle mit den «Eidgenossen» Marcel Bieri (Edlibach) im Anschwingen und im vierten Gang mit Armon Orlik (Maienfeld) endeten nach Ablauf der Zeit mit einem Unentschieden. Ärgerlich: Beim Sieg gegen Gwerder (9,75) wurde «Disu» um die absolut korrekte Note 10,00 betrogen. Statt für sich zu schauen, «opferte» sich «Disu» gegen Orlik für das Team: «Ich nahm kein Risiko, denn mit vier Siegen wäre Armon fast uneinholbar weggezogen.» Schliesslich beendete Aeschbacher das Fest als fünftbester Schwinger auf Rang 3b. 

Frühzeitig ausgeschieden
Der zweite Sumiswalder «Eidgenosse» Patrick Schenk (Weier) legte mit zwei Siegen einen grandiosen Start hin. Doch danach wendete sich das Blatt und der 30-jährige Emmentaler musste sich neben einem Remis gleich mit drei verlorenen Zweikämpfen auseinandersetzen (Rang 14d). Der vierte Sumiswalder Athlet Fabian Aebersold (Walterswil) schied nach drei Unentschieden und einem verlorenen Duell chancenlos bereits nach vier Kämpfen aus. Identisch lief es dem einzig nominierten Athleten vom Schwingklub Langenthal. Severin Staub (Melchnau) schied nach lediglich einem Sieg und drei verlorenen Duellen vorzeitig aus.

Auszug aus der Rangliste: 1a. Fabian Staudenmann, Guggisberg, 58,50; 1b. Fabio Hiltbrunner, Schmidigen-Mühleweg/SK Sumiswald, 58,50; 2. Dominik Gasser, Süderen, 57,50; 3a. Armon Orlik, Maienfeld, 57,25; 3b. Matthias Aeschbacher, Rüegsauschachen/SK Sumiswald, 57,25; 3c. Curdin Orlik, Thun, 57,25; 3d. Michael Moser, Biglen, 57,25; 3e. Adrian Walther, Habstetten, 57,25; 4. Tim Roth, Erlinsbach, 56,75; 5d. Samuel Giger, Märstetten, 56,50; 7c. Joel Wicki, Sörenberg, 55,75; 14d. Patrick Schenk, Weier/SK Sumiswald, 54,00; 24g. Severin Staub, Melchnau/SK Langenthal, 35,50; 26a. Fabian Aebersold, Walterswil/SK Sumiswald, 35,00.  


Von Yanick Kurth und Stefan Leuenberger