Hochwasserschutz-Projekte auf Kurs
Noch rund zwei Jahre dauern die Arbeiten für den Hochwasserschutz im oberen Langetental. In Huttwil und Rohrbach wird dann der Abfluss der Langete bei einem Hochwasserereignis gedämmt. Die gesamten Verbauungen und Massnahmen sollen einem «Dreissigjährigen- Hochwasser» standhalten und die Ortschaften entlang des oberen Langetenlaufs nachhaltig schützen.
Huttwil / Rohrbach / Kleindietwil · Schon eine Weile wehen die Bänder des «Ufrichti-Tannli» auf dem Einlaufbauwerk in Tschäppel; die Betonarbeiten sind abgeschlossen, das Mauerwerk ist fertig erstellt.
Für die Handwerker, Bauherrschaft und Landbesitzer fand vor zwei Wochen am Mittag ein fröhliches «Baustellen-Bräteln» statt.
Niemand der vielen Anwesenden ahnte allerdings zu diesem Zeitpunkt, dass keine zehn Stunden später ein Hochwasser auf der Baustelle beinahe Ungemach anrichten wird. Der Gewitterregen am Donnerstagabend, 23. Mai, machte die Langete unterhalb Eriswil zur Sturzflut, welche das noch lose Grien und Gestein um das Mauerwerk wegspülte. In Windeseile wurde das Bachbett unterhalb des Einlaufwerks freigebaggert, damit die Mauern nicht hinterspült wurden, das Wasser abfliessen konnte und grössere Schäden verhindert werden konnten.
Stauen und zurückhalten
«Wir waren gefordert. Zum Glück dauerte der Regen in diesem Ausmass nur kurz», sagt der Huttwiler Gemeinderat und Verantwortliche für das Ressort Bau, Hans Mathys, gegenüber dem «Unter-Emmentaler». Er ist Mitglied des Steuerungsausschusses Hochwasserschutz oberes Langetental. «Wenn in rund zwei Jahren das gesamte überkommunale Projekt abgeschlossen ist, sollten die Schutzmassnahmen nach heutigem Ermessen einem ‚Dreissigjährigen Hochwasser‘ standhalten.»
Bis es aber soweit sei, bleibe zu hoffen, dass das Glück auf der Seite der Gemeinden und Bauunternehmungen stehe und kein grösseres Ereignis eintreffe, denn jede Baustelle bedeute eine Schwachstelle, bis die Arbeiten abgeschlossen seien.
Dann aber kann an verschiedenen Stellen Hochwasser gestaut und zurückgehalten werden, welches bis anhin ungehindert durch das Tal hinunter donnern und, wie im Juni 2007, Gebäude, Kulturland und Infrastrukturen überschwemmen und zerstören kann. Die Rückhaltebecken vermögen dereinst grosse Mengen Wasser zu fassen und kleinere wieder abzugeben. Allfällige Überflutungen im Rückstaubereich, welche nach Abschluss der Bauarbeiten wieder als Kulturland dienen, würden zu 67 % durch den Kanton Bern vergütet.
Erddamm in Tschäppel
In Tschäppel erfolgen nun laufend Lieferungen mit geeignetem Material für den 300 Meter langen Erddamm, der zur Hauptstrasse hin flach ausläuft. Mit dessen Bau ist inzwischen bereits begonnen worden.
Den Hauptteil des Damms bildet der Stützkörper, bestehend aus Zonen mit Erdmassen von unterschiedlicher Durchlässigkeit und Festigkeit, stabilisiert durch ein Baugitter. Damit wird Stabilität einerseits, Durchlässigkeit anderseits gewährleistet. Zur Vermeidung hoher Transportkosten wird das Material aus möglichst naher Umgebung gewonnen.
Der Staudamm hat einen trapezförmigen Querschnitt, läuft auf der Unter- und Oberseite abflachend aus und wird auf beiden Seiten mit einer Böschung versehen. Darüber hinweg führt eine mit Traktor oder kleinerem Lastwagen befahrbare Strasse.
Ist das gesamte Bauwerk einschliesslich des Einlaufbauwerks aufgeschüttet und überwachsen, wird ausser der neuen Strasse kaum noch etwas ersichtlich sein.
Zwei Schwemmholzrechen
Zirka im August werden im Einlaufbauwerk die Schwemmholzrechen erstellt, damit grobes Schwemmmaterial aufgefangen werden kann.
Auch im Nyffelbach, zirka auf Höhe der Waldmatt, wird im Herbst ein Schwemmholzrechen gebaut um Verklausungen zu vermeiden.
Ein nächstes grösseres Projekt in der Gemeinde Huttwil wird Ende 2019/anfangs 2020 der Brückenneubau in der Häberen und der gleichzeitige Gerinneausbau und die Renaturierung des Rotbachs und des Wyssachenbachs sein. Die Brücke mit optimiertem Durchlass ist Teil des gesamten Hochwasserschutzprojekts, damit vom höheren Subventionssatz profitiert werden kann. Die kostenintensivste Massnahme im Rahmen des gesamten, rund 14 Millionen teuren Hochwasserschutzprojekts ist die Betonsperre mit Rückhaltebecken in Rohrbach im Gemeindegebiet Brand.
«Kiddy Dome» als Betonsperre
Den beteiligten Gemeinden kommt dabei entgegen, dass unmittelbar daneben, an erhöhter Lage, von Markus Bösiger der neue «Kiddy Dome» realisiert wird.
Das ostseitige Grundmauerwerk ist bereits Teil der Betonsperre und erspart den Gemeinden dadurch beträchtliche Investitionen. In den letzten Wochen wurden die Zufahrt zur Grossbaustelle und ein Steg über die Langete erstellt, ausserdem erfolgten die Rammungen der Spundwände. Jetzt beginnen die Hangsicherungsarbeiten auf der anderen Seite der Langeten. Im August startet die zweite Bauphase mit den Betonarbeiten. Weitere Spundwände folgen; zirka im Februar wird die Langete umgelegt und eine Fischbrücke/Furt erstellt.
Nach dem Bau des Abschlussdamms zirka im Mai 2019 erfolgen die Rückbauarbeiten.
Ökologische Ersatzmassnahmen
Kleinere Massnahmen sind in Weinstegen im Gang. Die Verbindungs-strasse Weinstegen-Kleindietwil wurde an einer exponierten Stelle leicht gehoben. Ein kleiner Damm soll die dortigen Häuser schützen und verhindern, dass die Langete ungehindert über Felder und Strassen hinwegfliesst. Aufwändig sind die Arbeiten in Kleindietwil. Zwischen Fennermatte und Moos ist ein grossräumiger Gerinneausbau der Langete vorgesehen, teils mit Ufererhöhung. Zahlreiche Anstösser sind betroffen, was ein langwieriges Verfahren voraussetzte. Bald aber beginnen auch hier die Arbeiten; zahlreiche Markierungen sind bereits vorgenommen worden.
Auf allen drei Gemeindegebieten werden ökologische Ersatzmassnahmen realisiert. Natürliche Flächen für Flora und Fauna sollen die künstlichen Verbauungen an der Langete kompensieren; nicht zuletzt sind sie auch Bestandteil der Bedingungen für die Ausrichtung von Subventionen.
Einbezug der Anstösser, Tag der offenen Baustellen für die Bevölkerung
Die Anstösser und Landbesitzer in allen drei Gemeindegebieten werden eng in die Realisierung des Hochwasserschutzprojekts einbezogen. Sie sind an den jeweiligen Baustellen zu den regelmässigen Baustellensitzungen eingeladen und haben so die Möglichkeit, sich laufend zu informieren und ihre Anliegen einzubringen. Auch der Bevölkerung sollen die imposanten Bauwerke nicht vorenthalten werden. Im September 2018 ist ein Tag der offenen Baustellen vorgesehen mit Führungen und Attraktionen für Jung und Alt. Datum und Zeit werden rechtzeitig bekannt gegeben.
Von Liselotte Jost-Zürcher