Historisches Ereignis wird mit Chören debattiert
Die Schweiz feiert dieses Jahr «175 Jahre Bundesverfassung 1848». Auf diese wichtige Errungenschaft wird unter anderem mit der chorischen Debatte «Die Petitionärinnen» musikalisch hingewiesen. Mit dabei ist auch der Frauenchor Langenthal.
Die Bundesverfassung von 1848 führte ein Rechtssystem ein, das mehr Gleichheit und Freiheit für die Schweizer Männer brachte. Und obwohl die Frauen in dieser Zeit ebenfalls viel leisteten, werden sie kaum je erwähnt. Dies soll sich mit dem Chorprojekt ändern. Nach der Idee und dem Konzept von Regisseurin und Theaterpädagogin Liliana Heimberg verfasste der Freiburger Komponist Jean-François Michel die Musik zu den «Petitionärinnen». Den Auftrag dazu erteilte Willi Derungs, künstlerischer Leiter des Konzertveranstalters Musica Classica aus Bern.
Frauen kämpften für mehr Rechte
Das Werk beruht auf historischen Ereignissen und beleuchtet die Rolle der Frauen aus Bern, Biel und dem Emmental. Diese haben nämlich mittels mehrerer Petitionen bei den Amtsherren in Bern nach dem Vorbild der Jurassierinnen um ihre Anliegen gekämpft. So wollten sie als unverheiratete, verwitwete oder geschiedene Frauen den gesetzlich geregelten Beistand loswerden. Diese Anliegen wurden den Frauen zwar nach längerem Warten zugestanden – allerdings kurze Zeit später wieder zurückgenommen. Trotzdem darf ihr Kampf als Erfolg gewertet worden, der allerdings in den Geschichtsbüchern kaum erwähnt wird.
Jeder Chor verkörpert Frauen aus verschiedenen Regionen
An den Aufführungen beteiligen sich vier Chöre. Es sind dies der Berner Konzertchor Canto Classico, der Choeur de Biu, das Ensemble Vocal d’Erguël aus dem Jura sowie der Frauenchor Langenthal, der die Emmentalerinnen vertritt. «Die Zusammenarbeit mit diesen vier Chören ist erstmalig und hauptsächlich dadurch bedingt, dass wir je einen Chor aus der Region der Petitionärinnen finden wollten», erklärt Gesamtleiter Willi Derungs. Zudem sei natürlich darauf geschaut worden, gute Chöre zu finden und solche, welche eher die Grösse eines Vokalensembles hätten, so Derungs weiter. «Und uns war auch wichtig, dass sich die Chöre und ihre Chorleiter mit dem Thema identifizieren können.»
Eine spezielle Aufgabe für den Frauenchor Langenthal
Genau dies ist beim Frauenchor Langenthal der Fall, wie deren Präsidentin Karin Liechti bestätigt. Sie hätten kurz nach ihrem Jubiläumskonzert vom 11. Dezember – der Chor feierte sein 125-jähriges Bestehen – , also kurz vor Weihnachten 2022, vom Projekt erfahren und über die Festtage mit ihrem Dirigenten Philippe Ellenberger darüber diskutiert. Nach dem Besuch der Initiantin Liliana Heimberg in Langenthal habe es ihnen vollends den Ärmel reingenommen, so Karin Liechti weiter. «Im April haben wir dann die Noten erhalten und im Mai anlässlich der ordentlichen Chorproben mit dem Singen begonnen.»
Es sei schon etwas anderes, mal keine Ohrwürmer zu singen. Damit die Mitglieder des Frauenchors Langenthal auch zu Hause intensiv üben konnten, haben sie Hördateien erhalten. Nach den Proben vor Ort reisten sie für ein paar Mal nach Bern, so auch am 18. September (siehe Bild). «Wir sind vor allem von der Geschichte und den mutigen Frauen dieser Zeit begeistert, die, beeinflusst durch die Jurassierinnen, für mehr Recht kämpften», betont Karin Liechti.
Als Vorbereitung haben die Chöre gemäss Willi Derungs jeweils einzeln geprobt, da sie den Auftritt der Petitionärinnen aus ihrer Region respektive die Langenthalerinnen derjenigen aus dem Emmental vertreten und zu verschiedenen Zeitpunkten separat in Szene treten. «Danach mischen sich auch einzelne Chöre singend miteinander. Bei einigen Abschnitten singen dann alle Frauen zusammen. Bei den Männern ist es so, dass diese gemeinsam als Männerchor auftreten, dann aber sich auch in zwei Gruppen von Gegnern und Befürwortern unterteilen. Im Schlusschor singen alle Chöre als gemischter Chor mit den Solisten zusammen», erklärt Derungs die Szenerie. Das Werk macht zum Schluss den Sprung in unsere Zeit mit dem Hinweis darauf, dass die Frauen bis 1988, als das neue Eherecht angenommen wurde, warten mussten, bis eine rechtliche Gleichberechtigung erzielt wurde.
Unter Matronat einer Bundesrätin
Das Matronat hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider übernommen. In ihrem Programm-Vorwort dankt sie den Macherinnen und Machern der chorischen Debatte, «mit der die mutigen und politischen Frauen dieser Zeit ihren verdienten Platz in diesem nationalen Fest erhalten.» Das Stück zeige, dass es in der Politik Werte und Überzeugungen, aber auch Mut, Beharrlichkeit und Geduld brauche, um ein Ziel zu erreichen. «Es lohnt sich immer, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Gemeinsam und mit einem Lied auf den Lippen geht das umso leichter.»
Von Irmgard Bayard