• Ehrenbürger Fritz Gerber mit Frau Renate im Jahre 2000 in der Bibliothek Huttwil, der er mit einer 50 000-Franken-Spende den Nonbookbereich finanzierte. · Archivbild: Thomas Peter

  • Der Huttwiler Ehrenbürger Fritz Gerber, langjähriger VR-Präsident und CEO des Pharmakonzerns Roche, ist am 10. Mai 91-jährig verstorben. · Bild: zvg

14.05.2020
Huttwil

Huttwils einziger Ehrenbürger ist verstorben

Er ist einer der Männer, die in den 90er-Jahren die Schweizer Industrielandschaft nachhaltig prägte: Der Huttwiler Ehrenbürger Fritz Gerber. Am 10. Mai ist der langjährige VR-Präsident und CEO des Pharmakonzerns Roche 91-jährig verstorben.

Huttwil · Am 23. August 1999 war es soweit: Fritz Gerber wurde in Huttwil das Ehrenbürgerrecht übergeben. Der in Huttwil geborene Sohn eines Schreiners hat es in seiner Karriere weit gebracht. Und doch zeigte er sich vor fast 21 Jahren sehr gerührt, als ihm die Ehrung zuteil wurde. Als der «Unter-Emmentaler» damals berichtete, wurde Fritz Gerber wie folgt wiedergegeben: «In einer immer globaleren Welt, in der Grenzen verschwinden, ist es umso wichtiger zu wissen, woher man kommt, wo man seine Wurzeln hat und wo man hingehört.» Und: «Es lässt mich deshalb nicht gleichgültig, nach den vielen Jahren anderswo in der Schweiz und im Ausland, als einer angenommen zu werden, der zu euch gehört.» Die Reise von Fritz Gerber hat im Alter von 91 Jahren geendet. Er starb an den Folgen eines Hirnschlages.

Einer der einflussreichsten Manager
Aufgewachsen ist Fritz Gerber in bescheidenden Verhältnissen. Sein Vater arbeitete als Schreinermeister bei der Möbelfabrik Meer, seine Mutter Johanna, geborene Abplanalp, hatte Wurzeln nach Brienz, die Gerber ebenfalls prägten. Bereits im April 1945 hat er Huttwil im Alter von 16 Jahren verlassen, um in Bern das Gymnasium zu besuchen. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bern, wo er den Abschluss als Fürsprecher für den Kanton Bern meisterte, amtete er mehrere Jahre im Volkswirtschaftsdepartement Bern, heute bekannt als «seco». Ab 1958 war Gerber dann bei der Zurich Versicherung angestellt, wo er sich als Sanierer einen Namen machte. 1977 wurde er schliesslich Präsident und übernahm sogleich die operative Führung, was damals noch üblich war, der Versicherungsgesellschaft. In seiner Zeit als Führungskraft steigerte die Unternehmung den Umsatz um das Achteinhalbfache.

Unerschrockener Patron
Noch grössere Meilensteine gelangen Fritz Gerber dann als Vorsteher des Basler Pharmakonzerns Roche. Vor seiner Amtszeit als Präsident und CEO wurde das Unternehmen von Krisen richtiggehend durchgeschüttelt und litt unter einem zweifelhaften Ruf nach dem Giftgasunglück der Roche-Fabrik im italienischen Seveso. Britische Zeitungen nannten Roche die «meistgehasste» Chemie- und Pharmafirma, erwähnt beispielsweise der Tagesanzeiger in seinem Nachruf. Auch hier trat Gerber als unerschrockener und unbeirrbarer Patron auf, der mit viel Aufbauarbeit das Unternehmen aus der Schieflage befreite und das Vertrauen wiederherstellte.Dass Gerber damals beide Unternehmen zeitgleich führte, löste ein grosses Medienecho aus, viele Kritiker formulierten Bedenken. Zweifellos gehörte Fritz Gerber mit den beiden Führungsmandaten zu den einflussreichsten Managern der Schweiz. Dies auch, weil er zusätzlich noch Verwaltungsratsmandate, unter anderem bei der Nestlé, der Credit Suisse und der US-amerikanischen Firma IBM, belegte.

Langfristiges Denken bleibt prägend
Von seiner Weitsicht und seinem guten Gespür profitiert Roche noch heute, weiss der Tagesanzeiger. 1990 übernahmen die Basler für damals unerhörte 2,1 Milliarden Dollar die Mehrheit am kalifornischen Biotech-Unternehmen Genentech – damit legte Gerber den Grundstein für Roches führende Marktstellung bei Krebsmitteln. Weiterhin zählen die von Genentech entwickelten Mittel Avastin, Herceptin und Mabthera zu den Bestsellern. In einer Medienmitteilung betont Dr. Christoph Fritz, heutiger VR-Präsident des Basler Pharmakonzerns: «Gerber ist massgeblich zu verdanken, dass Roche Ende des letzten Jahrtausends nachhaltig in die Erfolgsspur zurückfand.» Sein langfristiges Denken präge das Unternehmen immer noch.

Kunst und Sport
Fritz Gerbers Vermögen wird laut der «Bilanz» auf 500 bis 600 Millionen Franken geschätzt, auch dank einer beträchtlichen Kunstsammlung. Neben der Kunst begeisterte sich Gerber auch für Musik. Zu seinem 70. Lebensjahr gründete er ausserdem die Fritz-Gerber-Stiftung für begabte junge Menschen, die in den Bereichen Handwerk, Kunst und Sport unterstützt werden sollten. Auch als Sportmäzen versuchte er sich: Gemeinsam mit seinem Freund Rainer E. Gut investierte er Millionen beim Zürcher Fussballklub GC.

Von Leroy Ryser

 

Nachruf der Gemeinde Huttwil

Betroffen hat der Gemeinderat vom Tod von Fritz Gerber vernommen. Fritz Gerber wurde 1929 in Huttwil als Sohn eines Schreinermeisters geboren und hat in unserer Gemeinde seine Jugend verbracht. Im Laufe seines sehr bewegten Lebens waren Fritz Gerber die Kontakte zu seinen Schulkameradinnen und Schulkameraden sehr wichtig, und so führte sein Weg immer wieder in den Oberaargau.
Im Jahr 1999 hat der Gemeinderat der Gemeindeversammlung vom 9. Juni den Antrag gestellt, Fritz Gerber die Ehrenbürgerschaft zu verleihen. In seiner Botschaft an die Gemeindeversammlung begründete der Gemeinderat seinen Antrag mit folgenden Worten: Mit der anlässlich seines siebzigsten Geburtstages errichteten Stiftung zu Gunsten von Jugendlichen mit einem besonderen Talent im Bereich Kultur, Sport oder Handwerk setzt er sich für die weniger bemittelten nichtakademischen jungen Leute ein. Hier zeigt sich sein soziales Engagement.
Fritz Gerber ist einer der erfolgreichsten Wirtschaftsführer überhaupt. Er ist aber trotz seines grossen Erfolges bescheiden geblieben. Das durften Gemeinderatsmitglieder in zwei Gesprächen, die sie mit ihm führen konnten, erfahren. Er hat sich bereit erklärt, uns in unserem Bestreben zur Förderung
unserer Wirtschaft zu unterstützen. Fritz Gerber ist die bisher erste und einzige Person, welcher Huttwil das Ehrenbürgerrecht verliehen hat. Durch ihren Beschluss wollte die Gemeindeversammlung die ausserordentlichen Leistungen als Wirtschafsführer anerkennen und ihn auch für sein kulturelles und soziales Engagement ehren.
Die Einbürgerungsurkunde wurde Fritz Gerber im Rahmen einer würdigen Feier am 23. August 1999 durch den Gemeinderat überreicht. Als Zeichen des Danks spendete Fritz Gerber der Bibliothek einen Betrag von 50 000 Franken. Mit diesem Betrag konnte in der Bibliothek der Nonbookbereich aufgebaut und erfolgreich betrieben werden. So kam das Engagement von Fritz Gerber nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern von Huttwil, sondern der ganzen Region zugute.
Sein langjähriger Weggefährte bei Roche, Henri B. Meier, machte Fritz Gerber ein besonderes Geschenk: Er liess das Gemeinderatszimmer renovieren und mit einer Holzschnitzerei des Brienzer Künstlers Fritz Fuchs ausstatten. Die Schnitzerei zeigt verschiedene wichtige Stationen im Leben von Fritz Gerber. Auf diese Weise blieb der Ehrenbürger von Huttwil trotz räumlicher Distanz stets präsent.
Mit Fritz Gerber verliert die Gemeinde Huttwil ihren ersten Ehrenbürger. Was bleibt, sind Erinnerungen an einen erfolgreichen Wirtschaftsführer, der trotz seines Erfolges die Bodenhaftung nicht verloren hat und mit seinem sozialen Engagement viele Menschen, welche nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, an den Früchten seiner Arbeit teilhaben liess.
Der Gemeinderat wird das Engagement von Fritz Gerber für die Gemeinde Huttwil in dankbarer Erinnerung behalten und ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Die Holzschnitzerei im Gemeinderatszimmer wird die Erinnerung an Ehrenbürger Fritz Gerber über seinen Tod hinaus wach behalten.
Der Gemeinderat spricht der Trauerfamilie sein tief empfundenes Beileid aus.